Redaktionsgespräch mit Karl Sasserath "Eine gewisse Enttäuschung ist da"

Mönchengladbach · Der Grünen-Fraktionsvorsitzende erklärt, warum die Grünen gegen "Rock am Ring" auf dem JHQ-Gelände waren. Er spricht über das belastete Verhältnis zu CDU-Fraktionschef Schlegelmilch und sagt, wie er mit dem Verlust des Bezirksvorsteher-Postens im Süden umgeht.

 Karl Sasserath ist ein Urgestein der Grünen in Mönchengladbach.

Karl Sasserath ist ein Urgestein der Grünen in Mönchengladbach.

Foto: Raupold

Trauern Sie der Chance nach, dass es nicht zu einer Ratsmehrheit mit der CDU geklappt hat?

Karl Sasserath Ich glaube, es wäre eine Chance für Mönchengladbach gewesen, dass eine normale Beziehung zwischen Grünen und CDU eintritt. Die CDU hat einen sehr Grünen-offenen Wahlkampf betrieben. Man hat den Wählern zugesichert, dass Grün-CDU eine Chance wäre. Die CDU hat ja auch keine Mitgliederbefragung gemacht, der Parteivorstand hat das entschieden.

Ist die Tür in Mönchengladbach für ein Bündnis CDU-Grüne zugeschlagen?

Sasserath Die CDU hat immer wieder betont, dass die Koalitionsgespräche gut gelaufen sind. In Mönchengladbach weiß man, dass die CDU und die Grünen eine große Schnittmenge haben. Da kann man konstruktiv mit arbeiten oder das goutieren, um eine Abwanderung der Wähler zu verhindern.

Gibt es noch Gespräche mit der CDU?

Sasserath Bisher gibt es keine institutionalisierten Gespräche. Zur Zeit der Ampelkoalition haben wir Wert darauf gelegt, auch mit der CDU zu sprechen und gemeinsame Lösungen zu finden. Nach der Ampel-Koalition wurden diese Gespräche abgebrochen.

Solche Gespräche gibt es ja durchaus - zwischen CDU und FDP . . .

Sasserath Die CDU hält sich damit diese Möglichkeit für nach 2020 offen. Es stimmt, eine Beziehung muss irgendwie gepflegt werden, sei es, dass man sich streitet. Im Moment sehe ich nicht, dass diese Gesprächskultur weitergeführt wird.

Sind Sie enttäuscht, dass die SPD die Grünen nicht unterstützt?

Sasserath Ich glaube, Politik ist sehr stark konkurrenzbesetzt. Die Grünen haben in den vergangenen Jahren Wähler aus verschiedenen Bereichen gewonnen. Wir haben ein ausgeprägtes soziales Profil, da viele Mitglieder einen beruflichen Hintergrund in diesem Bereich besitzen. Daher schaut die SPD genau, was wir machen, und hatte Angst, Wähler an uns zu verlieren. Aber man muss sich die Frage stellen, wie kommt Mönchengladbach weiter. Das ist auch die Erwartung der Öffentlichkeit, dass Politik gemeinsame Lösungen findet und nicht aus reinen Machtoptionen heraus entscheidet. Die Aufgabe der Großen Koalition ist es auch, die Vorschläge und Rechte von Minderheiten zu respektieren.

Ihr Verhältnis zum CDU-Fraktionsvorsitzenden Hans Peter Schlegelmilch scheint seit der gescheiterten Kooperation nicht mehr besonders gut zu sein. Was werfen Sie ihm vor?

Sasserath Wir sind da Profis genug, um darüber hinwegzukommen. Dass da eine gewisse Enttäuschung nachhallt, will ich nicht verhehlen. Wir sind im Grunde davon ausgegangen, dass es eine realistische Option war. Ich habe mir davon mehr versprochen, denn die stundenlangen Gespräche waren sehr konstruktiv. Am Ende war die Schnittmenge nicht da.

Von CDU-Seite hieß es oft: Mit der grünen Parteiführung könne man ja, aber nicht so sehr mit der Fraktionsspitze. Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Sie polarisieren?

Sasserath Das glaube ich nicht, ich bemühe mich um eine berechenbare Politik und signalisiere früh, was die Handlungsfolgen sind. Ich glaube, dass der von einer schwarz-grünen Koalition ausgelöste Veränderungsdruck nicht gewollt war.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Großen Koalition bislang?

Sasserath Es gab bisher wenig öffentliche Vorschläge, außer den Verlautbarungen im Koalitionsvertrag ist nichts passiert.

Die Opposition im Rat ist klein: Gibt es Berührungspunkte zu den anderen Fraktionen?

Sasserath Wir haben ja schon Absprachen mit einigen Fraktionen. Es ist für die Stadt nicht gut, dass wir bis auf die WFMG in keinem Dreier-Aufsichtsrat der städtischen Beteiligungsgesellschaften mehr sitzen. Wir werden in Kürze auch eine Umbesetzung vornehmen. Ein Platz im Haushaltsausschuss soll an die Piraten, ein anderer im Schulausschuss an Die Partei gehen. Es geht da einfach um politische Beteiligung. Wir Grünen haben als starke politische Fraktion in der Opposition eine Integrationsfunktion.

Wie wollen Sie die Grünen in Gladbach in den nächsten Jahren positionieren?

Sasserath Wir befinden uns in der Fraktion in einem starken Veränderungsprozess, die jüngere Generation wächst nach. Wir haben verschiedene jüngere Frauen und Männer zwischen 30 und 40 gewonnen. Diese neue Generation bringt eine neue Form und neuen Inhalt in die Politik.

Der Altersdurchschnitt in der Partei ist dennoch hoch . . .

Sasserath Es ist ein Problem, dass die jungen Erwachsenen, die Grünen-affin sind, zur Ausbildungszeit aus Mönchengladbach wegziehen. Die kommen dann häufig erst Anfang 30 zu uns zurück. Insgesamt befindet sich aus meiner Sicht die politische Jugendarbeit in der Krise.

Manchmal drängt sich der Eindruck auf, als wollten die Grünen bewusst Nischen besetzen, um da mittelfristig Wählerpotenzial abschöpfen zu können.

Sasserath Nein, dem würde ich widersprechen. Wir sind eine Partei mit hohem Fachwissen und hohem Bildungsgrad und an komplexen Lösungen interessiert. Wir diskutieren intensiv politische Themen und Vorschläge. Stellen häufig sehr differenzierte Anträge, die mit vielen Vorschlägen ausgestattet sind. Sonst reduziert man die Komplexität der Themen.

Warum haben die Grünen zum Beispiel die Festival-Idee für das JHQ nicht mitgetragen?

Sasserath Unsere Position war: "Rock am Ring" in Mönchengladbach ja, aber ohne Kosten für die Stadt. Jetzt findet "Rock am Ring" anderswo statt, gleichzeitig soll die Stadt für ein neues Festival im JHQ finanziell zuschießen. Wir stellen mit Ratsfrau Ulla Brombeis die Vorsitzende des Finanzaussschusses, schon deshalb schauen wir hinsichtlich der Haushaltsentwicklung genauer hin. Das halten wir für richtig und wichtig, da die Stadt sich immer noch in einer schweren Strukturkrise befindet. Das Nein war also ein begründetes Nein, denn für das JHQ als Gebiet von 390 Hektar gibt es bessere Optionen. Das Land hat die Stadt Mönchengladbach beispielsweise gefragt, ob auf dem JHQ-Gelände eine Übergangseinrichtung für Flüchtlinge entstehen soll. Dazu sagen wir ja, wenn an der Stadt nicht die Kosten hängenbleiben.

Was halten Sie von einem alternativen Festival?

Sasserath Man kann um eine Sache kämpfen, und es ist nicht ehrenrührig zu unterliegen. Jetzt gewinnt man den Eindruck, dass diese Niederlage nicht als Niederlage erscheinen soll.

Beim Thema Limitenstraße gab es Kontroversen. Wie ist Ihr Verhältnis zu Planungsdezernent Andreas Wurff?

Sasserath Ich bin der Meinung, dass er gute Arbeit macht. Er ist immer noch unser Beigeordneter. Er ist ja kein Grünen-Mitglied, wir wollten auch einen Dezernenten ohne Parteibuch.

Wie sehr hat Sie der Verlust des Bezirksvorsteher-Amtes geschmerzt?

Sasserath Erstens ist es eine sehr schöne Zeit gewesen. Und dass der politische Wechsel dazugehört, ist mir klar. Es waren auch zehn anstrengende Jahre, in denen ich keine Wochenenden hatte und bis tief in die Nacht gearbeitet habe. Natürlich lernt man unendlich viel, das werde ich weiter in den politischen Prozess mit einfließen lassen.

Sie sind jetzt 61 Jahre alt. Werden Sie die volle Wahlperiode bis 2020 Fraktionsvorsitzender der Grünen sein?

Sasserath Das überlasse ich der Fraktion. Ich bin in einem Alter, wo ich loslassen kann. Erst mal bin ich aber bis 2020 gewählt, und der Aufgabe stelle ich mich weiterhin.

Ist es eigentlich manchmal schwer, ein Grüner zu sein?

Sasserath Ich habe noch erlebt, wie der damalige Oberstadtdirektor vor 30 Jahren wegen uns Grünen die Rathaustür abschließen ließ. Ich trage noch die Entstehungsgeschichte der Grünen mit mir herum, daher gehe ich vielleicht mit manchen politischen Fragestellungen anders um als manche aus der jüngeren Generation.

Müssen Sie dann nicht, etwa bei den Äußerungen der Grünen auf Bundesebene hinsichtlich der Kriegs- und Rüstungsfragen, manchmal etwas schlucken?

Sasserath Bei der Situation im Nahen Osten wird deutlich, dass übliche politische Konzepte dort nicht reichen. Deshalb halte ich den Teil der Forderung von Katrin Göring-Eckardt, dass sich die Vereinten Nationen dort mit der Lage auseinandersetzen müssen, für richtig. Aber erst wenn die Vereinten Nationen wissen, was im Nahen Osten das Ziel sein soll, stellt sich die Frage nach einer deutschen Beteiligung.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN DIETER WEBER, JAN SCHNETTLER UND KATRIN HAAS.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort