Interview: Angela Rode-Zander Und Reimund Esser Einzelhändler handeln zu sehr einzeln

Mönchengladbach · Die Vorsitzenden der Gewerbekreise Giesenkirchen und Wickrath, Reimund Esser und Angela Rode-Zander, sprechen über Schwierigkeiten und Vorzüge der Außenbezirke, fehlende Unterstützung der Gewerbekreise und den Online-Handel.

 Angela Rode-Zander (Studio Like a Woman) ist die Vorsitzende des Gewerbekreises Wickrath und vertritt damit mehr als 30 Unternehmen.

Angela Rode-Zander (Studio Like a Woman) ist die Vorsitzende des Gewerbekreises Wickrath und vertritt damit mehr als 30 Unternehmen.

Foto: Detlef Ilgner

Die IHK Mittlerer Niederrhein hat die Aktion "Heimat shoppen" ins Leben gerufen, um mit den Aktionstagen am 5. und 6. September Aufmerksamkeit auf den inhabergeführten Einzelhandel zu lenken. In Mönchengladbach machen nur die Gewerbekreise in Wickrath, Giesenkirchen und Holt sowie im Innenstadtbereich Mönchengladbach und Rheydt mit. Haben die Außenbezirke es nicht nötig, aktiv zu werden?

Rode-Zander Doch, natürlich. Man muss sich unendlich um Aufmerksamkeit mühen. Die Außenbezirke haben definitiv keine wirkliche Lobby in der Stadt. Deshalb macht der Gewerbekreis Wickrath auch sehr gern bei der Aktion "Heimat shoppen" mit. Es ist allerdings erstaunlich, dass nicht alle Gewerbekreise mitziehen. Aber es ist ja auch nicht immer einfach, die Gewerbetreibenden in Wickrath zu motivieren, sich im Gewerbekreis zu engagieren oder bei Aktionen mitzumachen. Der Spruch "Einzelhändler handeln einzeln" trifft leider öfter zu.

 Reimund Esser (Lenders Gartencenter) steht dem Gewerbekreis Giesenkirchen vor. In ihm sind mehr als 65 Unternehmen organisiert.

Reimund Esser (Lenders Gartencenter) steht dem Gewerbekreis Giesenkirchen vor. In ihm sind mehr als 65 Unternehmen organisiert.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Dabei hat doch der Einzelhandel in den Außenbezirken mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Was sehen Sie als das größte Problem an - den Internethandel oder die großen Einkaufszentren?

Esser Es ist eine Mischung von allem. Natürlich zieht der Onlinehandel einiges ab, aber auch die großen Einkaufs- und Outletzentren, wo die Kunden vieles en bloc schnell erledigen können. Dass der Lebensmittelhandel und die Discounter aus den kleineren Zentren auf die grüne Wiese gezogen sind, ist ein zusätzliches Problem. Dadurch fallen Frequenzbringer weg. Viele ältere Kunden klagen, dass sie die Lebensmittelgeschäfte zu Fuß nicht mehr erreichen können. RODE-ZANDER Es ist paradox: Die ältere Bevölkerung zieht in die Städte, es werden Einrichtungen des Betreuten Wohnens eröffnet - und gleichzeitig macht der Supermarkt an der Ecke zu und zieht nach draußen. Aber in den Außenbezirken ist noch Struktur vorhanden. Man trifft sich auf der Straße, man erzählt sich. Das kann das Internet so nicht bieten. Die Kunden müssen sich klar machen, wie wichtig das Angebot in den Außenbezirken ist. Es leiden beispielsweise auch die Vereine, wenn der lokale Handel als Sponsor wegfällt. Mag sein, dass es einige Produkte günstiger im Internet gibt, aber wir alle verlieren ein Vielfaches, wenn der lokale Handel kaputt geht.

Was können die Einzelhändler und die Gewerbekreise tun, um sich zu positionieren und Internet und Einkaufszentren etwas entgegenzusetzen?

Esser Kleine Geschäfte haben nicht das große Werbebudget. Man muss mit einfachen Aktionen auf sich aufmerksam machen. In Giesenkirchen führt der Gewerbekreis zum Beispiel immer eine Fackelaktion durch. Das funktioniert gut. Auch mit dem Herbstmarkt, der in diesem Jahr am 7. September stattfindet, haben wir viel Erfolg. Allerdings geht es bei so etwas in erster Linie immer um Image. Den großen Umsatz macht man an solchen Tagen nicht. Aber man schafft Aufmerksamkeit. Man hebt sich ab. RODE-ZANDER Ja, solche Aktionen funktionieren. Bei uns in Wickrath ist die Halloween-Rallye immer ein großer Erfolg. Da ist dann viel los in der Innenstadt, viele Kinder sind unterwegs. Im letzten Jahr habe ich dabei zum Beispiel 25 Liter "Bluttrunk" ausgeschenkt. Auf diese Weise merken die Kinder, was es in Wickrath alles gibt. Direkt Umsatz macht man damit natürlich nicht. Deshalb gibt es leider immer wieder Gewerbetreibende, die bei Aktionen nicht mitziehen.

Was können Sie in den kleinen Zentren, was die Großen nicht bieten?

Esser Bei uns gibt es viel Fachkompetenz. Der Fachhandel unterscheidet sich durch die Beratung. Das ist in den Randlagen noch wichtiger als anderswo, und darauf müssen wir hinweisen. Es gibt allerdings leider auch die Kunden, die sich bei uns beraten lassen und dann im Internet kaufen. RODE-ZANDER Kundenorientierung und Service sind die entscheidenden Faktoren, mit denen die Außenbezirke punkten können.

Muss der lokale Einzelhandel auch den Weg ins Internet gehen?

Esser Das ist nicht ganz einfach. Wenn man es macht, muss es professionell gemacht sein. Dann muss man auch die Logistik für den Onlinehandel aufbauen und den Versand organisieren. Das macht man nicht mal eben nebenbei. RODE-ZANDER Aber Internetpräsenz ist wichtig. Die Händler sollten die gemeinsame Plattform nutzen, die der Gewerbekreis bietet. Aber wir sehen auch, dass Geschäfte, die nur Internethandel betrieben haben, jetzt Ladenlokale eröffnen. Die Kunden wollen die Produkte, die sie kaufen, auch sehen.

Fühlen Sie sich von der Stadt ausreichend unterstützt?

Rode-Zander Ich bin immer wieder begeistert, wie lebenswert Außenbezirke wie Wickrath sind, aber die Stadt kümmert sich nicht richtig. Die Marketinggesellschaft Mönchengladbach, die gesamtstädtisch sicherlich wichtige Aufgaben verfolgt, benötigt den zusätzlichen Auftrag, die Außenbezirke und deren Handel mehr in die Vermarktung einzubinden. Außerdem gibt es auch immer wieder Fehlentscheidungen auf städtischer Ebene. Was haben wir etwa gegen die geplanten Parkuhren gekämpft!

Die IHK Mittlerer Niederrhein unterstützt die Außenbezirke mit der Aktion "Heimat shoppen". Wie finden Sie die Idee, den Fokus auf den lokalen Handel zu legen?

Esser Die Idee ist sehr gut, und wir haben uns gern angeschlossen. Wir werden jetzt als Gewerbekreis Giesenkirchen auch noch einmal den Weg zu den Händlern suchen, die nicht Mitglied sind, damit sich möglichst viele beteiligen. RODE-ZANDER Ich finde es sehr gut, den Akzent auf die Heimatverbundenheit zu legen. Die Leute denken oft gar nicht darüber nach, wo sie einkaufen. Heimatnähe ist ein wichtiger Impuls, den auch der Einzelhandel aufgreifen sollte. Die Aktion "Heimat shoppen" ist gut und sie wird wohl auch nicht einmalig bleiben, sondern vermutlich im nächsten Jahr wiederholt werden.

RALF JÜNGERMANN, ANGELA RIETDORF UND JAN SCHNETTLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(arie)
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