Mönchengladbach Emmas Enkel sorgen für frischen Wind

Mönchengladbach · Überraschend: Der stationäre Handel profitiert vom Internet. Die Zukunft des Einzelhandels liegt in einer Multi-Kanal-Strategie, meint Handelsforscher Boris Hedde. Eine Podiumsdiskussion brachte einige interessante Ergebnisse.

 Das Beispiel "Emmas Enkel" zeigt, dass der Handel interessante Nischen besetzen kann. Benjamin Brüser hat mit Diehl ein gutes Geschäftsmodell entwickelt.

Das Beispiel "Emmas Enkel" zeigt, dass der Handel interessante Nischen besetzen kann. Benjamin Brüser hat mit Diehl ein gutes Geschäftsmodell entwickelt.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Einmal im Jahr treffen sich Einzelhändler und Dienstleister des rheinischen Verbandes, um über die Branche und ihre Möglichkeiten nachzudenken. In diesem Jahr fand die Veranstaltung in der Stadtsparkasse statt. Nur ein paar hundert Meter unterhalb des halbfertigen Minto-Neubaus sollte über die "Mär vom Tod der Innenstadt" und die Fragestellung "Alles online oder was?" diskutiert werden.

Um es vorwegzunehmen: Die Lage ist nicht so düster, wie sie oft gemalt wird. Eigentlich gar nicht düster, sondern voller Chancen, die die Einzelhändler allerdings annehmen müssen. Boris Hedde, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung, konnte anhand von Zahlen belegen, dass der stationäre Handel bisher kaum unter der Online-Konkurrenz gelitten hat. Die Umsatzzahlen sind seit etlichen Jahren stabil. Wachstum gibt es allerdings auch nicht, der ist bei den Online-Händlern zu finden. Aber: "Der Zug ist noch nicht abgefahren", betont Hedde. Der Einzelhandel müsse ebenfalls im Internet präsent sein, fordert er.

 Sie diskutierten über die Chancen des Handels (v.l.): Armin Schnieber, Björn Musiol, Sebastian Diehl, Sabine Kuch, RP-Redaktionsleiter Ralf Jüngermann, Boris Hedde und Pascal Kremp.

Sie diskutierten über die Chancen des Handels (v.l.): Armin Schnieber, Björn Musiol, Sebastian Diehl, Sabine Kuch, RP-Redaktionsleiter Ralf Jüngermann, Boris Hedde und Pascal Kremp.

Foto: Raupold/Endermann (Archiv)

Der Kunde will anscheinend alles: Geschäfte in der Innenstadt, Online-Handel und Online-Angebote der stationären Händler. Es gibt eine interessante Entwicklung, die dem Einzelhandel Mut machen sollte. Während sich noch vor ein paar Jahren die Kunden im Fachgeschäft beraten ließen, um dann im Internet zu bestellen, ist jetzt ein gegenteiliger Trend zu verzeichnen. Die Kunden informieren sich im Internet und gehen zum Einkaufen in die Innenstadt. Allerdings will der Kunde dort auch Service: fachkundige Beratung, die Lieferung nach Hause oder auch die Möglichkeit, online festzustellen, ob ein Artikel vorrätig ist. Das Zauberwort heißt Multi-Kanal-Strategie, eine enge Verzahnung von Online-Angeboten und den stationären Geschäften.

Dass das geht, und zwar gut, bewiesen die Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion, die von RP-Redaktionsleiter Ralf Jüngermann moderiert wurde. Herausragendes Beispiel in einem hart umkämpften Bereich wie der Lebensmittelbranche ist das Konzept von "Emmas Enkel", das Inhaber Sebastian Diehl vorstellte. "Emmas Enkel" hat es geschafft, den Servicegedanken nach vorn zu bringen, den Einkauf der Kunden nach deren Listen zusammenzustellen, während diese Kaffee trinken, arbeiten oder shoppen gehen. Auf Wunsch wird nach Hause geliefert oder der Kunde holt das fertige Paket nach der Arbeit ab. Gleichzeitig kann alles auch online bestellt werden, wobei immer sichergestellt ist, dass die Ware auch noch vorrätig ist.

Dahinter steckt ein komplexes System mit ausgefeilter Software. Ganz nebenbei erschlossen die Düsseldorfer damit auch noch eine zusätzliche Zielgruppe, nämlich die Senioren, die den Service zu schätzen wissen. "Die Senioren bezahlen allerdings nicht gern mit elektronischen Systemen oder Karten", sagt Diehl. "Deshalb liefern wir hier gegen Rechnung." In Düsseldorf läuft "Emmas Enkel" so erfolgreich, dass der Sprung nach Berlin schon vorbereitet wird.

Etwas anders nutzt Sabine Kuch, Inhaberin des Hauses der Braut an der Hindenburgstraße, die digitalen Möglichkeiten. Sie setzt auf Facebook. "So bleibe ich im Gespräch", sagt sie. Ihre rund 1000 Facebookfreunde lädt sie regelmäßig zu Veranstaltungen ein. Ihre neueste Idee ist ein Dirndl-Foto-Shooting. "Ich baue ein Image auf und erreiche, dass man über uns spricht", erklärt Sabine Kuch. Die eine oder andere Kundin verliert sie trotzdem ans Internet. "Manche haben Tränen in den Augen, schwärmen vom Kleid ihres Lebens und machen Fotos", sagt sie. "Aber sie kommen nicht wieder, weil sie online etwas ähnlich Aussehendes bestellt haben."

(arie)
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