Mönchengladbach Englischer Adel im Musical

Mönchengladbach · Eine Ausgrabung mit Aussicht auf Erfolg beim Publikum ist das Musical "Me and My Girl" aus dem Jahr 1937. In London war das Stück des Komponisten Noel Gay, dessen Handlung "My Fair Lady" vorwegnimmt, ein Renner.

Es hat den Anschein, als ob die Theaterleute ihre neue Reihe "Five o'clock tea" eigens zur Vorstellung des nächsten Musical-Projekts im TiN aufgelegt haben. Beim Debüt erfuhren die etwa 80 Besucher im Foyer des TiN nicht nur bedenkenswerte Informationen über "Me and My Girl", das Georg Köhl im Auftrag der Vereinigten Bühnen inszeniert. Sie labten sich auch an Earl Grey, Darjeeling und bereit stehenden englischen Pralinen.

Dass Regisseur Köhl eine "ganz innige Beziehung" zu London und zur britischen Lebensart hat, war dem engagierten Vortrag des beredsamen Theatermannes anzumerken. Gemeinsam mit Dramaturgin Ulrike Aistleitner, Kapellmeister Kenneth Duryea und zwei Rolleninhabern – Isabelle Razawi als Lady Jacqueline und Luis Lay als Bill Snibson – informierte Köhl über das skurrile, sarkastische, eben typisch britische Stück, das 1937 im Victoria Palace Theatre in London uraufgeführt wurde. "Me and My Girl wurde mit mehr als 1600 Vorstellungen damals zum erfolgreichsten Musical Englands vor dem Krieg", informierte Aistleitner.

Bill Snibson ist ein Underdog aus dem verrufenen Londoner Stadtteil Lambeth südlich der Themse. Als im feinen Viertel Mayfair der Earl of Hareford das Zeitliche segnet, beginnt die Suche nach dem Erben. Es stellt sich heraus, dass der wackere Earl einen unehelichen Sohn hat, Bill Snibson eben. Die Harefords treiben den jungen Mann auf und versuchen ihn auf seine neue Rolle als zukünftiger Earl vorzubereiten. Denn nur wenn Bill sich würdig in Londons Adelkreisen zu bewegen versteht, kann er (und können einige Verwandte) das Millionenerbe der Harefords antreten.

Doch Bill denkt nicht im Traum daran, eine "respektable Partie", also eine Dame der Ascot-Gesellschaft, zu ehelichen, die man ihm zuweist – er liebt sein Mädchen Sally aus Lambeth.

Klar, dieses Motiv ist Musical-Freunden von Shaws "Pygmalion" und dem darauf fußenden Musical "My Fair Lady" bestens vertraut. Nur, dass hier kein Blumenmädchen die gehobene Sprache der Royals, Lords und Ladies erlernen muss, sondern ein männliches Pendant. "Me and My Girl" ist jedoch das ältere Opus von beiden, also darf dieses Musical Originalität beanspruchen.

Die Autoren, Arthur Rose und Douglas Furber, haben eine Reihe typisch britischer High-Society-Figuren gezeichnet, mit eindeutig parodistischer Note. Dennoch ist überliefert, dass Queen Mum damals durchaus "amused" gewesen sei nach einem Vorstellungsbesuch im Haymarket Theatre.

"Die Klassensituation im stockkonservativen England hat sich seither kaum verändert", betont Regisseur Köhl, der seit seinem zwölften Lebensjahr oft und gern London besucht hat. Das Stück ist auch für Kapellmeister Kenneth Duryea eine begeisternde Herausforderung. Er betont die "reizvolle, sehr tänzerisch angelegte" Jazzfaktur der Musik, die von den Niederrheinischen Sinfonikern und dem Theaterchor live aufgeführt wird.

Luis Lay als Bill bot im Duett mit Isabelle Razawi packende Eindrücke davon, auch von der tänzerischen Idee, die der Sänger professionell umzusetzen versteht. Und Razawi wagte sich aus ihrer Rolle als Lady Jacqueline mit leicht laszivem Charme bei der Soiree ganz mutig aus der Defensive.

(RP)
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