Mönchengladbach Erholung auf Müll und Schutt

Mönchengladbach · Die Rheydter Höhe ist mit 133 Metern der höchste Punkt Mönchengladbachs. Vor dem Krieg war das Areal im Stadtwald so flach wie der Rest der Stadt. Der Berg wurde künstlich aus den Trümmern der zerstörten Stadt und aus Hausmüll angelegt. Heute ist er ein beliebtes Naherholungsgebiet.

Egal, welchen der drei Wege man nimmt: Die Steigung beginnt gemächlich und wird immer steiler je näher man der Spitze kommt. Oben, denkt man, während man schnaufend einen Fuß vor den anderen setzt, oben, da ist die Aussicht über Mönchengladbach und Rheydt so gut, wie nirgendwo sonst in der Stadt. Denn immerhin ist die Rheydter Höhe mit 133 Metern der höchste Punkt von Mönchengladbach. Aber wer den Weggabelungen, die immer wieder die Option des vorzeitigen Abstiegs anbieten, widerstanden hat, kann vom Plateau eine Aussicht genießen, die bei klarem Himmel bis nach Wanlo reicht. Nur im Sommer versteckt das dichte Grün hochgewachsener Sträucher den Blick.

Aber auch ohne die Aussicht erfreut sich der kleine Berg im Stadtwald bei Ausflüglern großer Beliebtheit. Spaziergänger genießen die Ruhe an der Spitze, Jogger bauen die Steigung als willkommene Abwechslung in ihre ansonsten recht flachgehaltenen Trainingsrunden ein und Fahrradfahrer berauschen sich an der Geschwindigkeit bei der Abfahrt. Beim großen Schnee im vergangenen Dezember wurden die Hänge der Rheydter Höhe zur Rodelbahn. Mit Kawumm schlitterten Kinder wie Erwachsene hinunter. Wohl kaum einer dürfte dabei daran gedacht haben, dass der Berg künstlich angelegt wurde und eine städtebauliche Folge des Kriegs ist.

Im Volksmund heißt die Rheydter Höhe "Monte Klamott" oder "Monte Scherbelino", denn Flora und Fauna gedeihen auf einem Berg Trümmer und Hausmüll. Der Spitzname erzählt eine Geschichte, die ihren Anfang im Krieg hat.

Nach vier Großangriffen der Engländer auf Mönchengladbach und Rheydt, der erste fand in der Nacht vom 30. auf den 31. August 1943 statt, war auch Rheydt eine Trümmerlandschaft. Von 11174 Häusern, die es 1939 in Rheydt gab, überstanden nur 934 die Angriffe der Alliierten unbeschädigt. 3800 wurden total zerstört, darunter viele öffentliche Gebäude. Insgesamt prägten 830 000 Kubikmeter Schutt das Bild der zerstörten Stadt.

Die Trümmer fanden beim Wiederaufbau wieder Verwendung. In einem Zeitungsbericht vom Mittwoch, 18. Januar 1956, zehn Jahre nach Kriegsende, berichtet der Journalist darüber, dass 300 000 Kubikmeter zum Bau des Stadions an der Gartenstraße verwendet wurden, 100 000 gingen in den Straßenbau, 50 000 Kubikmeter liegen unter der Sportstätte Bellermühle und weitere 50 000 Kubikmeter wurden im Stadtwald verwendet. Das Fundament für den Monte Klamott. Der Rest Schutt wurde auf vier Sandgruben verteilt. "Bis zur Währungsreform 1948 war die Entrümmerung im wesentlichen Handarbeit", berichtet die Zeitung. Danach wurde in Rheydt ein Trümmerbagger eingesetzt, der auf den Namen "Eiserner Gustav" getauft wurde.

Der Krieg veränderte das Bild des Stadtwalds, der schon vor den Angriffen ein Naherholungsgebiet für die Gladbacher war. Idyllisch an einem See war das Gasthaus Waldhof ein beliebtes Ausflugsziel. Die Gäste hatten von einem Pavillon aus den freien Blick auf das Wasser, auf dem Schwäne und Enten inder Sonne paddelten. Wo heute der Monte Klamott ist, gab es bis zum Krieg einen Sportplatz. Nicht nur sportliche Ereignisse lockten hier die Besucher, sondern auch andere Feste, für die ein großer Platz gebraucht wurde. Die Angriffe der Engländer trafen auch die Parkidylle. Auf einem Foto von 1948 steht von dem ausgebrannten Pavillon des Gasthauses nur noch ein Holzgerippe. Hinter der noch vorhandenden Giebelwand liegt das Nichts und der romantische See gleicht einem Tümpel.

Heute erinnert nichts mehr an die Zeit der Zerstörung. Am Fuße des Monte Klamotts liegt wieder ein See, auf dem Enten und Schwäne schwimmen. Zwar gibt es hier kein Gasthaus mit Aussicht aufs Wasser mehr, aber das Ufer ist im Sommer bei Familien für das große Picknick sehr beliebt. Schon früh morgens kommen die ersten und stellen Grill, Tisch und Stühle auf. Kleine Buffets mit Salaten entstehen, für die Kleinsten werden Decken auf dem Boden ausgebreitet. Ein paar Schritte weiter lockt ein großer Wasser- und Abenteuerspielplatz die Kinder. Schon in den 50er Jahren wurde an einer Speedway-Bahn für den Rheydter Motorsport-Club gebaut, die es noch heute gibt.

Allerdings war die Idylle des Waldes auch nach dem Krieg nicht ungetrübt. Für den Bau der Autobahn A61 wurde eine Schneise in das Naherholungsgebiet geschlagen und die beiden Teile mit einer Fußgängerbrücke wieder verbunden. In den 90er Jahren bahnte ich eine gesundheitsgefährdende Giftgasemission ihren Weg durch die etwa zwei Meter dicke Humusschicht des Bergs und erinnerte die Gladbacher an ihren Müll. Heute ist die Luft wieder rein. Nur ab und zu kann es sein, dass der Regen Teile der Oberfläche wegspült und eine Plastiktüte heraus lugt.

(RP)
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