Interview Marie Gräber und Carmen Kalinowski Es überrascht, wo Textilien überall vorkommen

Mönchengladbach · Marie Gräber, die Studentin mit der besten Textillaborantinnenprüfung in NRW, und Carmen Kalinowski, Ausbildungskoordinatorin der Hochschule Niederrhein, sprechen über geruchsintensive Sportkleidung, die Vorzüge des Dualen Studiums und den vielfältigen Einsatz von Textilien.

 Marie Gräber (l.) und Carmen Kalinowski

Marie Gräber (l.) und Carmen Kalinowski

Foto: Isabella Raupold

Frau Gräber, Sie haben gemeinsam mit einer Kollegin die beste Textillaborantinnenprüfung im IHK-Bezirk und in ganz Nordrhein-Westfalen abgelegt. Herzlichen Glückwunsch! Erzählen Sie ein bisschen von sich. Wie kommt man darauf, Textillaborantin zu werden?

Marie Gräber Ich komme aus dem Großraum Hannover, wo ich auch Abitur gemacht habe. Nach dem Abi bin ich ein Jahr nach Südafrika gegangen und habe dort ein ,Soziales Jahr' gemacht, weil ich auch noch nicht so genau wusste, wie es weiter gehen sollte. Ich habe mich immer für die naturwissenschaftlichen Fächer interessiert, aber auch gern praktisch gearbeitet. Nach meiner Rückkehr habe ich dann einen Test gemacht, und da wurde mir Textil- und Bekleidungstechnik als Studienrichtung vorgeschlagen. Das klang gut, und ich habe mir die Hochschule Niederrhein angesehen und auch einen Schnuppertag an der Öffentlichen Prüfstelle gemacht. Dort gibt es die Möglichkeit eines Dualen Studiums, also die Kombination der Ausbildung zur Textillaborantin und dem Bachelorstudium. Ich habe mich darum beworben, und es hat geklappt.

Was wird in der Öffentlichen Prüfstelle eigentlich gemacht?

Gräber Wir prüfen Textilien auf ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften. Garne zum Beispiel oder Faserflocken. Bei einer chemischen Materialanalyse werden Qualität und Quantität bestimmt: Wie hoch ist der Anteil von Polyester und Baumwolle beispielsweise? Oder läuft das Material in der Wäsche ein? Färbt es ab? Im Bereich der persönlichen Schutzausrüstung beflammen oder beregnen wir die Materialien, um zu prüfen, ob sie wirklich dem Feuer Stand halten oder wasserdicht sind.

Viele, die im Bereich Textil studieren, möchten gern Modedesignerin werden. Sie auch?

Gräber Nein, wirklich nicht. Mich interessieren die technischen Anwendungen, die Herstellung von Stoffen und Garnen.

Wie begehrt sind die Ausbildungsplätze in der Öffentlichen Prüfstelle mit der Möglichkeit zum Dualen Studium?

Carmen Kalinowski Wir schreiben drei Stellen in der Öffentlichen Prüfstelle aus und die werden auch immer besetzt. Meist gibt es so ungefähr zwanzig Bewerber.

Ausschließlich Frauen oder sind auch Männer darunter?

Kalinowski Es sind mehr Frauen, aber dieses Mal ist zur Freude der weiblichen Auszubildenden auch wieder einmal ein junger Mann dabei. Er bringt eine andere Sichtweise ein.

Wirklich? Wie denn?

Gräber (lacht) Er ist sich immer ganz sicher während wir Mädels immer noch mal jemanden drauf schauen lassen.

Wo können Sie denn als Textillaborantin später arbeiten?

Gräber In jedem Prüflabor. Die Prüfung von Textilien ist ein wichtiges Thema, dessen Bedeutung immer noch wächst. Aber ich möchte ja erst mal mein Studium fortsetzen und den Bachelor machen. Hinterher werde ich vermutlich nicht als Laborantin, sondern eher in der Laborleitung arbeiten.

Wer wendet sich an die Prüfstelle? Woher kommen die Kunden?

Kalinowski In erster Linie sind es Unternehmen. Aber auch der WDR beispielsweise lässt bei der Öffentlichen Prüfstelle Materialen analysieren. Professor Vossebein, der die Prüfstelle leitet, ist ein oft befragter Experte.

Was ist spannend am Beruf einer Textillaborantin?

Gräber Es ist überraschend, wo überall Textilien zum Einsatz kommen. Spannend ist natürlich der PSA-Bereich, also der Bereich, in dem es um die persönliche Schutzausrüstung geht. Die Beflammungstests sind schon eindrucksvoll.

Wenn Sie heute Klamotten shoppen, gucken Sie dann anders auf Stoffe und Textilien?

Gräber Ja, man kriegt schon einen Blick dafür und achtet ganz anders auf das Material.

Was geht denn aus Ihrer Sicht gar nicht?

Gräber Es sollte wirklich nicht zu viel Polyester drin sein. Das trägt sich nicht angenehm. Und es gibt auch den Pillingeffekt, das heißt, es bilden sich Knötchen.

Frau Kalinowski, holen Sie bei Textilien schon mal den Rat der Prüfstelle ein?

Kalinowski Ich bin ja für alle Auszubildenden an der Hochschule zuständig, nicht nur für die Öffentliche Prüfstelle. Aber wenn ich dort zu tun habe, frage ich gern mal nach. Beispielsweise warum Sportkleidung immer so schnell riecht.

Interessant. Warum denn?

Kalinowski Mir wurde erklärt, dass Sportbekleidung aus synthetischen Fasern wie zum Beispiel Polyamid oder Polyester unmittelbar nach dem Anziehen, auch wenn sie zuvor gewaschen wurde, unangenehm riechen kann, weil derartige Bekleidung häufig bei niedrigen Temperaturen gewaschen wird und die Mikroorganismen nicht in ausreichendem Maße abgetötet werden. Die verbleibenden Bakterien können beim Tragen der Bekleidung sofort wieder unangenehm riechende Stoffwechselprodukte produzieren.

Wie ist das Duale Studium im Bereich Textil organisiert?

Gräber Es ist auf neun Semester angelegt. In den ersten vier Semestern ist man zwei Tage pro Woche an der Hochschule und drei Tage im Beruf. Nach zwei Jahren legt man die Prüfung vor der IHK ab. Dann folgen noch fünf Semester Studium bis zum Bachelor.

Wie beliebt ist das Duale Studium in Verbindung mit den Ausbildungsplätzen, die die Hochschule anbietet?

Kalinowski Wir haben keine Probleme, die Stellen zu besetzen. Neben den Textillaboranten bieten wir auch Ausbildungsplätze im Bereich Chemielaborant und Zerspanungsmechaniker an, ebenfalls als Duales Studium.

Insgesamt absolvieren etwa zehn Prozent unserer Studierenden ein Duales Studium. Diese Studierenden sind sehr fokussiert und zielstrebig. Und sie erleben am nächsten Tag in der Praxis, was sie gerade theoretisch gelernt haben.

Gräber Das ist wirklich ein großer Vorteil. Ich merke oft, dass ich bestimmte Dinge schon weiß, weil ich das in der Ausbildung schon erlebt habe. Oder umgekehrt.

Wie viele Ausbildungsplätze bietet die Hochschule Niederrhein an?

Kalinowski Wir haben pro Jahr zurzeit 18 Ausbildungsstellen, verteilt auf sieben Berufe. Wir bilden auch Kaufleute für Büromanagement, Elektroniker/Innen für Betriebstechnik, Fachinformatiker/Innen für Anwendungsentwicklung und Fachangestellte für Medien und Informationsdienste aus.

Wie haben Sie bisher Ihr Studium finanziert? Durch die Ausbildungsvergütung?

Gräber Ja, durch das Gehalt. Außerdem unterstützen mich meine Eltern.

Kalinowski Man kann auch das Deutschland-Stipendium beantragen. Viele unserer dualen Studenten haben sich erfolgreich darum beworben.

Frau Gräber, wo würden Sie sich am liebsten in fünf Jahren sehen?

Gräber Das ist sehr schwer zu sagen, weil der Textilbereich so vielseitig ist und sich so schnell entwickelt. Im Moment kann ich mir die Qualitätssicherung genauso vorstellen wie die Forschung.

Wohin geht die Entwicklung?

Gräber Im medizinischen Bereich werden Textilien entwickelt, die als Implantate dienen können und sich dann auflösen. In der Automobilindustrie sind Textilien ein ganz großes Thema. Außerdem wird zum Beispiel Berufskleidung mit Sensoren ausgestattet, die vor Gefahren warnen. Die ganze Branche ist ständig im Umbruch.

Frau Gräber, Sie sind nach Mönchengladbach gezogen. Warum haben Sie sich für die Hochschule Niederrhein entschieden und wie gefällt Ihnen die Stadt?

Gräber Ich hatte eine Liste von fünf Hochschulen. Die Hochschule Niederrhein hat einen sehr guten Ruf und bietet die Schwerpunkte, die mich interessieren. In Gladbach fühle ich mich wohl. Am Anfang fand ich die Leute ein wenig ruppig, aber das hat sich gelegt. Ich lebe hier in einer WG mit drei anderen Studierenden. Es ist schade, dass so viele pendeln, denn es gibt wirklich interessante Angebote in der Stadt.

Gabi Peters und Angela Rietdorf führten das Gespräch.

(RP)
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