Grundsicherung Fast jeder fünfte Mönchengladbacher ist arm

Mönchengladbach · 38.549 Menschen in der Stadt leben von der Grundsicherung. Eine Viertelmilliarde Euro fließt jährlich ins Hilfesystem.

 Wenn das Geld vorne und hinten nicht ausreicht, kann nur noch das Hilfesystem die Situation verbessern.

Wenn das Geld vorne und hinten nicht ausreicht, kann nur noch das Hilfesystem die Situation verbessern.

Foto: NGG

Man könne über Hartz IV natürlich diskutieren, sagt Klaus Müller, Geschäftsführer des Jobcenters Mönchengladbach im Sozialausschuss, aber: "Es findet eine Umverteilung statt. Eine Viertelmilliarde Euro fließt jährlich ins Hilfesystem." Und zwar mehr als hundert Millionen Euro für Mieten, nochmals hundert Millionen für den Lebensunterhalt der mehr als 38.000 Menschen in der Grundsicherung. 24 Millionen gehen in die Förderung, 30 Millionen kostet die Arbeit des Jobcenters. Mönchengladbach bleibt eine Stadt mit einer hohen Armutsquote.

Wer bekommt die Grundsicherung? Von den Leistungsberechtigten sind rund 13.000 unter 15 Jahren oder krank, also nicht erwerbsfähig. Das heißt im Umkehrschluss, dass 27.000 erwerbsfähig sind. 70 Prozent dieser Gruppe haben keine Berufsausbildung, knapp 27 Prozent keinen Schulabschluss.

Was tut das Jobcenter? "Rund sechstausend Menschen nehmen jedes Jahr Erwerbsarbeit auf", sagt Klaus Müller. Trotzdem steigt die Zahl der Hilfebedürftigen seit 2014 an. 24 Millionen Euro steckt das Jobcenter in die Förderung von Fort- und Ausbildung. Fünfzig Prozent derer, die eine geförderte Ausbildung gemacht haben, sind hinterher in Arbeit. Aber es gelingt kaum, passende Bewerber für solche Mangelbranchen wie die Altenpflege zu finden. "Wir haben in einem Jahr gerade mal zwölf gefunden, die zu Altenpflegern geschult werden konnten", sagt der Chef des Jobcenters. Sie haben natürlich alle im Anschluss an die Ausbildung Arbeit.

Wie steht Mönchengladbach im Vergleich da? Die SGB-II- oder Hartz IV-Quote gilt als Indikator für das Armutspotenzial einer Stadt. In Mönchengladbach ist sie weiter angestiegen und liegt nun bei 18,6 Prozent. Mönchengladbach liegt dabei hinter Ruhrgebietsstädten wie Gelsenkirchen, Essen und Duisburg auf Platz 6 der NRW-Städte. Zum Vergleich: Landesweit liegt die Quote bei 11,7 Prozent und ist leicht rückläufig.

Wie hoch ist die Zahl der Ausländer unter den Leistungsberechtigten? Knapp 35 Prozent sind Ausländer. Besonders die Zahl der unter 25-Jährigen ohne deutschen Pass steigt merklich an. Am Integration Point werden Flüchtlinge betreut. "Die Zahl der hilfebedürftigen geflüchteten Menschen steigt weiterhin konstant an, jedoch verhaltener als zu Beginn des Integration Points", konstatiert der Bericht des Jobcenters. Es handelt sich überwiegend um junge Syrer unter 30 Jahren, bei denen eine hohe Motivation und eine starkes Interesse, sich zu integrieren, festgestellt wird.

Wie groß ist die Kinder- und Jugendarmut? Sie ist in Mönchengladbach besorgniserregend hoch. Während die SGB-II-Quote der unter 18-Jährigen im NRW-Schnitt bei 18,8 Prozent liegt, stieg sie in Mönchengladbach um einen Prozentpunkt auf 32,1 Prozent. "Damit hat Mönchengladbach weiterhin mit Gelsenkirchen und Essen die höchste Quote in NRW", stellt der Jobcenter-Bericht fest. "Jeder dritte Jugendliche bezieht in Mönchengladbach Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch." Noch dramatischer sieht es bei den unter Dreijährigen aus: Hier liegt die Quote sogar bei 36,1 Prozent - Platz 2 hinter Gelsenkirchen.

Was verändert sich? Die Kundengruppe sei verfestigt, die Fluktuation eher gering, stellt das Jobcenter fest. 67,7 Prozent der 26.720 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten waren in den vergangenen zwei Jahren mindestens 21 Monate hilfebedürftig. Dabei kann sich die Integrationsquote des Jobcenters mit 17,3 Prozent durchaus sehen lassen. Aber eine Integration in den Arbeitsmarkt bedeutet nicht immer das Ende der Hilfebedürftigkeit. 55 Prozent bleiben trotz Erwerbstätigkeit weiter auf Hilfe angewiesen.

Wie ist der Teufelskreis aus mangelnder Schul- und Ausbildung und Langzeitarbeitslosigkeit zu unterbrechen? "Wir wollen früh eingreifen", sagt Sozialdezernentin Dörte Schall im Sozialausschuss. Ein neues Projekt zur Unterstützung von Familien soll an den Start gehen, in das Kitas, Familienzentren und Schulsozialarbeiter eingebunden sind. "Wir wollen anfangen, bevor die Probleme groß werden", erklärt die Sozialdezernentin.

(RP)
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