Rainer Gutowski "Freies W-Lan ist Bürgerrecht"

Mönchengladbach · Der Vorsitzende des Vereins Freifunk Rheinland erklärt, warum Mönchengladbach noch kein flächendeckendes W-Lan-Netz hat und er die gesetzlichen Regelungen zur Haftung für zu scharf hält. Er fordert eine W-Lan-Bildungskampagne.

 Kein freies W-Lan-Netz am Sonnenhausplatz: FDP-Ratsherr und Freifunk-Vorsitzender Reiner Gutowski kritisiert, dass die Auseinarbeitung eines W-Lan-Konzeptes derzeit ziemlich schleppend läuft.

Kein freies W-Lan-Netz am Sonnenhausplatz: FDP-Ratsherr und Freifunk-Vorsitzender Reiner Gutowski kritisiert, dass die Auseinarbeitung eines W-Lan-Konzeptes derzeit ziemlich schleppend läuft.

Foto: Isabella Raupold

Der Blick über NRW hinaus in andere europäische Länder offenbart, dass dort frei zugängliches W-Lan zum Alltag gehört. In Deutschland tut man sich damit hingegen schwer, was vor allem rechtliche Gründe hat. In Gladbach sollte sich das eigentlich ändern. Wir sprachen mit Reiner Gutowski, Vorsitzender der Freifunker im Rheinland und Ratsmitglied der FDP in Mönchengladbach, über den aktuellen Stand und die Zukunftsaussichten.

Herr Gutowski, bis Ende 2015 sollte überall in Mönchengladbach W-Lan frei verfügbar sein - wie schaut es heute aus?

Reiner Gutowski Wir stehen noch an derselben Stelle wie vor zwei Jahren. Unsere 50 ehrenamtlichen Administratoren, die im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf des Datenverkehrs sorgen, haben natürlich nur begrenzte Kapazitäten, so dass einige von uns aufgestellte Router schon mal eine Zeit lang ausfallen, wenn Probleme auftauchen.

Wird das Angebot denn überhaupt genutzt?

Gutowski Wir haben derzeit 100 Router, von denen 88 aktiv sind. Ich würde sagen, dass 100 Menschen am Tag über je einen Router das Angebot nutzen. Dabei kommt es aber auch auf den Standort an. Leider haben wir den Router am Rheydter Markt verloren, weil der Anbieter weggezogen ist, und bislang noch keinen Nachfolger gefunden. Dieser Router war immer sehr stark frequentiert.

Ist Touristen das Angebot bekannt?

Gutowski Das kommt immer drauf an, wo die Leute hingehen. Wenn sie im Minto sind, nutzen sie natürlich das dortige W-Lan und teilweise auch die Spots von Unitymedia. Ansonsten haben wir ja die Aufkleber in den Schaufenstern, die auf das Angebot der Freifunker hinweisen.

Das Bundeskabinett hat ein Gesetz beschlossen, das private Anbieter vor Abmahnungen schützen soll - was bedeutet das für Gladbach?

Gutowski Die bisherige Regelung der sogenannten Störerhaftung ist relativ schwachsinnig. Das ist genauso, als wenn ich Ihr Auto leihe, einen Unfall baue und Sie später dafür zahlen sollen. Die Unterlassungsklagen werden mit dem Gesetz aber nicht verhindert. Wir als Freifunker haben einen Providerstatus, das heißt, wir sind von dieser Störerhaftung so oder so befreit. Durch das neue Gesetz besteht also weiterhin kein Anreiz in Gladbach für Dritte, freies W-Lan anzubieten.

Was müsste denn dann gemacht werden, um das Angebot attraktiver zu machen?

Gutowski Am besten wäre es, wenn es zu freiem W-Lan kein Gesetz mehr geben würde und Anbieter von einer Haftung befreit würden.

Was entgegnen Sie Freifunk-Kritikern, die sagen, der Verein decke Straftäter?

Gutowski Man muss da unterscheiden: Uns wird ja immer nachgesagt, dass wir ein Anonymisierungsdienst wären - das stimmt nicht. Wir unterscheiden zwischen einer Urheberrechtsverletzung und einer Straftat. Straftaten werden von uns verfolgt, wir kooperieren da eng mit der Staatsanwaltschaft.

Auch Unitymedia hatte angekündigt, ab Ende 2015 ein flächendeckendes W-Lan auch in Mönchengladbach anzubieten - wo besteht der Unterschied zu den Freifunkern?

Gutowski Sie können sich dort nur als Deutscher und nur mit dem Handy anmelden. Zudem könnte die Firma Ihren Standort bestimmen und diese Bewegungsinformationen theoretisch verkaufen. Man bezahlt bei Unitymedia also quasi mit seinen Daten. Hinzu kommt, dass es eine Flatrate ist, die eigentlich keine ist. Denn als Nicht-Kunde des Unternehmens wird das Datenvolumen irgendwann gedrosselt.

Welche Risiken und Chancen gibt es denn für Anbieter und Nutzer eines freien W-Lans?

Gutowski Man sollte in einem freien W-Lan nicht seine Bankgeschäfte erledigen. Der Datenverkehr zwischen Handy und dem Empfänger ist theoretisch von jedem mitlesbar. Viele sind daher verunsichert. Daher bieten wir als Freifunker auch Fortbildungsprogramme an und erklären den Menschen, wie das alles funktioniert. Auch wie man sich einen Freifunkrouter einrichtet. Man müsste aber generell eine breit angelegte W-Lan-Bildungskampagne machen.

Wie entwickelt sich das Angebot der Freifunker?

Gutowski Im Moment stagniert das Angebot. Es gibt andere Kommunen, wie Essen, dort arbeiten die Freifunker eng mit der IT-Abteilung der Stadt und den Freifunkern zusammen.

Heißt das, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt Mönchengladbach besser laufen könnte?

Gutowski Wir haben hier die Situation, dass wir keine IT-Abteilung mehr haben, denn die ist ausgelagert worden. Es gibt die WFMG, die für die Ausarbeitung eines W-LanKonzeptes mit einem einstimmigen Ratsbeschluss beauftragt wurde. Wir haben da ein Angebot abgegeben und arbeiten mit Politik zusammen. Alles in allem ist der Prozess ist Moment aber ein bisschen schleppend. Ich denke aber, dass das besser werden wird.

Ist freies W-Lan ein Standortfaktor für Gladbach?

Gutowski Das ist wie mit freien Parkplätzen. Wenn Sie jetzt nicht am Wunschort einen finden, werden Sie ja nicht umdrehen und in eine andere Stadt fahren. Ich würde nicht sagen, dass nur weil es irgendwo kein freies W-Lan gibt, jemand nicht nach Gladbach kommt. Aber es geht beim Freifunk ja nicht nur um den Internetzugang, sondern um freie Bürgernetze und bürgerschaftliches Engagement, denn freies W-Lan ist Bürgerrecht.

Wenn ich Interesse habe mich am Freifunk-Netz zu beteiligen, wie kann ich das machen?

Gutowski Am besten schreiben Sie eine E-Mail und besuchen unseren Stammtisch. Dann gibt es einen kleinen Hilfe-zur-Selbsthilfe-Kurs.

MAXIMILIAN KRONE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort