Angeklagter Schuldunfähig Freifahrtschein für Rheydter Seriendieb

Mönchengladbach · Das Amtsgericht Mönchengladbach hat am Mittwoch den notorischen Dieb freigesprochen, der über zwei Jahre lang beinahe täglich in Rheydter Geschäften auf Beutetour war. Der 32-Jährige gilt als schuldunfähig. Eine Zwangseinweisung kommt nicht in Frage.

63-facher Diebstahl, davon sieben versuchte Taten und ein räuberischer Diebstahl — so lautete der Vorwurf gegen den Mann, der in beinahe allen Rheydter Geschäften Hausverbot hat, weil er dort ständig stahl. Doch das Mönchengladbacher Schöffengericht sprach den 32-jährigen Angeklagten am Mittwoch frei. In der Urteilsbegründung ging der Vorsitzende Simon Pawlitz noch einmal auf den ungewöhnlichen Fall des Seriendiebes ein.

Jahrelang hatte der Mann in Rheydter Geschäften alles gestohlen, was er aus den Regalen nehmen konnte. Kleidungsstücke, Spielwaren, Pralinen — alles raffte der drogensüchtige Dieb. Etliche Male wurde er dabei erwischt und musste die Beute wieder hergeben. Aus unverschlossenen Fahrzeugen stahl er Navis. Konsequenzen gab es für den Seriendieb keine. Bereits zu Prozessbeginn hatte der Verteidiger eine Erklärung für seinen Mandanten abgegeben: Ja, der Mönchengladbacher habe all die Diebstähle begangen, die die Staatsanwältin in nahezu 30 Minuten vorgetragen hatte.

Nachdem ein psychiatrischer Sachverständiger dem Angeklagten in seinem Gutachten Schuldunfähigkeit attestiert hatte, weil er an einer schizophrenen Psychose leide, blieb dem Gericht nichts anderes übriges, als den Mann freizusprechen. Denn das Landgericht hatte zuvor klargemacht: Eine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Klinik komme für den Seriendieb nicht in Frage, weil es sich laut Gesetz bei seinen Ladendiebstählen nicht um "erhebliche" rechtswidrige Taten handele. Dabei käme es auf den Einzelfall an und nicht auf die Serie von Straftaten. Außerdem sei der Mann keine Gefahr für die Allgemeinheit, wie der Gutachter Mittwoch noch einmal bestätigte.

Als er vor einem Jahr den Kontakt mit dem 32-Jährigen aufnahm, habe er einen psychisch kranken Menschen kennengelernt, so der Gutachter vor Gericht. Der Angeklagte, ohne Schulabschluss und Ausbildung, leide seit seinem 21. Lebensjahr an einer paranoiden Psychose und sei bereits 23-mal stationär psychiatrisch behandelt worden. Der Gladbacher habe immer wieder Medikamente verweigert und habe gestohlen, auch um seine Drogensucht zu finanzieren. Man könne einen Patienten nicht zur Einnahme von Medikamenten zwingen, so der Gutachter. Als er den 32-Jährigen kennengelernt habe, sei dieser von Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Verfolgungserleben geplagt worden.

Inzwischen wird der notorische Dieb, der landesweit für Schlagzeilen sorgte, in einer Landesklinik behandelt. Doch dies ist befristet. Bald soll der Mann wieder im betreuten Wohnen untergebracht werden. Dann darf er sich wieder frei bewegen.

Zur Tatzeit hatte sich der Angeklagte laut Gutachter nicht als Täter, sondern als Opfer gesehen. Er habe Stimmen gehört und diese für Realität gehalten. In der Klinik sei der Mann nicht mehr mit Aggressivität aufgefallen. Es gebe keine Wiederholungsgefahr, wenn sich der 32-Jährige weiter behandeln lasse.

"So habe ich nur die Möglichkeit, Freispruch zu beantragen. In diesem Fall gerät unsere Strafjustiz an die Grenzen", sagte die Staatsanwältin am Mittwoch.

Nach den Plädoyers des Verteidigers und der Staatsanwältin entschuldigte sich der Angeklagte bei seinen Diebstahlsopfern: "Es tut mir leid." Auch der Vorsitzende des Schöffengerichts wies noch einmal darauf hin, dass es sich in diesem Fall des kranken, aber nicht gefährlichen Straftäters um eine Grauzone im Rechtsstaat handele. Die Staatsanwältin versicherte dem Angeklagten, sie werde keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.

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