Mönchengladbach Gänsehaut, Abgründiges und große Gefühle
Mönchengladbach · Ergebnisse des 18. Theater-Oscars der Rheinischen Post bestätigen Trends im Publikumsgeschmack, sorgen aber auch für Überraschung.
Dieses Jahr war bei der Theateroscar-Nacht im Theatercafé Linol einiges noch überraschender als sonst. Laudatoren strippten, sangen herzergreifend oder entführten ins schaurig Abgründige. Chansons de Paris verbreiteten mondäne frankophile Stimmung und Schauspieler parodierten in irrwitziger Weise Italo-Schlager. Es gab sogar einen streng geheimen Spezial-Ehren-Oscar für Dr. Dirk Richerdt, der zum letzten Mal in seiner Funktion als RP-Kulturredakteur Mit-Moderator des Abends war.
Ralf Jüngermann, Redaktionsleiter der Rheinischen Post in Mönchengladbach, verwies auf die Stärken des Gemeinschaftstheaters, das dank des Konzepts "Theater mit Zukunft" in ruhiges Fahrwasser gelangt sein. So könne man zum Beispiel auf Kontinuität am Theater zurückblicken. Die die Auszeichnungen seien da "ein verdienter Lohn", sagte Ralf Jüngermann, für die einzelnen Gewinner, aber auch für das Theater als Ganzes in seiner "Livehaftigkeit".
Als erstes wurde das beste Musiktheater gekürt. Don Giovanni (Musikalische Leitung: Alexander Steinitz, Inszenierung: Kobie van Rensburg). Neuer OB, neuer Laudator - so war es für Hans Wilhelm Reiners eine Premiere, just zum einjährigen Mini-Jubiläum seines Stichwahlsieges am 15. Juni 2014.
Helmut Schroers, Direktor der Mediothek Krefeld - "ein wahrer Rocker", wie Moderatorin Petra Diederichs betonte, sang, sich dabei spielkundig am Klavier begleitend, in unnachahmlicher Weise seine Laudatio auf die beste Sängerin - die Sopranistin Sophie Witte. Sie gab zu, nie im Leben erwartet zu haben, "Oscarpreisträgerin" zu werden.
Michael Siemon (Tenor), bester Sänger, durfte sich an diesem besonderen Tag nicht nur über die abwechslungsreiche Laudatio des SPD-Ratsherrn Ulrich Elsen freuen, sondern auch über den ersten Geburtstag seiner Tochter.
Kulturdezernent Dr. Gert Fischer gestand als Laudator für das beste Bühnenbild, dass er als jemand, der in der Verwaltung arbeite, eher ein Spezialist für "Abgründiges" sei. Wie sehr dieses Abgründige zu dem Sieger in dieser Kategorie - Hoffmanns Erzählungen - passt, beschrieb er hintergründig in einem "kurzen Drama in fünf Akten". Er genoss bei seiner Erinnerung an die Offenbach-Oper die "opulente Ironie" Hinrich Horstkottes, der wegen aktueller Probenarbeiten in Potsdam nicht anwesend sein konnte und daher von Operndirektor Andreas Wendholz vertreten wurde.
Heinrich Rungelrath, Richter und Vorsitzender der Theaterfreunde Krefeld, beeindruckte auch mit Striptease-Künsten. Denn er enthüllte als Laudator - freilich nur sein Hemd öffnend - effektvoll ein "Dogville"-T-Shirt. Damit war endlich die Katze bezüglich des besten Schauspiels aus dem Sack. Das Stück, das in Krefeld schon angelaufen ist, sei, so Regisseur Matthias Gehrt, "das sperrigste, das ungemütlichste" der Spielzeit. Er habe nicht damit gerechnet, dass gerade diese Adaption von Lars von Triers Film ganz oben in der Lesergunst stehen würde. Gehrt dankte auch dem Dramaturgen Martin Vöhringer für die Umarbeitung des Drehbuches.
Beste Schauspielerin wurde, zum sechsten Mal, Esther Keil. Dieter Breymann - das Theater hat ihn "wahnsinnig gekurzweilt", wie er gestand - sprudelte vor Begeisterung. Adrian Linke, zum fünften Mal bester Schauspieler, freute sich über die Lobesworte der Autorin Susanne Goga so sehr, dass er mit Esther Keil lauthals mit Perücken "Felicità" (Al Bano) anstimmte. Der skurrilste Moment des Abends!
Auch beim Ballett gab's glanzvolle Oskars. So konnten sich Elisa Rossignoli (Beste Tänzerin), fachkundig vorgestellt von Victoria Bröcker, und Paolo Franco (Bester Tänzer), als wahrhaftiger Charaktertänzer wertgeschätzt nicht nur von Laudatorin Ina Coelen, freuen. Robert North wurde für Carmina Burana prämiert und unterstrich das hervorragende Zusammenspiel aller. Intendant Michael Grosse weiß um die Wichtigkeit kollektiver Leistungen. So wurde diesmal der Opernchor mit dem Ehren-Oscar ausgezeichnet, denn was würden die großen Opern sein ohne den Chor, der "sich bedingungslos" für den Theaterbetrieb Tag für Tag einbringt.
Mit "Chansons de Paris" lockerten die Sänger Manon Blanc-Delsalle, Susanne Seefing, Andrew Nolen und Heinz Hox (Akkordeon) die Feier charmant und zugleich hoch anspruchsvoll auf.