Mönchengladbach Gänsehaut, Abgründiges und große Gefühle

Mönchengladbach · Ergebnisse des 18. Theater-Oscars der Rheinischen Post bestätigen Trends im Publikumsgeschmack, sorgen aber auch für Überraschung.

 Operndirektor Andreas Wendholz (re.) nimmt von Kulturdezernent Dr. Gert Fischer die Auszeichnung für Hinrich Horstkotte stellvertretend entgegen.

Operndirektor Andreas Wendholz (re.) nimmt von Kulturdezernent Dr. Gert Fischer die Auszeichnung für Hinrich Horstkotte stellvertretend entgegen.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Dieses Jahr war bei der Theateroscar-Nacht im Theatercafé Linol einiges noch überraschender als sonst. Laudatoren strippten, sangen herzergreifend oder entführten ins schaurig Abgründige. Chansons de Paris verbreiteten mondäne frankophile Stimmung und Schauspieler parodierten in irrwitziger Weise Italo-Schlager. Es gab sogar einen streng geheimen Spezial-Ehren-Oscar für Dr. Dirk Richerdt, der zum letzten Mal in seiner Funktion als RP-Kulturredakteur Mit-Moderator des Abends war.

 Margriet Schlössels, Katharina Ihlefeld, Swantje Becker vom Chorvorstand und Chordirektorin Maria Benyumova erhielten den Oscar von Intendant Grosse.

Margriet Schlössels, Katharina Ihlefeld, Swantje Becker vom Chorvorstand und Chordirektorin Maria Benyumova erhielten den Oscar von Intendant Grosse.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Ralf Jüngermann, Redaktionsleiter der Rheinischen Post in Mönchengladbach, verwies auf die Stärken des Gemeinschaftstheaters, das dank des Konzepts "Theater mit Zukunft" in ruhiges Fahrwasser gelangt sein. So könne man zum Beispiel auf Kontinuität am Theater zurückblicken. Die die Auszeichnungen seien da "ein verdienter Lohn", sagte Ralf Jüngermann, für die einzelnen Gewinner, aber auch für das Theater als Ganzes in seiner "Livehaftigkeit".

 Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (Mitte) ehrt Kapellmeister Alexander Steinitz (li.) und den Regisseur Kobie van Rensburg für "Don Giovanni".

Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners (Mitte) ehrt Kapellmeister Alexander Steinitz (li.) und den Regisseur Kobie van Rensburg für "Don Giovanni".

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Als erstes wurde das beste Musiktheater gekürt. Don Giovanni (Musikalische Leitung: Alexander Steinitz, Inszenierung: Kobie van Rensburg). Neuer OB, neuer Laudator - so war es für Hans Wilhelm Reiners eine Premiere, just zum einjährigen Mini-Jubiläum seines Stichwahlsieges am 15. Juni 2014.

 Den Schmachtfetzen "Felicità" von Al Bano und Romina Power parodierten köstlich Esther Keil und Adrian Linke. Keil kündigte zuvor "hässlichen Gesang" an.

Den Schmachtfetzen "Felicità" von Al Bano und Romina Power parodierten köstlich Esther Keil und Adrian Linke. Keil kündigte zuvor "hässlichen Gesang" an.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Helmut Schroers, Direktor der Mediothek Krefeld - "ein wahrer Rocker", wie Moderatorin Petra Diederichs betonte, sang, sich dabei spielkundig am Klavier begleitend, in unnachahmlicher Weise seine Laudatio auf die beste Sängerin - die Sopranistin Sophie Witte. Sie gab zu, nie im Leben erwartet zu haben, "Oscarpreisträgerin" zu werden.

 Nicht gerade im Wettbewerb mit Rodins Skulptur "Der Kuss", aber anrührend: Esther Keil (Oscar Nr. 6) bedankt sich bei Dieter Breymann für die witzige Lobrede.

Nicht gerade im Wettbewerb mit Rodins Skulptur "Der Kuss", aber anrührend: Esther Keil (Oscar Nr. 6) bedankt sich bei Dieter Breymann für die witzige Lobrede.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Michael Siemon (Tenor), bester Sänger, durfte sich an diesem besonderen Tag nicht nur über die abwechslungsreiche Laudatio des SPD-Ratsherrn Ulrich Elsen freuen, sondern auch über den ersten Geburtstag seiner Tochter.

 Zum fünften Mal erhielt der Schauspieler Adrian Linke den Theater-Oscar. Die Schriftstellerin Susanne Goga hielt die Laudatio auf den sympathischen Künstler. Auch Ballettchef Robert North (Foto rechts, mit dem Krefelder Beigeordneten Gregor Micus) besitzt schon mehrere Oscar-Preise.

Zum fünften Mal erhielt der Schauspieler Adrian Linke den Theater-Oscar. Die Schriftstellerin Susanne Goga hielt die Laudatio auf den sympathischen Künstler. Auch Ballettchef Robert North (Foto rechts, mit dem Krefelder Beigeordneten Gregor Micus) besitzt schon mehrere Oscar-Preise.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Kulturdezernent Dr. Gert Fischer gestand als Laudator für das beste Bühnenbild, dass er als jemand, der in der Verwaltung arbeite, eher ein Spezialist für "Abgründiges" sei. Wie sehr dieses Abgründige zu dem Sieger in dieser Kategorie - Hoffmanns Erzählungen - passt, beschrieb er hintergründig in einem "kurzen Drama in fünf Akten". Er genoss bei seiner Erinnerung an die Offenbach-Oper die "opulente Ironie" Hinrich Horstkottes, der wegen aktueller Probenarbeiten in Potsdam nicht anwesend sein konnte und daher von Operndirektor Andreas Wendholz vertreten wurde.

 Tenor Michael Siemon und Sopranistin Sophie Witte sind die Gewinner in der Sparte Gesang.

Tenor Michael Siemon und Sopranistin Sophie Witte sind die Gewinner in der Sparte Gesang.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Heinrich Rungelrath, Richter und Vorsitzender der Theaterfreunde Krefeld, beeindruckte auch mit Striptease-Künsten. Denn er enthüllte als Laudator - freilich nur sein Hemd öffnend - effektvoll ein "Dogville"-T-Shirt. Damit war endlich die Katze bezüglich des besten Schauspiels aus dem Sack. Das Stück, das in Krefeld schon angelaufen ist, sei, so Regisseur Matthias Gehrt, "das sperrigste, das ungemütlichste" der Spielzeit. Er habe nicht damit gerechnet, dass gerade diese Adaption von Lars von Triers Film ganz oben in der Lesergunst stehen würde. Gehrt dankte auch dem Dramaturgen Martin Vöhringer für die Umarbeitung des Drehbuches.

 Bester Tänzer ist Paolo Franco. Die Krefelder Autorin Ina Coelen widmete ihm ihre Lobrede.

Bester Tänzer ist Paolo Franco. Die Krefelder Autorin Ina Coelen widmete ihm ihre Lobrede.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Beste Schauspielerin wurde, zum sechsten Mal, Esther Keil. Dieter Breymann - das Theater hat ihn "wahnsinnig gekurzweilt", wie er gestand - sprudelte vor Begeisterung. Adrian Linke, zum fünften Mal bester Schauspieler, freute sich über die Lobesworte der Autorin Susanne Goga so sehr, dass er mit Esther Keil lauthals mit Perücken "Felicità" (Al Bano) anstimmte. Der skurrilste Moment des Abends!

 Auch Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners und seine Frau Sylvia (in der vordersten Reihe links) amüsierten sich herzhaft bei der Oscar-Feier im Theatercafé Linol.

Auch Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners und seine Frau Sylvia (in der vordersten Reihe links) amüsierten sich herzhaft bei der Oscar-Feier im Theatercafé Linol.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Auch beim Ballett gab's glanzvolle Oskars. So konnten sich Elisa Rossignoli (Beste Tänzerin), fachkundig vorgestellt von Victoria Bröcker, und Paolo Franco (Bester Tänzer), als wahrhaftiger Charaktertänzer wertgeschätzt nicht nur von Laudatorin Ina Coelen, freuen. Robert North wurde für Carmina Burana prämiert und unterstrich das hervorragende Zusammenspiel aller. Intendant Michael Grosse weiß um die Wichtigkeit kollektiver Leistungen. So wurde diesmal der Opernchor mit dem Ehren-Oscar ausgezeichnet, denn was würden die großen Opern sein ohne den Chor, der "sich bedingungslos" für den Theaterbetrieb Tag für Tag einbringt.

Mit "Chansons de Paris" lockerten die Sänger Manon Blanc-Delsalle, Susanne Seefing, Andrew Nolen und Heinz Hox (Akkordeon) die Feier charmant und zugleich hoch anspruchsvoll auf.

(laki)
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