Tödlicher Unfall in Mönchengladbach Polizei nennt Facebook-Videos pietätlos

Mönchengladbach · Einen Tag nach dem schweren Unfall, bei dem ein kleiner Junge starb und seine siebenjährige Cousine schwer verletzt wurde, tauchten auf Facebook Videos von den Rettungsversuchen auf. "Pietätlos" findet das nicht nur die Polizei.

Anwohner trauern um toten Jungen nach Unfall in Mönchengladbach
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Anwohner trauern um toten Jungen nach Unfall

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Foto: angr

Die Stadt trauert um den kleinen Jungen, der am Donnerstag auf der Kölner Straße von einem Auto erfasst wurde und wenig später starb. Kerzen, Blumen und Kuscheltiere sind am Unfallort niedergelegt. Eine Frau wischt sich eine Träne aus dem Auge, als sie gestern Sonnenblumen mit schwarzem Stoffband an einen Baum lehnt. "Ich kannte ihn nicht, aber es macht mich einfach nur traurig und fassungslos", sagt sie, setzt sich auf ihr Fahrrad und fährt weiter. Auch die Mitarbeiter einer Tankstelle in der Nähe haben einen Teddybären dazugelegt mit einem Zettel: "In stiller Anteilnahme."

Es müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben nach dem Unfall, bei dem auch die siebenjährige Cousine des Jungen schwer verletzt wurde. Die beiden waren gemeinsam unterwegs gewesen. Unmittelbar nach dem Zusammenstoß mit dem Pkw kümmerten sich zwei Passantinnen (22 und 44 Jahre alt) um die am Boden liegenden, schwer verletzten Kinder. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte leisteten sie Erste Hilfe. Dafür gab es gestern den ausdrücklichen Dank der Polizei. Schnell waren auch Angehörige der Kinder zum Unfallort geeilt, darunter auch die in der Nähe lebende Mutter des Jungen, der entgegen ersten Angaben nicht zehn, sondern acht Jahre alt war. Die Mutter geriet angesichts der tragischen Situation völlig außer sich, musste in eine Klinik gebracht werden, wo sie auch seelsorgerisch betreut wurde. "Es gab viele Tränen am Unfallort", sagt Polizeisprecher Jürgen Lützen. Nicht nur Angehörige hätten geweint, auch Passanten und Polizisten. Drei Seelsorger kümmerten sich um die Trauernden.

Mönchengladbach: Tödlicher Unfall in Odenkirchen
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Mönchengladbach: Tödlicher Unfall in Odenkirchen

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Foto: Ralf Schmitz

Was zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war: Gaffer hatten die dramatischen Szenen per Handy aufgenommen und die Bilder und Videos auf Facebook hochgeladen, von wo sie verbreitet und geteilt wurden, so dass Angehörige die traumatischen Situationen noch einmal erleben mussten. Die Polizei ging gestern mit der dringenden Bitte an die Öffentlichkeit, diese Bilder aus Pietätsgründen nicht mehr zu teilen: "Eine Vielzahl betroffener Menschen werden dieses tragische Ereignis irgendwie bewältigen müssen. Ersparen Sie diesen Menschen bitte, in dieser Situation auch noch mit solchen Bildern und Videos konfrontiert zu werden."

Der genaue Unfallhergang ist noch nicht geklärt. Bekannt ist nur Folgendes: Eine 54-jährige Autofahrerin befuhr gegen 15.50 Uhr die Kölner Straße aus Richtung Schleestraße kommend in Richtung L 19. Als die beiden Kinder die Fahrbahn von rechts nach links querten, wurden sie von dem Auto erfasst.

Warum Cousin und Cousine plötzlich auf die Straße liefen, ob sie Ball oder mit ihren Smartphones spielten, muss noch ermittelt werden. Am Unfallort fiel das Wort "Pokémon". Doch ob die Kinder tatsächlich beim Versuch, virtuelle Fantasiefiguren zu fangen, verunglückten, dafür gibt es nach Polizeiangaben keine gesicherten Anhaltspunkte. Die gefundenen Smartphones der Kinder müssen erst ausgewertet werden. Noch sei nicht einmal geklärt, ob Cousin und Cousine die Handys in der Hand hielten oder am Körper trugen. Auch die Zeugenanhörungen sind noch nicht abgeschlossen. Viele seien erst nach dem Aufprall auf den Unfall aufmerksam geworden, so die Polizei.

Das verunglückte Mädchen befindet sich nach einer Operation in einem stabilen Zustand. Die Fahrerin des Unfallwagens, die einen schweren Schock erlitt, liegt ebenfalls noch im Krankenhaus. Schulpsychologen kümmern sich seit gestern Morgen um die Mitschüler des getöteten Jungen und des schwer verletzten Mädchens. Die beiden besuchten unterschiedliche Grundschulen.

Im Netz wurde der tödliche Unfall auch zum Anlass genommen, um über die Verkehrssituation an der Kölner Straße zu diskutieren. Gestartet wurde bereits eine Unterschriftenaktion für eine Tempo-30-Zone.

(RP)
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