Serie Was Macht Eigentlich? Gebr. Heinemann - Flaggschiff der Oberstadt

Mönchengladbach · Es war von 1864 bis 1981 die erste Adresse im Mode- und Textilhandel der Stadt. Dann wurden das Haus an der oberen Hindenburgstraße an Sinn verkauft und die Großhandelsfirma liquidiert. Der letzte Chef, Dirk Heinemann, engagiert sich heute für die Citykirche.

 Das 1972 nach Plänen des Stuttgarter Architekten Czerrmak errichtete Haus prägt bis heute das Bild der Oberstadt.

Das 1972 nach Plänen des Stuttgarter Architekten Czerrmak errichtete Haus prägt bis heute das Bild der Oberstadt.

Foto: Sammlung NEW/Stadtarchiv

Es waren faszinierende Pläne, die Ernst Heinemann Ende der 60er Jahre hatte. Heute würde man Shopping-Galerie zu dem großen Gemeinschafts-Kaufhaus sagen, das im Geviert zwischen Altem Markt, Hindenburgstraße, Kapuzinerstraße und Marktstieg entstehen und dem Marktplatz ein attraktives architektonisches Gesicht geben sollte. Triebfeder und Hauptinvestor wollte das traditionsreiche Mönchengladbacher Familien-Unternehmen Gebr. Heinemann sein. Verwirklicht wurde der Plan nicht, "weil am Ende ein einzelner Händler am Alten Markt sein Grundstück partout nicht verkaufen wollte", sagt Dirk Heinemann, ein Neffe Ernst Heinemanns und bis 1982 letzter Chef des Traditions-Unternehmens.

Geblieben ist ein imposanter, hochmoderner Bau, vom Marktstieg bis zur Einmündung der Hindenburgstraße in den Alten Markt: fünf Geschosse mit dem Textilhaus Heinemann und seinen 28 Fachabteilungen und einem per Fußgängerbrücke verbundenen eigenem Parkhaus. "Wir bewundern den Mut", sagte Professor Achter, Präsident der Industrie- und Handelskammer, bei der Eröffnung des sehr attraktiven Hauses, für das der erst knapp 20 Jahre zuvor errichtete Neubau hatte weichen müssen.

 Großer Andrang, als Gebr. Heinemann 1954 den ersten Neubau anstelle des durch Bomben zerstörten Geschäftshauses an der oberen Hindenburgstraße eröffnete - eine Attraktion für die Stadt.

Großer Andrang, als Gebr. Heinemann 1954 den ersten Neubau anstelle des durch Bomben zerstörten Geschäftshauses an der oberen Hindenburgstraße eröffnete - eine Attraktion für die Stadt.

Foto: Arthur Haardt/Stadtarchiv Mönchengladbach

Mut hatten die "Heinemänner" schon immer. 1819 begann die Geschichte des weit verzweigten Familien-Unternehmens im sauerländischen Fredeburg. 1864 eröffnete Wilhelm Heinemann, ein Enkel des Gründers, in Mönchengladbach an der "Crefelderstraße Nro, 18, nahe am Markt", sein Geschäft: "Saynett-Strumpfwaaren, Kurzwaaren und Holzwaaren-Handlung."

Das Geschäft florierte, wurde mit unternehmerischem Weitblick immer weiter ausgebaut, um 1900 durch einen Großhandel erweitert, der kleine Einzelhändler im weiten Umfeld belieferte. 1922 übernahm die vierte Heinemann-Generation, Ernst, Paul und Karl, das immer weiter wachsende Haus an der Hindenburgstraße, wie sie nun hieß. 1943 aber war erst einmal Schluss: Die Gebäude wurden bei Bombenangriffen komplett zerstört.

 So eng war 1935 die Hindenburgstraße vor Heinemann.

So eng war 1935 die Hindenburgstraße vor Heinemann.

Foto: Sammlung Jansen

Drei Jahre nach Kriegsende begann der Wiederaufbau, Teil 1, der 20 Jahre später und nach etlichen Umbau- und Ergänzungsmaßnahmen wieder abgerissen wurde: für Teil 2, doppelt so groß, um dem ständig wachsenden Umsatz und den Kundenwünschen gerecht zu werden. "Umsatz um 100,1 Prozent verdoppelt", wurde ein Jahr nach der Eröffnung stolz verkündet. Das Konzept eines auch modisch führenden Textilhauses ging weiter auf.

Hinzugekommen war 1966 auch ein Haus in der Rheydter Stadtmitte, an der Hauptstraße, Ecke Friedrich-Ebert-Straße. Und der Großhandel, bis dahin im "Hinterhof" an der Kapuzinerstraße, hatte 1961 einen komplett neuen Standort in günstigerer Verkehrslage bekommen: am Beginn der Krefelder Straße.

 Autos durften noch ungehindert über die Hindenburgstraße fahren - 1957 waren es allerdings nur sehr wenige.

Autos durften noch ungehindert über die Hindenburgstraße fahren - 1957 waren es allerdings nur sehr wenige.

Foto: Heinz Magon, Repro Schallenburger /Stadtarchiv

Doch der Großhandel war es, der ab Mitte der 70er Jahre Probleme bereitete. "Es gab in ganz Deutschland immer weniger kleine Einzelhändler, wie wir sie bis dahin erfolgreich belieferten. Sie starben einfach aus", erklärt Dirk Heinemann. Paul Heinemann starb Ende 1972. Bis dahin war er Finanzchef und Leiter des Großhandels-Verkaufs. Auf seinen Wunsch schied Dirk Ende 1972 als Zentraleinkäufer bei Peek und Cloppenburg aus und rückte als Vertreter der sechsten Familien-Generation an die Unternehmens-Spitze. Aber das Geschäft wurde schwierig. Vor allem wegen der aufkommenden Probleme des Großhandels, aber auch, weil das von Ernst Heinemann geförderte Rheydter Haus nicht die erhofften Einnahmen brachte. "Die Lage in dieser Ecke der Hauptstraße wurde sehr problematisch. Es gab rundherum immer mehr Leerstand und immer weniger Publikumsverkehr, die Kunden blieben aus oder fuhren in der ab 1975 größeren Stadt lieber nach Gladbach, wo es das größere und attraktiver präsentierte Angebot gab", sagt Dirk Heinemann. 1978 gab die Firma den Standort Rheydt auf, wo man nicht Eigentümer, sondern Mieter gewesen war.

Letztlich aber waren es die Probleme des Großhandels, der 1972 durch einen Zukauf in Bremen vergrößert worden war, aber 1981 liquidiert werden musste, die das Geschäft mit Mode, Textilien und Sport belasteten. Der mit einer gesunden Rendite arbeitende Einzelhandel hätte die Verluste des Großhandels alleine tragen müssen - das wäre nicht machbar gewesen. Am 14. Dezember 1981 teilte Dirk Heinemann für Gebr. Heinemann - Einzelhandel GmbH & Co. KG mit: "... sehen wir uns zu unserem außerordentlichen Bedauern gezwungen, uns auch von unserer Einzelhandelsfirma zu trennen, damit alle finanziellen Verpflichtungen termingerecht befriedigt werden können." Heinemann wurde an die Sinn AG in Köln verkauft, die das Haus in Gladbachs City ab 1. Januar 1982 weiterführte - und sich verpflichtete, alle 160 Mitarbeiter zu übernehmen.

Die 162-jährige Geschichte eines Mönchengladbacher Unternehmens war beendet. Das Haus an der Ecke Hindenburgstraße/Alter Markt gibt es bis heute, Teil der Modekette Sinn-Leffers, die seit September um ihr Überleben kämpft.

(RP)
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