Hno-Ärzte Peter Löhmer / Maurus Fischer Gefürchtete Stress-Erkrankung Hörsturz

Mönchengladbach · Die in Mönchengladbach niedergelassenen HNO-Ärzte Dr. Peter Löhmer und Dr. Maurus Fischer erläutern, was bei einem Hörsturz passiert, welche therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten es gibt und wieso die Erkrankung kein Notfall ist.

 Dr. Peter Löhmer (li.) und Dr. Maurus Fischer erklären im Interview, dass rund 500 Mönchengladbacher pro Jahr einen Hörsturz erleiden.

Dr. Peter Löhmer (li.) und Dr. Maurus Fischer erklären im Interview, dass rund 500 Mönchengladbacher pro Jahr einen Hörsturz erleiden.

Foto: Jörg Knappe

Sie führen in Mönchengladbach zwei HNO-Praxen gemeinsam, da kommen sicher auch etliche Patienten nach einem Hörsturz zu Ihnen? Ist das eine häufige Erkrankung?

maurus fischer Die Fallzahlen werden in einschlägigen Statistiken mit 160 bis 400 Fälle pro 100 000 Einwohner angegeben. PETER LÖHMER Das bedeutet für eine Stadt wie Mönchengladbach um die 500 Fälle im Jahr. Im Vergleich zum vergangenen 20. Jahrhundert ist eine deutliche Zunahme zu verzeichnen.

Was geschieht bei einem Hörsturz?

löhmer Der Patient empfindet eine schlagartige Verschlechterung seines Hörvermögens, das kann mit Ohrgeräuschen oder ohne selbige einhergehen. Auch Verzerrungen des Gehörs können auftreten. FISCHER Viele schildern Symptome wie im Flugzeug oder auf hohen Bergen, ein Tinnitus in Form von Ohrensausen kann ein Symptom des Hörsturzes sein. Der ganze Prozess findet im Innenohr statt, wo die Schnecke mit dem Corti-Organ zu finden ist.

Woran spürt ein Patient, dass er soeben einen Hörsturz erlitten hat?

Fischer Der Patient verspürt eine einseitige, deutliche Hörminderung oder er hört wie durch Watte. Hinzu kann ein Tinnitus in Form eines hoch- oder tieffrequenten Tons kommen. LÖHMER Den genauen Pathomechanismus beim Hörsturz kennen wir Ärzte aber bis heute nicht.

Kennt die medizinische Forschung inzwischen die Ursache des Hörsturzes?

Löhmer Stress wird allgemein als einer der stärksten Faktoren für die Auslösung der Symptome angenommen.

Sollte beim Auftreten sofort gehandelt werden? Ist der Hörsturz ein Notfall?

Fischer In der Vergangenheit wurde der Hörsturz als Notfall eingestuft und möglichst zeitnah therapiert. Mittlerweile wird er nicht mehr als dringlicher Notfall angesehen, so dass eine Behandlung durchaus auch am Folgetag beginnen kann, ohne dadurch bleibende Schäden in Kauf zu nehmen. LÖHMER Kam während meiner Assistenzzeit früher ein Hörsturz-Patient in die Klinik, haben wir ihn sofort mit Infusionen behandelt, um die Durchblutung und die Versorgung mit Sauerstoff im Innenohr zu verbessern. Es hat sich aber gezeigt, dass es eine hohe Rate von Spontanheilungen gibt und dass es aufgrund der nicht gesicherten Ursache des Hörsturzes auch keine gesicherte Therapie gibt. Daher zahlen die Kassen wohl auch nicht mehr für die Infusionen.

Muss also gar nicht mehr therapiert werden?

löhmer So ist es nun auch wieder nicht. Wenn Schwindelgefühle dazukommen, ist die Prognose für Selbstheilung schlechter. FISCHER Bei einer Ertaubung dichten wir operativ in örtlicher Betäubung eine Leckage des Innenohres ab, welche in der sogenannten "Rundfenstermembran" entsteht. Die entstandene Dysbalance im Innenohr muss beseitigt werden.

Was tun HNO-Ärzte außerdem für eine exakte Diagnostik?

fischer Dazu gehört eine Blutuntersuchung im Labor, um als Ursache eine Borreliose oder Herpes-Viren auszuschließen. Mit Hilfe einer Kernspintomografie (MRT) kann eine Multiple Sklerose ausgeschlossen werden.

Welche therapeutischen Maßnahmen gibt es denn neben der Infusionsgabe?

Fischer Es gibt zum Beispiel die hyperbare Sauerstoff-Therapie in einer Unterdruckkammer, dabei wird das Blut mit Sauerstoff gesättigt. LÖHMER Gute Erfolge haben wir auch mit Kortisongaben gemacht, in Tablettenform oder per Infusion. Bei Patienten mit Bluthochdruck oder Diabetes kann das Kortison direkt durch das Trommelfell verabreicht werden.

Lässt sich die nach einem Hörsturz auftretende verminderte Hörfähigkeit später wieder in vollem Umfang wiedergewinnen?

Fischer Das ist sehr selten, leider. Ich kenne einen Patienten aus meiner Praxisarbeit, der nach drei Jahren nachweisbar sein komplettes Hörvermögen wiedererlangt hat. LÖHMER Wenn das Gehör sich nach Ablauf von sechs Monaten nicht erholt hat, wird die Prognose eher ungünstig.

Sollten Hörsturz-Patienten Ihrer Ansicht nach am besten eine Auszeit, eine Kur oder dergleichen in Anspruch nehmen?

Fischer Das kommt auf den individuellen Fall an. Zumindest während der Phase, in der wiederkehrend Infusionen verabreicht werden, sollte der Patient als dienstunfähig gelten. Ruhe ist da ganz sicher förderlich für die Gesundung.

DIRK RICHERDT FÜHRTE DAS INTERVIEW MIT DEN BEIDEN HNO-ÄRZTEN.

(RP)
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