Mönchengladbach Gewebtes und Gewirktes im Museum

Mönchengladbach · Der uralten Kulturtechnik widmet das auf zeitgenössische Kunst spezialisierte Hollein-Haus eine große Ausstellung. Ab Samstag sind Arbeiten von 42 Textilkünstlern sowie koptische Stoffe aus der hauseigenen Sammlung zu sehen.

 "Schwarzes Kleid" nennt die polnische Textilkünstlerin Magdalena Abakanowicz diese Installation aus geknoteter Sisalfaser und tragendem Metalldraht. Die Arbeit ist eine Leihgabe aus dem Städtischen Museum Amsterdam. Im Hintergrund ist Michelangelo Pistolettos Spiegelobjekt "Akteure und Zuschauer" zu sehen.

"Schwarzes Kleid" nennt die polnische Textilkünstlerin Magdalena Abakanowicz diese Installation aus geknoteter Sisalfaser und tragendem Metalldraht. Die Arbeit ist eine Leihgabe aus dem Städtischen Museum Amsterdam. Im Hintergrund ist Michelangelo Pistolettos Spiegelobjekt "Akteure und Zuschauer" zu sehen.

Foto: Isabella Raupold

Ob das erste Wort des Doppeltitels "Textiles: Open Letter" englisch oder deutsch auszusprechen ist, bleibt jedermann überlassen. Es geht jedenfalls um die Kulturtechnik des Webens und deren Produkte: Textilien. Damit hat das Museum Abteiberg, dessen Sammlungs- und Ausstellungskonzept klar auf Gegenwartskunst ausgerichtet ist, Gelegenheit, auch einige uralte koptische Textilien aus seiner Sammlung zu zeigen.

Den Löwenanteil der neuen Präsentation, die im Rahmen des Festivals Ensemblia ausnahmsweise an einem Samstag (22. Juni, 20 Uhr) eröffnet wird, steuern jedoch 42 Künstlerinnen und Künstler des 20. Jahrhunderts bei. Auf zwei Geschossebenen wird die in Zusammenarbeit mit der Allianz Kulturstiftung arrangierte und durch die Kunststiftung NRW und den Mondriaan Fonds geförderte Ausstellung präsentiert. Wegen der immensen organisatorischen Vorarbeiten hat Museumsdirektorin Susanne Titz die Verantwortung für die Präsentation in die Hände zweier Kuratoren gegeben: Der Londoner Autor und Kunstkurator Grant Watson sowie die ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Rike Frank (Berlin), haben sich um das voluminöse Konvolut gekümmert.

Textilien sind Gewebe, dadurch weisen sie auf die Grundtechnik ihres Entstehens hin. "Weben ist eine abstrakte Sprache", sagt Grant Watson. Diese basiert auf dem System sich kreuzender Fäden, die in Serie multipliziert werden und so ästhetische und haptische Strukturen erzeugen. Der Fokus bei der Betrachtung von Textilkunst liege stets auf Gesellschaft, betont Rike Frank. In jüngster Zeit sei in der zeitgenössischen Kunst festzustellen, dass sich vermehrt junge Künstler dem Bereich Textil zuwenden. Und hier besteht seit jeher eine weibliche Dominanz: Das spiegelt auch die Ausstellung, die von 28 Künstlerinnen und 14 Künstlern beschickt wurde.

Im Wechselausstellungsraum und in der Foyerhalle sind diverse Beispiele von "Fibre Art" (Fadenkunst) zu sehen: darunter die riesenhafte Sisal-Installation "Schwarzes Kleid" aus dem Jahr 1968 von Magdalena Abakanowicz. Eine Rarität ist der Wandbehang "Schwarz-Weiß-Grau", den Anni Albers (1899—1994) 1927 entwarf. Albers, die am Bauhaus Weimar studierte, hat mit dem Werk "Open Letter" 1958 die Diskussion über die wechselseitigen Einflüsse von Textilien auf die Kunstszene und umgekehrt entfacht. Diese Debatte sei noch immer aktuell, erklärt Susanne Titz.

Beryl Korot bringt in einer Video-Arbeit auf fünf Monitoren textile Muster in waagerechte bzw. senkrechte Bewegung. Und die Inderin Sheela Gowda hat von einer 1000-Meter-Rolle Seile aus schwarzem, geknüpftem Menschenhaar für eine Installation mit chromblitzenden Auto-Stoßstangen verwendet.

(RP/ac)
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