Mönchengladbach Gladbach plant den Handel der Zukunft

Mönchengladbach · Mit Landesgeld untersuchen Hochschule und WFMG, wie sich Online- und stationärer Handel künftig gegenseitig befruchten können. Die Ergebnisse dienen auch anderen Kommunen – zuerst profitieren aber Gladbach und Rheydt.

 Gegenüber von SinnLeffers an der oberen Hindenburgstraße herrscht derzeit viel Leerstand. Damit Innenstädte in NRW nicht weiter veröden, sollen mit dem Pilotprojekt konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt werden

Gegenüber von SinnLeffers an der oberen Hindenburgstraße herrscht derzeit viel Leerstand. Damit Innenstädte in NRW nicht weiter veröden, sollen mit dem Pilotprojekt konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt werden

Foto: Detlef Ilgner

Mit Landesgeld untersuchen Hochschule und WFMG, wie sich Online- und stationärer Handel künftig gegenseitig befruchten können. Die Ergebnisse dienen auch anderen Kommunen — zuerst profitieren aber Gladbach und Rheydt.

Erst streicht der inhabergeführte Einzelhandel die Segel, weil alles nur noch im Internet bestellt wird. Dann wird ein großer Supermarkt auf der grünen Wiese gebaut, und die Passantenfrequenz in der Innenstadt sinkt weiter. Am Schluss ist der Bäcker der letzte verbliebene Einzelhändler in der verödeten Fußgängerzone, in der sich nur noch Lieferdienste gegenseitig die Parkplätze wegschnappen, wenn sie Päckchen von A nach B bringen. Ein Szenario, das vielerorts bereits Realität ist. "Im Münsterland beispielsweise", sagt Bernd Bosch, Chef des Männermodefilialisten Engbers mit Sitz in Gronau — im Münsterland.

Damit Gladbach und Rheydt von einer solchen Entwicklung verschont bleiben, wird vorgesorgt. Bis Mitte 2015 analysieren die Wirtschaftsförderung und das "eWeb-Research-Center" der Hochschule Niederrhein die Veränderungen des Verbraucherverhaltens und deren Konsequenzen für den stationären Handel am Beispiel der Innenstädte von Gladbach und Rheydt. 250 000 der insgesamt knapp über 300 000 dafür benötigten Euro kommen vom Land, aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. "Wir haben dieses Pilotprojekt der Landesregierung vorgeschlagen — und die fand es spannend", sagt Wirtschaftsförderer Ulrich Schückhaus. Weitere Projektpartner sind die Citymanagements von Gladbach und Rheydt, Arcaden-Investor Mfi, der Online-Filial-Entwickler Shopmacher sowie Engbers.

Das Charmante an dem Projekt: Die Ergebnisse der Analyse sollen in einen Leitfaden für den stationären Handel münden, der auf andere NRW-Kommunen übertragbar ist — unmittelbar profitieren sollen, etwa durch experimentelle Maßnahmen, zuallererst aber die Innenstädte von Gladbach und Rheydt.

Und wie könnten mögliche Handlungsempfehlungen aussehen, die das Team um Hochschul-Professor Gerrit Heinemann natürlich zunächst herausarbeiten muss? "In Form einer virtuellen Shoppinggalerie, in der sich mehrere kleine Einzelhändler zusammenschließen, um Kosten für separate Internetauftritte zu sparen", sagt Christoph Hartleb vom Rheydter Citymanagement. Oder in Form einer stärkeren Fokussierung des Einzelhandels auf Dienstleistungen wie Transport und Montage. Oder als Mischformen in Form von Showrooms, die Frequenz in die Innenstädte bringen. "Effekte können sich bis zum Thema Öffnungszeiten ergeben", so Schückhaus. Mfi-Geschäftsführer Ulrich Wölfer stellte in Aussicht, dass das neue Shopping-Center an der Hindenburgstraße durchaus als Plattform dienen könne, "um neue Ideen mal auszutesten".

Heute verharrten besonders kleine Einzelhändler angesichts der wachsenden Bedeutung des Internethandels wie Kaninchen vor der Schlange, hat Eduard Felzen vom Gladbacher Citymanagement festgestellt: "Sie machen online lieber gar nichts, um nur nichts falsch zu machen." Dabei ist längst unstrittig, "dass beide Welten nicht mehr ohneeinander können. Es gilt, Wege zu finden, das Beste aus beiden herauszuholen", sagt Marcus Diekmann von Shopmacher. Denn noch sind die Entwicklungen in der Tat ungleichmäßig: 2014 soll der Onlinehandel nach Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (BVH) um 25 Prozent wachsen, im vergangenen Jahr lag die Wachstumsrate sogar knapp 42 Prozent. Die Umsätze des stationären Einzelhandels sind hingegen kontinuierlich rückläufig.

Falls es gelingt, an den Standorten Gladbach und Rheydt beispielhaft zu definieren, wie ein gegenseitiges Befruchten von stationärem und Online-Handel funktioniert, ließe sich der Trend hin zu verödenden Innenstädten aufhalten, sagt Bernd Bosch. "Vielleicht sogar umkehren."

(RP)
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