Mönchengladbach Gladbacher forscht bei Urknall-Projekt

Mönchengladbach · Die Entdeckung von Gravitationswellen sorgte für weltweites Aufsehen. Auch ein Gladbacher ist Teil des Forscherteams. Stefan Fliescher verbrachte für die Arbeit mehrere Monate am Südpol – und kann nun sogar auf den Nobelpreis hoffen.

 Ein Teil des Forscher-Teams in dem Teleskop Keck Array, dem Nachfolger von BICEP2. Stefan Fliescher sitzt oben links. Auch im arktischen Sommer ist es am Südpol frostig.

Ein Teil des Forscher-Teams in dem Teleskop Keck Array, dem Nachfolger von BICEP2. Stefan Fliescher sitzt oben links. Auch im arktischen Sommer ist es am Südpol frostig.

Foto: John Kovac

Die Entdeckung von Gravitationswellen sorgte für weltweites Aufsehen. Auch ein Gladbacher ist Teil des Forscherteams. Stefan Fliescher verbrachte für die Arbeit mehrere Monate am Südpol — und kann nun sogar auf den Nobelpreis hoffen.

 Stefan Fliescher arbeitet an der University of Minnesota.

Stefan Fliescher arbeitet an der University of Minnesota.

Foto: Privat

An diesem Montag Mitte März war für Stefan Fliescher und seine Kollegen alles anders. Normalerweise interessieren Veröffentlichungen in dem Fachgebiet der Astrophysikers nur eine überschaubare Anzahl von Experten. Doch als an diesem Tag die Ergebnisse des Projekts auf der Internetseite des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics erschienen, häuften sich schlagartig Medienanfragen aus allen Teilen der Welt. Denn die Ergebnisse gelten als bahnbrechend: Das 30-köpfige Forscherteam soll in der kosmischen Hintergrundstrahlung Hinweise auf Gravitationswellen entdeckt haben. Damit hätten die Forscher eine Vorhersage aus Albert Einsteins Relativitätstheorie bestätigt. Für diese Erkenntnis werden ihnen Chancen auf den Nobelpreis eingeräumt.

 Das BICEP2-Teleskop (Vordergrund) beim Sonnenaufgang.

Das BICEP2-Teleskop (Vordergrund) beim Sonnenaufgang.

Foto: AP/S. Richter

"Ich war überrascht, dass sich so viele Menschen für das Thema interessieren", sagt Stefan Fliescher. Der 32-Jährige arbeitet seit etwas mehr als zwei Jahren in Minneapolis in den USA. Nach dem Abschluss seiner Doktorarbeit an der RWTH Aachen trat er am College of Science and Engineering an der University of Minnesota eine sogenannte Postdoc-Stelle an. Er stieg in das Experiment ein, das mittels des Teleskops BICEP2 am Südpol kosmische Strahlung untersuchte. Dafür reiste Fliescher selbst drei Mal für mehrere Wochen in die Antarktis. Während des arktischen Winters musste er jedoch nicht am Südpol ausharren. "Das haben die Kollegen übernommen, die nicht verheiratet sind", sagt Fliescher, der mit seiner Frau Carina und seinem 20 Monate alten Sohn in der Hauptstadt des Bundesstaates Minnesota lebt. Denn für die Dauer von rund acht Monaten sind die Wissenschaftler dann von der Außenwelt abgeschnitten. Die Aufgabe des "winter over" haben seine deutschen Kollegen Steffen Richter für das Teleskop BICEP2 und Robert Schwarz für das Nachfolge-Gerät Keck Array übernommen.

Stefan Fliescher ist einer der wenigen Ausländer, die an dem Forschungsprojekt beteiligt sind. Mit 30 Experten, die überwiegend US-Amerikaner sind, sei es ein vergleichsweise kleines Team, sagt der Gladbacher. Neben der University of Minnesota haben auch Forscher der Harvard University, der Stanford University und des California Institute of Technology mitgearbeitet. "Ich habe bei der Arbeit eine sehr deutsche Einstellung. Meine Motivation ist es, die Messdaten möglichst exakt aufzeigen zu können", sagt der 32-Jährige. Gravitationswellen könne man nicht direkt nachweisen, das geschehe indirekt über das Ausschlussverfahren. Mit der eigenen Arbeit nun dazu beigetragen zu haben, Theorien von Albert Einstein bis Andrei Linde bestätigen zu können, mache ihn stolz. Selbst unter den als besonnen geltenden Naturwissenschaftlern habe nach der Veröffentlichung große Euphorie geherrscht.

Für Physik interessiert sich Stefan Fliescher seit seiner Jugend. Das Fach zählte beim Abitur am Gymnasium Rheindahlen neben Mathematik zu seinen Leistungskursen. Nach der Bundeswehr zog es ihn zum Physik-Studium nach Aachen. Der Entschluss in die Wissenschaft zu gehen, habe auch mit den Reisemöglichkeiten zu tun gehabt. "Sie sind ein Grund, weshalb mich die Arbeit so reizt", sagt Fliescher. Neben seinen Touren in die Antarktis ging es für ihn zum Beispiel schon in die Alpen, nach Argentinien und nach Hawaii.

Seit mehr als zwei Jahren lebt Stefan Fliescher mit seiner Familie im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten — und ist dort durchaus heimisch geworden. So ist auch der Sohn des Paares in den USA geboren. "Auch die Gegend hier ist toll. Die Stadt liegt am Mississippi, es gibt viel Wasser", sagt Fliescher. Eine Rückkehr nach Deutschland kann er sich dennoch gut vorstellen, alleine schon wegen der Familie. Sein Vertrag laufe noch bis Ende des Jahres, "und dann muss man schauen".

Mit der großen Öffentlichkeit verändere sich wahrscheinlich auch die weitere wissenschaftliche Arbeit, schätzt Fliescher. In den kommenden Wochen gehe es nun darum, die veröffentlichten Ergebnisse unter anderem auf Tagungen in der Forschungswelt zu verteidigen. Über die Möglichkeit, dass die Forscher für ihre Erkenntnisse im Dezember mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet werden können, will sich der 32-Jährige nicht zu viele Gedanken machen. Doch für eine Reise nach Stockholm wäre Stefan Fliescher gewappnet: Nach einem Studienaufenthalt in Skandinavien spricht er Schwedisch.

(RP)
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