Mönchengladbach Gleis 11: Eine Reise zurück zu den Anfängen

Mönchengladbach · Der junge Filmproduzent Cagdas Yüksel will die Geschichte der ersten Generation der Türken erzählen, die in den 1960er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Finanziert wird der Kinofilm durch Crowdfunding.

 Cagdas Yüksel im Mönchengladbacher Hauptbahnhof: Hier kam sein Großvater Fehmi Grönüleglendiren 1966 an - nach einer langen Reise, die ihn aus seiner türkischen Heimat nach Mönchengladbach brachte.

Cagdas Yüksel im Mönchengladbacher Hauptbahnhof: Hier kam sein Großvater Fehmi Grönüleglendiren 1966 an - nach einer langen Reise, die ihn aus seiner türkischen Heimat nach Mönchengladbach brachte.

Foto: Cocktailfilms

Wie mag er sich gefühlt haben? Welche Erwartungen hatte er? Welche Ängste? Welche Hoffnungen? Fehmi Grönüleglendiren kam 1966 mit dem Zug von Adana nach Mönchengladbach. Er gehörte zu den türkischen Gastarbeitern, die Deutschland um Hilfe gerufen hatte. Er kam mit dem Heer der ungelernten Arbeiter, die in den Fabriken schufteten - unterbezahlt, 16 Stunden am Tag. Fehmi Grönüleglendiren wurde in einer Sammelunterkunft untergebracht. Zehn bis zwölf Männer teilten sich ein Zimmer. Wegen des Schichtwechsels, der garantierte, dass die Werke rund um die Uhr in Betrieb sein konnten, gab es ein permanentes Kommen und Gehen. Auch nachts.

 Der zweite Mann von links ist Fehmi Grönüleglendiren, der Großvater von Filmproduzent Cagdas Yüksel.

Der zweite Mann von links ist Fehmi Grönüleglendiren, der Großvater von Filmproduzent Cagdas Yüksel.

Foto: Yüksel

Fehmi Grönüleglendiren war der Großvater von Cagdas Yüksel. Kennengelernt hat er seinen Opa nie, weil dieser viel zu früh ums Leben kam. Aber jetzt hat sich der junge Filmproduzent, der durch seinen Film "Asyland" bekannt wurde und derzeit mit "Gestrandet" auf sich aufmerksam macht, auf Spurensuche begeben. "Ich will die Geschichte der ersten Generation der Türken erzählen, die in den 60er Jahren nach Deutschland kamen", sagt er. "Es ist unsere letzte Chance, denn diese Menschen werden uns leider bald verlassen."

Der Großvater hat in den Erzählungen seiner Familie immer eine große Rolle gespielt. Nezihat Grönüleglendiren, die ihrem Mann Fehmi 1970 mit den vier Kindern folgte, kann ihre Erinnerungen mit dem Enkel teilen, und ihre Fotoalben berichten von den Stationen des Familienlebens. Ihr Mann kam 1980 ums Leben, als er bei einem Verkehrsunfall einem Verletzten helfen wollte und dabei selbst überfahren wurde. "Ab diesem Moment musste meine Oma die inzwischen acht Kinder alleine versorgen", sagt Cagdas Yüksel.

 Die Fotos in diesem Buch erzählen von der Geschichte der Familie.

Die Fotos in diesem Buch erzählen von der Geschichte der Familie.

Foto: Yüksel

Verzagt habe sie nicht. "Es gab immer viel Fröhlichkeit in meiner Familie." Die hatte der Großvater vorgelebt. "Er war ein kontaktfreudiger, hilfsbereiter und neugieriger Mensch. Dennoch - die Melancholie gehört zu dieser Generation." Die Ungewissheit, ob sie jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren würden, die Sorge um die Familie in der Türkei, "ich bin sicher, sie hatten alle den Traum, zurückzukehren."

Cagdas Yüksel, dessen Filmproduktionsfirma "Cocktailfilms" im Coworking Space CO21 an der Hindenburgstraße ihren Sitz hat, verarbeitet die Geschichten, die er gesammelt hat in seinem Film "Gleis 11". Er begreift das Leben der Gastarbeiter, die damals nach Deutschland kamen, historisch als "erste große Massen-Integration". Viele Gespräche hat er geführt mit Menschen der ersten Generation. Hat sich ein Bild gemacht von den Lebensumständen damals. Und er hat festgestellt, dass dieser Rückblick ziemlich viel Aktualität birgt. "Ich will die unerzählten Geschichten erzählen."

 Die Fotos aus dem Album der Großmutter zeigen glückliche Momente.

Die Fotos aus dem Album der Großmutter zeigen glückliche Momente.

Foto: Yüksel

Für die Finanzierung des Kinofilms benötigt der junge Produzent 12.500 Euro. Das Geld soll durch Crowdfunding zusammenkommen. Auf der Seite "www.startnext.com/gleis11" kann jeder das Projekt unterstützen. Noch 45 Tage läuft die Aktion, gestern waren bereits 2505 Euro zusammengekommen. Die Beträge bewegen sich zwischen 15 und 250 Euro. "Wir freuen uns über jeden Euro", sagt Cagdas Yüksel. "Wenn die Finanzierung klappt, können wir unsere Produktion fortsetzen und unseren völlig unabhängig produzierten Film im Frühjahr kommenden Jahres in die Kinos bringen."

(RP)
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