Mönchengladbach Gotteshaus ohne Helm

Mönchengladbach · Eine abstrakte Madonna und ein tamilischer Altar gehören ebenso zur Kirche St. Michael Holt wie ein historischer Grenzstein und die originalgetreuen Chorfenster. Ihr Markenzeichen ist der Turm, dem die Haube fehlt.

holt Breite Stufen führen zum Hauptportal der Kirche St. Michael Holt. Links neben dem Eingang thront der heilige Benedikt als Steinskulptur auf einem Sockel, rechts St. Michael. Über Michael erhebt sich der Kirchturm, gekrönt von – nichts. Oder besser: von Luft. Die Turmhaube fehlt, und das schon seit dem Zweiten Weltkrieg. Einige Holter munkeln, die Wehrmacht habe sie absichtlich abgebrannt. Weil sie den Flugzeugen im Weg gewesen sein soll, die damals den nahe gelegenen Flugplatz im heutigen Nordpark anflogen. "Aber das ist nicht bewiesen", sagt Johannes Klein, ehrenamtlicher Vorsitzender des Kirchenvorstands. Längst haben sich die Holter an den haubenlosen Anblick gewöhnt. Mehr noch: "Mittlerweile sind wir sogar stolz darauf, dass wir keine haben", erzählt Klein. "Das macht die Kirche besonders", ergänzt er.

Die erste heilige Messe feierten die Holter Katholiken am 23. Dezember 1900 in der dreischiffigen Hallenkirche. Damals hatte sie natürlich einen intakten Turmhelm. Zwei Jahre Bauzeit gingen voraus, verantwortlicher Architekt war der Kölner Josef Kleesattel. "Die Kirche steht auf ehemaligem Mönchsgelände", weiß Hans Bolten, der von 1976 bis 2009 Vorsitzender des Kirchenvorstands war. Einst hätte der Bauplatz zum Kammerbusch gehört, der die Benediktiner der Gladbacher Abtei mit Brennholz versorgt habe. Auf diese Zeit verweist noch heute ein alter Grenzstein, der links neben der Treppe zum Eingang auf einen Sockel gemauert ist. Darauf ist ein Abtsstab gemeißelt. "Den Stein hat wohl irgendwann mal ein Holter Bürger gefunden", sagt Hans Bolten.

Bevor es die Kirche St. Michael gab, nutzten die Holter die Hauptkirche im Stadtzentrum. Unter anderem die Schützen der St. Michaels Bruderschaft haben dann Ende des 19. Jahrhunderts richtig Druck gemacht und Geld für einen eigenen Bau gesammelt – so hat es zumindest Josef Antweiler vom Kirchenvorstand in alten Unterlagen der Bruderschaft gelesen. Im Innern stützen Säulen aus Niederegger Sandstein die Seitenschiffe, die Wände und Decken sind mit neugotischen Ornamenten verziert. Die hohen Chorfenster von 1900 wurden zwar 1976 restauriert, zeigen aber immer noch dieselben biblischen Motive: unter anderem den Einzug der Seligen in das Reich Gottes und das Jüngste Gericht. Erhalten sind zudem noch die drei Holzaltäre, die Beichtstühle, Kirchenbänke und der reliefartige Kreuzweg aus Holz.

"Hier ist fast alles drin geblieben", sagt Hans Bolten. "Die Kirche ist ein Ensemble." Das solle aber nicht heißen, dass sich die Gemeinde gegen moderne Werke sperre, betont Johannes Klein. So hänge zum Beispiel in der Marienkapelle die abstrakte "Schwarze Madonna" des Berliner Künstlers Albert Maria Pümpel. In eben dieser Kapelle steht auch der Antoniusaltar der tamilischen Gemeinde, die St. Michael mitnutzt.

Ganz anders als um 1900 ist auch die Ausstattung mit Instrumenten: Mittlerweile steht im Kirchraum ein elektrisches Piano. "Wir bekommen eine neue Orgel. Sie wird in Hardt gebaut", erzählt Josef Antweiler. Im Oktober soll das gute Stück fertig sein.

(RP)
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