Mönchengladbach: Riesenbagger Großbaustelle wird zum Besucher-Magneten

Mönchengladbach · Ohne auf die Plastikschale in seiner Hand zu blicken, sticht Leo Miazek mit der Gabel in ein Stück Curry-Wurst, spießt eine Pommes dazu und führt sein Mittagessen routiniert zum Mund.

 Wilfried Jansen und Leo Miazek (v.l.) verbringen an der Baustelle ihre Pause.

Wilfried Jansen und Leo Miazek (v.l.) verbringen an der Baustelle ihre Pause.

Foto: Ilgner, Detlef

Das Auge isst in Leo Miazeks Fall seit Wochen nicht mehr so häufig mit. Das nämlich ist gerichtet auf den Riesenbagger, der wenige Meter entfernt auf der anderen Seite der Hindenburgstraße seine Schaufel in das ehemalige Theatergebäude gräbt. "Mindestens zweimal in der Woche kommen wir her", sagt Miazek und deutet auf seinen Freund Wilfried Jansen, der ebenfalls gebannt auf die Baustelle blickt.

 Dubrawko Lutz aus Korschenbroich ist fasziniert von den Baggern.

Dubrawko Lutz aus Korschenbroich ist fasziniert von den Baggern.

Foto: Ilgner

Parallel zu den vergleichsweise stillen Arbeiten des Baggers, rumst nun ein Riesenbohrer lautstark in die Erde. Für Sekunden versteht man kein Wort, selbst schreien hilft nicht. Als der Bohrer kurz pausiert, liegt die Frage nahe, wieso man hier, inmitten des ganzen Lärms, freiwillig seine Freizeit verbringt. Wilfried Jansen zuckt mit den Schultern. "Männer interessieren sich nun mal für Maschinen. Und je größer die Maschine, desto größer das Interesse."

Erst shoppen, dann schauen

Da scheint was dran zu sein. Vor der Baustellenabsperrung bildet sich dieser Tage nicht nur in der Mittagszeit eine Traube aus Schaulustigen. "Meine Frau wollte noch ein bisschen shoppen, und da habe ich gesagt: Geh du mal, ich bleibe hier", sagt Dubrawko Lutz. Der Korschenbroicher hat sich ein Plätzchen in der Sonne gesucht und sieht dem Abrissbagger beim Werkeln zu.

"Das ist das erste Mal, dass ich so eine Riesenbaustelle live sehe." Extra deshalb anzureisen, so wie manche der Umstehenden, würde er zwar nicht. "Aber wenn man mal da ist, guckt man sich das natürlich an", sagt er mit Blick auf den Riesenbagger Hitachi ZX870. Das orange-rote Gerät zählt zu den größten Abrissbaggern Europas und wiegt 150 Tonnen.

Weniger Freude löst die Großbaustelle dagegen bei Ute Walther aus, die im Imbiss gegenüber arbeitet. Zwar spazieren viele der Schaulustigen mit Pommes-Schalen aus ihrem Laden. Die Nachteile des Großprojekts könnten die Baustellen-Touristen aber nicht aufwiegen. "Unsere Stammkunden beschweren sich über die Lautstärke. Viele kommen momentan nicht mehr", sagt Walther.

Ähnlich sieht das Hans Körsten, Inhaber der gleichnamigen Fleischerei. "Es kommen viele Baustellen-Touristen, die haben richtig professionelle Kameras und Stative dabei und verbringen ganze Tage hier. Aber zum Essen bleiben sie eher nicht." Auch ihm beschere die Baustelle deshalb mittlerweile Einbußen.

Lärm ärgert Geschäftsleute

"Meine Kundschaft macht wegen des Lärms einen großen Bogen um die Innenstadt." Und die, die noch kommen, wüssten häufig gar nicht, dass seine Metzgerei von dem Abriss nicht betroffen sei. "Viele denken, die ganze Häuserzeile zwischen Stadttheater und Lichthof werde in den kommenden Wochen abgerissen. Dabei bleiben alle Läden bis zum Schmuckgeschäft Bijou Brigitte stehen."

Doch nicht nur Freude über den Abriss und Vorfreude auf die neue Innenstadt machen sich an der Hindenburgstraße breit. "Ich bin hier aufgewachsen, das Theater gehörte für mich ein Leben lang zum Stadtbild", sagt Käthe Köllgers. Trotzdem könne sie ohne große Wehmut mit ihrem Enkel Tim zur Baustelle kommen. "Er ist ganz verrückt nach den Baggern. Morgen will er schon wieder herkommen", sagt die 74-Jährige aus Eicken über den Sechsjährigen. Ein Wunsch, mit dem Tim in den kommenden Wochen vermutlich nicht alleine seine wird.

(RP/rl/top)
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