Mönchengladbach Handel: So klappt's auch mit dem Internet

Mönchengladbach · Sind "Beratungsräuber" ein Problem für Einzelhändler? Und wie lässt sich eine Filiale online erweitern? Hochschule Niederrhein und WFMG untersuchen mit Landesmitteln in einem Pilotprojekt, wie der Handel fit für die Zukunft wird.

 Michaele Baakes (li.) von Gardeur erklärte beim Frühlingsfest auf der Hindenburgstraße im April Besucherin Julia Thiemann, wie man die Hosentaschen sauber verarbeitet.

Michaele Baakes (li.) von Gardeur erklärte beim Frühlingsfest auf der Hindenburgstraße im April Besucherin Julia Thiemann, wie man die Hosentaschen sauber verarbeitet.

Foto: Isabella Raupold

Gardeur hat den Bogen offenbar schon raus: Die Aktion, bei der das Gladbacher Atelier im Frühjahr auf offener Hindenburgstraße zeigte, wie eine Hose entsteht, gilt für das Forscher-Team um Prof. Dr. Gerrit Heinemann als Paradebeispiel dafür, wie man Kunden beim Shoppingbummel einen zusätzlichen Aha-Effekt verschaffen kann. Stichwort Aufenthaltsqualität der Innenstädte. Heinemanns eWeb-Research-Center der Hochschule Niederrhein und die Wirtschaftsförderung untersuchen derzeit in einem mit Landesmitteln geförderten Pilotprojekt, wie sich stationärer Einzelhandel und Onlinehandel künftig gegenseitig befruchten können, anstatt sich zu behindern.

Mehrere Partner, von Minto-Investor Mfi über die beiden Citymanagements bis hin zum Gronauer Männermodefilialisten Engbers, sind mit im Boot, das NRW-Wirtschaftsministerium verfolgt den Fortlauf des Projekts wohlwollend interessiert. "MG Retail 2020" heißt Selbiges, das am Beispiel von Gladbach und Rheydt die Ist-Situation des hiesigen Einzelhandels untersuchen sowie Handlungsmaximen für die Zukunft entwickeln soll, von denen dann auch andere Kommunen profitieren können. Nach zehn von 18 Projektmonaten wurden nun Zwischenergebnisse präsentiert.

Zwei Käufergruppen Die Forscher haben zwei Gruppen von Konsumenten ausgemacht: zum einen den Bedarfskäufer, der schnell und effizient seine Besorgungen erledigen will - eine Domäne, die "sehr stark vom Internet gefährdet wird", sagt Prof. Dr. Michael Schleusener, Leiter des eWeb-Research-Centers. Gute Verkehrsverbindungen und günstige Parkplätze sind für diesen Typus wichtig, die Aufenthaltsqualität weniger. Anders ist das beim Freizeitkäufer, der sich beim Bummeln inspirieren, ansprechen und beraten lassen will und Architektur, Möblierung und das Gastro-Angebot von Innenstädten schätzt.

Erst Gucken, dann Anfassen Zum Freizeitkäufer hat Heinemanns Team herausgefunden, dass das Klischee vom "Beratungsräuber", der sich vor Ort beraten lässt, um dann günstiger im Netz zu kaufen, nicht der Regel entspricht. "Händler, die das so empfinden, sind oft genau diejenigen, die keinen eigenen Online-Shop haben", sagt Heinemann. Die Tendenz gehe vielmehr dazu, dass Kunden sich vor dem Einkauf im Netz über das Angebot informieren, vor Ort dann gezielt suchen - und im Idealfall vom Händler dazu bewegt werden, vor Ort zu kaufen, oder, wenn etwas gerade nicht auf Lager ist, zumindest zu bestellen.

Multi-Channel-Ansatz nennt sich das. Experten zufolge kommt diese Mischform, bei der der Kauf im Netz vorbereitet und in der Filiale realisiert wird, bereits in 18 Prozent aller Einkäufe zum Tragen. "Der rein stationäre Handel schlägt mit 72 Prozent zu Buche, Tendenz sinkend, der reine Onlinehandel mit zehn Prozent", sagt Heinemann. Damit Multi-Channel-Käufe klappen, müssen selbstredend die richtige Ansprache und der Servicegedanke entsprechend verankert sein.

Beratungskompetenz Sie ist eine Kernkompetenz des stationären Handels gegenüber Online - theoretisch. Denn häufig mangele es daran, wie auch am Willen zum Wandel, sagt Prof. Dr. Silvia Zaharia, Geschäftsführerin des eWeb-Research-Centers. "Die Schaufenster schwarz zu verhüllen, um gegen den Onlinehandel zu protestieren, wie bei einer Aktion in St. Tönis, ist letztlich Ausdruck einer Kapitulation", sagt Schleusener. Stattdessen gelte es, die eigene Filiale online zu erweitern und sich in der Gemeinschaft mit anderen Händlern für neue Konzepte zu öffnen. Heinemann nennt ein innovatives Beispiel: "Das Unternehmen Butlers bietet seit einiger Zeit Video-Beratungen aus dem Shop nach Hause an." Eduard Felzen vom Gladbacher Citymanagement führt auch die IHK-Aktion "Heimat Shoppen" als Positivbeispiel an.

Attraktivität Ob Kundentoiletten oder Kinderbetreuung - viele Konzepte, um das Einkaufen in der City attraktiver zu machen, sind nicht neu, aber oft schlecht bis gar nicht umgesetzt. In einem weiteren Schritt werden die Forscher nun das Kaufverhalten von 1000 Konsumenten aus Gladbach und dem Umland nach Warengruppen untersuchen, auch dahingehend, was Attraktivität beim Einkauf für sie konkret ausmacht. Konkretere Ergebnisse sollen im Frühjahr 2015 vorliegen.

(RP)
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