Mönchengladbach Hans Meyer liest und plaudert im Gymnasium

Mönchengladbach · Als Hans Meyer sich an den Tisch setzt, seine um den Hals hängende Brille ganz präzise kurz hinter der Nasenspitze aufsetzt und beginnt, zu lesen, wandelt sich das Gemurmel in der Aula des Gymnasiums am Geroweiher in gespannte Stille.

 Hans Meyer (71) plauderte auch offen über die Zukunft von Spielern.

Hans Meyer (71) plauderte auch offen über die Zukunft von Spielern.

Foto: Ilgner

Die ruhige, sonore Stimme des ehemaligen Bundesligatrainers und jetzigen Präsidiumsmitglieds von Borussia Mönchengladbach zieht die 250 Schüler in den Bann. Im Rahmen der Aktionswoche "Mönchengladbach liest — Bücher haben Gewicht" liest der 71-Jährige aus "Hallo Mister Gott, hier spricht Anna" vor.

Das Kinderbuch handelt vom Glauben an Gott, der Liebe unter Menschen und der Suche nach dem richtigen Platz in der Gesellschaft. Die Schüler der Klassen sieben bis neun lauschen aufmerksam.

"Das ist eine fantastische Geschichte für Kinder in diesem Alter. Es gibt heutzutage immer noch schreckliche Fälle", erklärt Meyer, der mit seiner ihm eigenen, lockeren Umgangsform einige unterhaltsame Kommentare anbringt: "Vielleicht kann ich auch das Vorurteil widerlegen, dass Fußballer nur ein Buch kennen — das Sparbuch." Die Recherche bei seinen Enkelkindern habe ergeben, dass die Geschichte von Anna "zu Herzen gehe" und auch nach 30 Jahren immer noch Aktualität besitze. "Ein Wissenschaftler hat unter dem Pseudonym Flynn eine wahre Geschichte verfasst. Auch heutzutage werden Kinder von Ungerechtigkeiten betroffen. Das löst beim Lesen Gefühle aus", sagt Meyer, der Werbung für die Bedeutung des Lesens macht. Literatur sei für den Ex-Trainer eine wichtige kulturelle Errungenschaft, die es zu schützen gilt.

Nach dem ersten Kapitel beendet Meyer seine Karriere als Vorleser — zumindest vorerst. Die 250 Kinder in der Aula erheben sich, applaudieren, bis schließlich Schulleiter Wolfgang Lothmann das Wort ergreift: "Als Deutschlehrer kann ich sagen: Sie haben toll gelesen." Meyer gibt den Schülern anschließend noch die Gelegenheit, Fragen zu stellen. "Lesen ist nicht mein Spezialgebiet. Ihr könnt auch Fragen zum Fußball stellen", ermuntert Meyer das Auditorium, das nun die Zuhörerrolle aufgibt und fleißig Fragen stellt.

Das Präsidiumsmitglied gibt interessante Einblicke in das Vereinsgeschehen, plaudert ausgiebig und außergewöhnlich offen über die Zukunft von Spielern. Auch über seine Vergangenheit im DDR-Fußball unterrichtet er die Schüler, von denen einige sogar eine Mathematik-Klausur für die Veranstaltung verschieben dürfen.

"Er ist der perfekte Mann für die Vorlesung gewesen", freut sich Schulleiter Lothmann, während Meyer kurz vor der Abreise einige Autogrammwünsche befriedigt und sich mit Schülern für das Poesiealbum oder Facebook ablichten lässt.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort