Mönchengladbach Hans Wilhelm Reiners: "Ich brauche kein Auto mit 250 PS"

Mönchengladbach · Seit einem Monat ist Hans Wilhelm Reiners (CDU) Oberbürgermeister in Mönchengladbach. Im Interview spricht er über den neuen Job.

 Hans Wilhelm Reiners gewann die OB-Stichwahl gegen Norbert Bude (SPD). Seit dem 23. Juni 2014 ist Reiners Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach.

Hans Wilhelm Reiners gewann die OB-Stichwahl gegen Norbert Bude (SPD). Seit dem 23. Juni 2014 ist Reiners Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach.

Foto: Raupold, Isabella

Herr Reiners, als Sie das Oberbürgermeister-Amt von Herrn Bude übernahmen, hat er Ihnen eine gut geführte Verwaltung versprochen. Was sind Ihre Eindrücke?

Hans Wilhelm Reiners Ich habe mit dem OB-Büro ein unmittelbares Umfeld vorgefunden, das gut funktioniert. Ich arbeite mit denselben Mitarbeitern. Ansonsten bin ich gerade noch dabei, mir ein Bild zu machen. Ich bin zurzeit viel in der Verwaltung unterwegs.

Übernehmen Sie auch alle Referenten?

Reiners Um das zu entscheiden, muss ich in Ruhe mit allen gesprochen haben, auch über ihre Vorstellungen. Es kann ja auch sein, dass jemand dabei ist, der sagt: Mit dem nicht. Ich werde mit den Kollegen reden und hören, welche Vorstellungen sie selbst haben. Nach vier Wochen Amtszeit habe ich aber nicht das Gefühl, dass jemand dabei ist, mit dem ich gar nicht könnte — und auch umgekehrt.

Mussten Sie als Oberbürgermeister schon ihre Unterschrift unter eine Personalentscheidung setzen?

Reiners Das geht überraschend schnell. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht so viele Unterschriften leisten müssen, wie in den vergangenen vier Wochen. Ich musste auch schon eine Kündigung unterschreiben. Manchmal geht es aber auch nur darum, etwas abzuzeichnen, was schon drei oder vier andere Stellen abgezeichnet haben. Dann stelle ich mir die Frage, ob das wirklich so sein muss.

Sie haben im Wahlkampf gesagt: Viele Mitarbeiter seien frustriert. Bestätigt sich dieser Eindruck?

Reiners Ich habe schon die ein oder andere Mail von mutigen Mitarbeitern bekommen, die auf etwas hinweisen, wenn sie es für falsch halten. Ich habe den Eindruck, dass es eine Wirkung hat, wenn man auf die Leute zugeht, und wahrgenommen wird. Als ich etwa vergangene Woche in unserer IT-Abteilung war, habe ich mir vieles erklären lassen. Weil ich davon einfach keine Ahnung habe. Wenn man fragt, ist sofort eine Kommunikation da.

Werden sich die Zuschnitte der Dezernate ändern?

Reiners Ich sehe Ansatzpunkte, wo es zu Veränderungen kommen könnte. Über ein weiteres Dezernat zu sprechen, kann man aber vergessen. Das lässt sich nicht vermitteln. Es wird aber Veränderungen geben. Manches sollte sich aber nicht ändern. Wie bisher sollte es wieder zwei Juristen im Verwaltungsvorstand geben. Wir hatten immer Sozialdezernenten, die Juristen waren. Ich persönlich halte das für richtig, kann es den Fraktionen aber nur vorschlagen.

Wo muss die Verwaltung noch besser werden?

Reiners Die Schnittstelle zur Bürgerschaft ist besonders wichtig, da können wir noch besser werden. Kürzlich bekam ich eine Beschwerde auf den Tisch, weil jemand bei der Neuausstellung des Anwohnerparkausweises sehr lange warten musste. Da arbeiten wir an einem Online-Verfahren. Für so etwas sollte man nicht bei der Verwaltung antreten müssen. Im Thema E-Government steckt sehr viel Potenzial. Aber das ist schwierig zu finanzieren.

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Der Müll in der Stadt sorgt auch immer wieder für Ärger. Wie werden wir den Dreck los?

Reiners Auch das ist natürlich ein Schwerpunktthema. Aber mit einem Fingerschnippen bekommt man den Dreck nicht weg. Es gibt unterschiedliche Kapazitäten, etwa für die Friedhofspflege oder die Pflege der Straßenbegrünung. Wenn wir es schaffen, die Organisation zu verändern, könnten wir Prioritäten setzen. Der Schlüssel liegt in der Bündelung von Kompetenzen.

Wie war Ihr erster Tag im Amt? Wie am ersten Schultag?

Reiners Es war schon ein komisches Gefühl. Andererseits bin ich die Gänge im Rathaus Abtei nicht zum ersten Mal entlang gelaufen, auch im OB-Büro war ich schon. Aber ich saß nie hinterm Schreibtisch. Einer meiner Gedanken war: Mein Gott, dass du irgendwann auch mal gemalt wirst und da an der Wand hängst. Das war komisch.

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Foto: Detlef Ilgner

Wie würden Sie sich malen lassen?

Reiners Es wäre spannend, mal einen Fotokünstler daran zu setzen. Ich glaube nicht, dass ich der Typ für ein klassisches Gemälde bin. "Reiners in Öl", das wäre nichts für mich.

Wie ist das: Man sitzt da und muss plötzlich entscheiden?

Reiners: Ich habe eine Büroleiterin, die seit zehn Jahren dabei ist. Ihr Stellvertreter macht den Job seit 15 Jahren. Es ist schon sehr hilfreich, jemanden zu haben, der weiß, wo man aufpassen muss. Die Vorstellung, alles lesen zu können, was einem vorgelegt wird — das kann nicht funktionieren. Ich entwickele jetzt ein Gefühl dafür, worauf ich mich verlassen kann, und wann ich besser genauer hingucke.

Es gibt Dauerbrenner in der Stadt, die immer Thema sind, und für die Sie nun geradestehen müssen. Die City Ost zum Beispiel. Wie gehen Sie damit um?

Reiners: Zur City Ost möchte ich eine regelmäßige Sachstandsmeldung. Da muss ein wenig mehr Druck drauf, damit sich etwas verändert.

Und beim JHQ-Gelände?

Reiners: Da redet die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) mit unterschiedlichen Ansprechpartnern übers Rockfestival, übers "Seasons"-Projekt und eine Erstaufnahmestelle für Asylsuchende. Irgendwann erfährt dann auch die Stadt davon, aber natürlich ist es auch für uns von hohem Interesse, dass sich da etwas tut. Ich möchte erreichen, dass die Bima nicht nur bilaterale Gespräche mit allen führt, sondern auch untereinander geredet wird.

Und was wird nun aus dem Gelände?

Reiners: Ich glaube, das wird nicht so einfach. Im Grunde ist es nur ein kleiner Teil vom gesamten Gelände, auf den alle wollen. Aber am Ende wird es nicht funktionieren, dass alles gleichzeitig machbar ist. Als Stadt müssen wir eine Position artikulieren. Das "Seasons" ist eine Chance, die wir nicht verkennen, sondern uns damit beschäftigen sollten.

Kommt das Rockfestival denn? Oder könnte es noch kippen?

Reiners: Die Vorprüfung hat ergeben, dass keine K.O.-Kriterien zu erkennen sind. Eine hohe Hürde ist damit genommen, aber es gibt noch viele kleine. Das Risiko, dass da noch Unwägbarkeiten sind, die keiner auf den Schirm hat, bleibt. Aber das wissen die Veranstalter sehr genau.

Ob das Festival kommt, wird sich bald herausstellen. Die Stadt muss es genehmigen, Sie müssen entscheiden. Ist das Amt eine Bürde?

Reiners: Es kann sicher auch zur Last werden, bisher war es aber nicht so. Es wird aber Situationen geben, in denen ich auch falsch entscheiden werde.

Verhalten sich die Leute Ihnen gegenüber anders, seit sie Oberbürgermeister sind?

Reiners: Manchmal zucke ich zusammen, wenn Menschen, die ich schon ewig kenne, mich auf einmal als Herr Oberbürgermeister anreden und das ernst meinen. Es gibt aber auch welche, die sagen das, um mich zu ärgern. Natürlich muss ich jetzt eine gewisse Distanz wahren und darf nicht kumpelhaft werden, aber ich sehe mich noch als ganz normaler Mensch. Ich komme auch noch mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Rathaus. Als ich letztens auf dem Weg zur Arbeit war, hielt ein Motorradfahrer neben mir und fragte: "Keinen Dienstwagen?" Dem habe ich gesagt, dass ich es albern fände, mich für zehn Minuten Wegstrecke abholen zu lassen. Er hat den Daumen ausgestreckt und ist weiter gefahren.

Wie werden Sie WM-Spieler Christoph Kramer empfangen?

Reiners: Ich habe ihn zu einem Empfang im kleinen Kreis eingeladen, sobald er aus dem Urlaub zurück ist. Dann kann er sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Mich interessiert auch der Typ, ich habe noch nie mit ihm geredet. Wenig später ist der Saisonauftakt, das wäre dann vielleicht eher der Termin für die Fans.

Es heißt, die Stadt würde die Loge im Borussia-Park aufgeben. Ist das richtig?

Reiners: Ich habe das Thema von meinem Vorgänger übernommen und halte es bei der Haushaltslage der Stadt nicht für vertretbar, auch nur einen Euro für eine Loge im Borussiapark auszugeben. Natürlich werde ich aber zu den meisten Heimspielen gehen, aus repräsentativen Gründen, aber auch um Kontakte zu knüpfen und Gespräche mit Entscheidern zu führen.

Ist das auch ein Signal? Werden Sie auch anderweitig sparen?

Reiners: Es wird einen kleineren Dienstwagen geben. Ich brauche kein Auto mit 250 PS. So sparen wir auch bei der Versicherung und den Steuern. Das gleiche wird beim Bürgermeister-Auto passieren. Und wenn ich an einem Sonntag mal nur einen Termin habe, brauche ich keinen Fahrer anzufordern. Dann fahre ich eben selbst.

Als Außenstehender ist es leicht, über alles zu meckern — als Beteiligter sieht es anders aus. Merken Sie schon, dass manches sehr viel zäher läuft, als gedacht?

Reiners: Von außen denkt man, dass man vieles schnell lösen kann. Norbert Bude hat mir gesagt, die Stadtverwaltung sei wie ein Tanker, dessen Richtung sich nur sehr langsam ändern lässt.

Und, ist es so?

Reiners: Ja, eindeutig. Es ist ein sehr großer Tanker.

Ralf Jüngermann, Klas Libuda, Dirk Richerdt, Jan Schnettler und Dieter Weber führten das Gespräch.

(RP)
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