Serie Denkanstoss Hoffnung kann uns Kraft geben

Mönchengladbach · Visionen blenden die Gegenwart nicht aus, sondern machen Mut, Herausforderungen zu begegnen, sagt Pfarrer Stephan Dedring. Zur Wahrnehmung der Realität gehört für ihn, mit dem Unplanbaren zu rechnen.

 Stephan Dedring, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Rheydt, hofft, dass die Adventszeit von der Kraft der Hoffnung erfüllt wird.

Stephan Dedring, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Rheydt, hofft, dass die Adventszeit von der Kraft der Hoffnung erfüllt wird.

Foto: ilgner

Wer Visionen hat, solle zum Arzt gehen, hat einmal der vor kurzem mit großer Anteilnahme beerdigte Altkanzler Helmut Schmidt gesagt. Er verstand sich als "Realpolitiker". Lenken Visionen tatsächlich nur von der Wirklichkeit ab, so wie zur Zeit im Theater Scheherazade mit 1001 Geschichten den König ablenkt? Kann es nur stadtplanerische Träumerei sein, dass es einmal einen "Gladsee" in Gladbach geben könnte?

Andererseits erleben wir immer wieder das Unerwartete: Wer hätte es für möglich gehalten, dass die Borussia nach fünf punktlosen Spielen zum Jahresende auf dem dritten Platz liegen würde? Und wir haben uns in diesem Jahr an das in historischer Größe völlig Unerwartete erinnert: an die Öffnung der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung vor 25 Jahren, die damals keiner hatte kommen sehen.

Gehört es also nicht zwingend zur Wahrnehmung der Realität, zur Wirklichkeit dazu, mit dem zu rechnen, was man nicht planen kann?

So jedenfalls möchte ich gerne den Advent in diesen Wochen sehen und erleben: als Hoffnung, dass der Gott, der uns in Christus ganz nah an die Seite getreten ist, sich wieder neu nähert, dass er auch unsere Zukunft mit seiner Barmherzigkeit und seinem Frieden füllen wird, auch da, wo wir es noch nicht absehen können. Solche Hoffnung blendet die Gegenwart nicht aus, sie ist keine blinde Illusion, sondern kann Kraft geben, den Herausforderungen mutig und offen zu begegnen: wenn es um die Unterbringung und Integration vieler Neuankömmlinge geht, oder um die heute in Paris anstehende notwendige Vereinbarung zum Klimaschutz, oder auch um die große Hoffnung der möglichen Überwindung von Terror und Krieg trotz vieler dunklen Wolken. So könnten der Advent und das Weihnachtsfest mit neuem Glanz in alten Traditionen, mit neuer Freude unsere Herzen bereichern und alle Sinne stärken.

Nelson Mandela hat 27 Jahre als Verfolgter unschuldig im Gefängnis gesessen. Die Kraft des Glaubens und der Hoffnung hat ihn durchhalten und am Ende zum unverbitterten, versöhnungsbereiten Präsidenten Südafrikas werden lassen. Von solcher Kraft der Hoffnung möge auch unsere Adventszeit erfüllt werden.

STEPHAN DEDRING IST PFARRER DER EVANGELISCHEN KIRCHENGEMEINDE RHEYDT.

(RP)
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