Mönchengladbach Home-Projekt geht jetzt in die Schule

Mönchengladbach · Vor etwa fünf Jahren startete Home, um Eltern zu unterstützen und Kosten für Hilfen zur Erziehung einzudämmen. Das Projekt ist erfolgreich. Darauf sattelt Home + auf. Es will die Bildungschancen von benachteiligten Kindern verbessern.

 Sie stehen für Home in Rheydt: Magdalena Socha, Henning Wimmers, Monika Flechtner, Reinhold Steins, Claudia Mazini, Dr. Michael Schmitz und Susanne Schneider auf einem Foto von 2014, als das Projekt in Rheydt startete.

Sie stehen für Home in Rheydt: Magdalena Socha, Henning Wimmers, Monika Flechtner, Reinhold Steins, Claudia Mazini, Dr. Michael Schmitz und Susanne Schneider auf einem Foto von 2014, als das Projekt in Rheydt startete.

Foto: Ilgner

Nennen wir sie Aische: Die achtjährige Türkin besucht eine Grundschule in Rheydt-Mitte. Ihre Schulleistungen sind zwar nicht herausragend. Aber ihrer Lehrerin fällt auf, dass Aische ein wissbegieriges Kind ist. Das Mädchen könnte eigentlich viel mehr leisten. Versuche, mit den Eltern darüber zu sprechen, ihnen Tipps zu geben, wie sie Aisches Schulerfolg verbessern können, scheitern. Die Eltern sprechen nicht so gut Deutsch und kommen auch nicht zu den Elternsprechstunden. Und da in der Schule rund 70 Prozent aller Kinder einen Migrationshintergrund haben, ist es für die Pädagogin insgesamt ein Problem, auf alle individuell einzugehen. Aisches Schicksal ist vorgezeichnet: Grundschule, Hauptschule - irgendwann vielleicht ein Job.

Das Beispiel mag überzeichnet sein. Doch es gibt diese Aisches, und sie sind vor allem in Eicken, Mülfort und Rheydt auch sehr zahlreich. In diesen Stadtteilen läuft seit mehreren Jahren sehr erfolgreich das Präventionsprogramm Home. Das bekommt jetzt eine kleine Schwester: Home +. Während die Große über Elternberatung und -unterstützung die Lebens- und Entwicklungschancen von Kindern verbessert, nimmt die kleine Schwester Home + die Bildungsförderung in den Blick. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Jeder Schüler soll die schulischen Leistungen zeigen können, die seinen Möglichkeiten entspricht. "Die Kinder sollen ihre Potenziale besser ausschöpfen", sagt Henning Wimmers, Leiter der Abteilung Prävention beim städtischen Jugendamt.

Vier sozialpädagogische Fachkräfte kümmern sich in den kommenden drei Schuljahren darum, dass drei ausgewählte Grundschulen in Rheydt, Eicken und Mülfort Kinder wie Aische beim Bildungserfolg besser fördern können. Das Besondere: Die Kosten für das Projekt Home + werden zu 78 Prozent von der Düsseldorfer Wübben-Stiftung getragen. Und das entlastet den städtischen Etat ganz erheblich.

Denn als das Projekt Home ("Hilfe und Orientierung für Mönchengladbacher Eltern"), an das sich jetzt Home + andockt, vor mehr als fünf Jahren entwickelt wurde, hatte die Stadt noch einen Nothaushalt. Damals stiegen die Ausgaben für die Hilfe für Erziehung Jahr um Jahr. Gladbachs Politiker, Jugendamtsleiter Reinhold Steins und der damalige Sozialdezernent Dr. Michael Schmitz suchten nach einer Möglichkeit, wie die Stadt vorbeugend eingreifen konnte. An Ideen, wie das funktionieren könnte, mangelte es damals nicht. Nur am Geld. Denn Mönchengladbach konnte aufgrund finanziell der misslichen Lage keine Ausgaben stemmen, die unter "freiwillige Ausgaben" liefen - Pflicht ja, die Kür war verboten. Am Ende klappte es, weil viele mithalfen und Gladbach mit Home in das landesweite Modellprojekt "Kein Kind zurücklassen" rutschte.

Eicken und Mülfort standen zunächst auf der Arbeitsagenda, später kam dann Rheydt dazu. Das Projekt funktioniert: Die eingesetzten sozialpädagogischen Experten sind dort, wo Eltern und Kinder sind - in Kindergärten und Schulen. Da nehmen sie Kontakt zu den Familien auf, schaffen eine Vertrauensbasis, helfen bei Alltagsproblemen, greifen rechtzeitig ein, bevor es brennt. In 27 Kitas, sechs Grundschulen, einer Förderschule und einem Familienzentrum arbeiten die Fachleute. Dem Gladbacher Jugendamt sind mehr als 50 Fälle bekannt, bei denen die Unterstützung nachhaltig wirkte. Das beeinflusst nicht nur positiv das Familienleben. Auch im städtischen Etat stiegen die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung nicht mehr weiter so dramatisch an.

Home + sattelt darauf auf. Weil die soziale Herkunft oft über Bildungserfolg bestimmt, setzt das neue Projekt genau an dieser Schnittstelle an. Und wie bei Home ist die Marschroute: Kontakte zu Eltern herstellen, Vertrauen schaffen, neue Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugend aufzeigen. Henning Wimmers: "Da geht es schlicht um die Frage an Eltern: Was wünschen Sie sich für Ihr Kind?" Dies auszuloten und dann gemeinsam mit Mütter und Väter die Potenziale des Nachwuchses auszuschöpfen, ist das Kernziel von Home +. "Unsere Fachleute informieren die Eltern über den Zusammenhang zwischen schulischer Bildung und Lebenszufriedenheit im Erwachsenenalter. Sie werben bei Eltern dafür, die Leistung ihrer Kinder bestmöglich zu fördern, ihnen Freude am Lernen zu vermitteln", sagt Wimmers.

Der Erfolg wird kontrolliert. Um diesen zu sichern, werden die Kinder auch dann noch für einige Jahre begleitet, wenn sie zu einer weiterführenden Schule gewechselt sind. Dies ist aus finanziellen Überlegungen wichtig: Die Wübben-Stiftung will im Erfolgsfall nochmals 300 000 Euro zur Verfügung stellen.

(RP)
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