Mensch Gladbach Hoppla, wir leben in einem Denkmal !

Mönchengladbach · Wenn Sie heute auf der Rheydter Hauptstraße gehen, bewegen Sie sich auf einem Denkmal. Wenn Sie nach links und rechts schauen, sehen Sie nüchterne Zweckbauten. Auch sie sind Denkmale. Rheydt ist damit nur wenige Jahrhunderte vom Weltkulturerbe entfernt. Für das, was ein Stadtplaner 1947 in wenigen Jahren schaffte, brauchen seine Nachfolger heute Jahrzehnte. Und dann ist gerade mal die Ausschreibung fertig.

Stellen Sie sich dies einmal bildlich vor: Sie urlauben in Florenz und beim sonntäglichen Brunch erzählen sie Miturlaubern beiläufig, dass Sie aus Mönchengladbach und da aus Rheydt kommen. Die anderen Touristen reißen staunend die Augen auf und fragen ungläubig: "Und dann verbringen Sie den Urlaub in der Toskana? Obwohl Sie doch in der Denkmalstadt Mönchengladbach-Rheydt leben?" Tja, das wäre ein Hallo, und Sie würden ernsthaft darüber nachdenken, ob Rheydt nicht zum Weltkulturerbe gehören müsste. So wie die Pyramiden von Gizeh. Oder der Aachener Dom. Oder der Yellowstone-Nationalpark. Aber wir springen zu sehr in die Zukunft: Den Antrag, Rheydt in die Liste des Welterbes zu stellen, stellen wir später.

Vielleicht werden Sie mir jetzt Gehässigkeit vorwerfen. Nein, die Tatsache, dass Rheydt in seiner baulichen Struktur denkmalwürdig ist, halte ich für völlig richtig. Wer sich alte Fotos aus Mönchengladbach von vor dem Zweiten Weltkrieg anschaut, wird feststellen, dass Rheydt einst über schöne, alte Gebäude verfügte. So wie andere deutsche Städte, bevor sie in den Bombennächten in Schutt und Asche gelegt wurden. Dass der Wiederaufbau in der Zeit nach 1945 nach anderen Bedingungen und Kriterien erfolgen musste, war nahezu zwangsläufig. Da war ein Zuckerbäcker-Baustil nicht gefragt. Wohnraum war notwendig: schlicht, zweckmäßig, ohne architektonische Feinheiten.

Das Rheydter Zentrum steht für diese Zeit. Mehr noch: Es gab ein Konzept, wie das neue Rheydt entstehen sollte. So eine Art Masterplan Rheydt. Dass der dafür heute so gelobte Planer Alfons Leitl das Rheydter Rathaus ebenfalls platt machen wollte, um da Zweckbauten hinzusetzen, gehört zu den baugeschichtlichen Kuriositäten. Immerhin zählte Leitl, so können wir heute beruhigt feststellen, weil das Rathaus wegen vieler Proteste stehenblieb, zu den Menschen, die konsequent etwas zu Ende denken.

Diese Konsequenz ist, will man die besondere Rheydter Denkmalstruktur erhalten, auch vonnöten. Wenn Sie als Besitzer eines Hauses an der Hauptstraße die aus einem goldenen Metallrahmen und einem nicht durchsichtigen Rubbelglas bestehende Eingangstür durch eine aus Holz mit gedrechselten Elementen ersetzen wollen, haben Sie bei den Stadtverschönerern aus dem Verwaltungsgebäude G des Rheydter Rathauses keine Chance. Den Antrag auf Tür-Austausch dürfen Sie zwar stellen, genehmigt wird er aber nie. Wobei es beim spezifischen Tempo der Gladbacher Bau-Entscheider vermutlich so lange dauern wird, dass Rheydt bis dahin schon Weltkulturerbe ist. So quasi.

Ups, diese Bemerkung ist auch nicht schön. Sie ist geradezu blasphemisch, weil MVL, die Mönchengladbacher-Verwaltungs-Langsamkeit, längst passé sein soll. Sie liegt, folgt man allen Erklärungen aus dem Rathaus, gefühlt so lange zurück wie Leitl, als der 1947 das Rheydter Denkmal kreierte. Beim Kommunalinvestitionsförderungsgesetz - boah, was für ein Begriff ! - hat es auch nur neun Monate gedauert, bis das erste von vielen Projekten über insgesamt 26 Millionen Euro ausgeschrieben ist. Fast jedenfalls. Hätte Leitl vor fast 70 Jahren so langsam gewirkt, würde der Wiederaufbau Rheydts erst 2020 enden. Am Ende der Amtszeit von OB Reiners.

(RP)
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