Mönchengladbach Ian Shaw jazzt - mal samtweich, mal scharf

Mönchengladbach · Der Waliser war in der Reihe "Fine Art Jazz" im Haus Erholung zu Gast. Das Konzert, das als "Christmas Special" angekündigt war, bewies: Man muss nicht Jazz-Experte sein, um von Ian Shaw für dessen Kunst entflammt zu werden.

 Ian Shaws Auftritt am Flügel war gefärbt von so mancher exzentrisch, aber sympathisch wirkenden humoristischen Episode.

Ian Shaws Auftritt am Flügel war gefärbt von so mancher exzentrisch, aber sympathisch wirkenden humoristischen Episode.

Foto: Mario Winkler

In der Jazz-Welt fehlt es wahrlich nicht an schillernden Persönlichkeiten. Es gibt unzählige Künstler, die entweder außergewöhnlich sind, zumindest so sein wollen - oder auch nur dafür gehalten werden. Wenn aber sowohl das Charisma als auch die musikalische Tiefe auf die Spitze getrieben werden, dann darf auch mal das Wort "Star", schweren Herzens, angesichts der seit Jahrzehnten andauernden gnadenlosen Abnutzung dieses Attributs, fallen.

Die Reihe "Fine Art Jazz" hat sich zur ehrenvollen Aufgabe gemacht, guten Jazz nachhaltig in die Region zu etablieren. Mit ihrem jüngsten Konzert im Haus Erholung ist es gelungen, einen der wirklich außergewöhnlichsten Künstler der Jazzszene nach Mönchengladbach zu holen. Ian Shaw dürfte allen eingefleischten Jazz-Kennern wohlbekannt sein, denn der mit Preisen hochdekorierte walisische Sänger gilt als Star, und das zurecht. Doch das Konzert, das als "Christmas Special" angekündigt war, bewies: Man muss nicht Jazz-Experte sein, um von Shaw für dessen Kunst entflammt zu werden. Vereint er ja nicht nur seine pianistischen und vokalistischen Talente, sondern ist auch noch ein Entertainer, der seine komödiantischen Wurzeln immer wieder und auch unverhofft aufblitzen lässt.

So ist auch sein Auftritt am Flügel gefärbt von so mancher exzentrisch, aber sympathisch wirkenden humoristischen Episode. Shaw ist ein Mann der Extreme. Nicht nur stimmlich und pianistisch beschwört er mal aufbrechende und explosiv geladene Spitzen oder auch melancholisch, hingegen nie dumpf oder trüb klingende Ruhe und Besinnung. Doch sind diese stillen Momente selten von Dauer, denn der Ausbruch, das Umschwenken ins klanglich Vulgäre, um dann erneut mit seiner Stimme in eine weich timbrierte Mittellage zurückzufallen, ist bei Shaw Programm. Alles gespickt mit einer überbordenden Spielfreude und Musikalität, die hin und wieder zu etwas burschikosen Ecken und Kanten tendiert.

Seine mal samtweiche, mal scharfe und kraftvoll gedrückte tenorale Stimme erweist sich insbesondere bei langsamen Tempi und bei balladenhaftem Ton als schmeichelnd. Wie es sich für einen guten Jazzsänger gehört, beherrscht er auch virtuose Stimmakrobatik mit Leichtigkeit. Doch hat man in keinem Moment den Eindruck, dass das, was da in der Stimme passiert oder im Klavier oft hoch komplex zusammengefügt wird, banal oder bloßer Effekt sei. Das ist auch an der Auswahl des Programms zu spüren. Shaw singt unter anderem Songs wie Nick Caves "Into my arms", oder Joni Mitchells "A case of you", aber auch Al Jarreaus Version von Chick Coreas "Spain" und eine Hommage an Amy Winehouse. Als unerwartetes Extra gibt es zudem noch ein spontanes Duett mit der bezaubernden Sabine Kühlich, die an dem Abend auch anwesend ist.

Mag Ian Shaw das Publikum zum Mitsingen animieren, schelmisch auf heimliche Prokofiew-Melodien verweisen oder so manchen Weihnachtssong in seinen Sound hineinweben, gefällig wird es bei ihm nie, oder besser gesagt nur ganz selten - und dann mit Augenzwinkern. Selbst bei dem scheinbar größten Klamauk lugt Hintergründiges oder auch mal Ironisches, so mag man meinen, hinter der Fassade hervor.

So ist er, der walisische Star - das ist alles echt. Und natürlich gibt es Standing Ovations.

(laki)
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