Mönchengladbach "Ich wurde schnell zu einem Fanatiker"

Mönchengladbach · Dominic Schmitz war Salafist. Er hat den Ausstieg geschafft und berichtet darüber beim Mönchengladbacher Pilotprojekt "Kopfsache".

 Dominic Schmitz bei einem Besuch in einer Schule in Grefrath. Gestern gemachte Bilder gab er nicht zur Veröffentlichung frei.

Dominic Schmitz bei einem Besuch in einer Schule in Grefrath. Gestern gemachte Bilder gab er nicht zur Veröffentlichung frei.

Foto: Wolfgang Kaiser

Eine Horde Jugendlicher ruhig zu bekommen, die in eine Aula stürmen, ist so eine Sache. Vor allem wenn die Smartphones in der Tasche bleiben müssen. Bei den Schülern von der Realschule an der Niers ging das gestern ziemlich schnell. Sie nahmen an einem Crashkurs gegen Radikalisierung teil. Das Mönchengladbacher Projekt, das bislang einzigartig in NRW ist, soll Jugendliche widerstandsfähiger gegen Missionierungsversuche extremistischer Salafisten machen und setzt dabei auf Schockbilder und Emotionen.

Der Mönchengladbacher Dominic Schmitz (30) gehört zu den Menschen, die sich einfangen ließen von Salafistenpredigern. "Ich habe sogar dem Bäcker eine CD von Pierre Vogel geschenkt." Aber Dominic Schmitz hat auch den Ausstieg geschafft, "obwohl ich Morddrohungen bekam und deshalb vor zwei Jahren in eine andere Stadt ziehen musste". Als 17-Jähriger konvertierte der Mönchengladbacher zum Islam. "Vorher habe ich nur gekifft, sogar morgens vor der Schule." Er sei damals lustlos gewesen und orientierungslos. Auf die häufig gestellte Sinnfrage habe er keine Antworten bekommen, bis ein muslimischer Freund, der lange verschwunden war, plötzlich vor seinem Fenster stand. Der hatte sich komplett gewandelt. Er sagte keine Sätze mehr wie "Ey, was geht ab?", sondern drückte sich ganz anders aus, sprach von Allah. Er kiffte nicht mehr, hörte keine Musik mehr, wollte nur nach eigenen Worten noch ein guter Muslim sein. Das imponierte Dominic Schmitz. Er wurde Teil der Gemeinschaft, fühlte sich akzeptiert, heiratete eine Muslima sieben Tage, nachdem sie ihm in einer Moschee vorgestellt worden war und die er eigentlich gar nicht kannte. Und er wurde nach eigenen Worten schnell ein Fanatiker. In einem Buch hat er über sein Leben als Salafist geschrieben und auch über seinen Ausstieg. Wie eng das Korsett ist, das man als Salafist trägt, erkannte er, als er einen alten Freund wiedertraf, mit dem er als Salafist nicht befreundet sein durfte, weil er ein Kuffar (Ungläubiger) ist.

Den Ausstieg hat Samira (23) noch nicht geschafft. Samira ist die Tochter einer Mönchengladbacherin, die bei "Kopfsache" über ihre Erfahrungen als betroffene Angehörige berichtet. Samira hieß früher anders und war ein ganz normales Mädchen - bis zu einem "traumatischen, außerfamiliären Erlebnis". Eltern und Geschwister versuchten zu helfen, aber Samira entfernte sich immer mehr.

Die heute 23-Jährige trug zunächst Kopftuch, dann Niqab (Vollverschleierung). Sie ist mit einem Mann verheiratet, der mehrfach in Syrien war, angeblich aus humanitären Gründen. Auch zwei Freundinnen Samiras gingen nach Syrien, hätten dort Kämpfer geheiratet, wie die Mutter erzählt. Von einer jungen Frau habe man nichts mehr gehört, die andere sitze in der Türkei im Gefängnis.

Das Leben mit einer Tochter, die sich in salafistischen Kreisen bewege, sei sehr schwer, berichtete die Mutter. Häufig gebe es Konflikte. Dennoch wolle sie den Kontakt zu ihrer Tochter, die zwei kleine Kinder hat, halten. Und sie appellierte sogar, doch Menschen nicht zu bespucken und zu beschimpfen und gar anzugreifen, nur weil sie Niqab tragen oder anders aussehen.

(gap)
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