Serie Mein Erstes Auto (7) Im alten VW ohne Hupe durch den TÜV

Mönchengladbach · Susanne Scheider bekam ihren Käfer zum 19. Geburtstag von ihrem Patenonkel geschenkt. Das Auto hatte ein paar Kratzer, einen knallroten Kotflügel, viele Aufkleber, Häkelgardinen und einen seltsamen "Knall". Geliebt wurde es trotzdem.

Stadtteile Es gibt ein Geräusch, das Susanne Scheider mit ihrem ersten Auto verbindet: "Böööööp!!!" Was es damit auf sich hat und wie ihre schöne rumänische Freundin aus der Nachbarschaft dabei half, dass ihr betagter VW ohne Beanstandung über den TÜV kam, erzählt Susanne Scheider selbst:

"Es war 1978, als mein Patenonkel aus Hamburg beschloss, seinen elf Jahre alten VW-Käfer gegen einen frisch vom Band gerollten VW-Golf einzutauschen. Und da seine einzige Nichte gerade ihr neunzehntes Wiegenfest feierte, überließ er ihr den alten Wagen als überaus großzügiges Geburtstagsgeschenk. Ich war begeistert! Zwar hatte das gute Stück hier und da ein paar Kratzer, und um den rechten hinteren Kotflügel vor dem Abfallen wegen Durchrostung zu bewahren, montierten wir ihn vorsichtshalber ab und schraubten einen knallroten vom Schrottplatz dran, aber ansonsten tat der Wagen genau das, was er laut Werbung auch sollte: er lief und lief und lief...

Durch sein betagtes Alter durfte man mit ihm auch alles anstellen, was in der Familienkutsche verboten war: etliche bunte Aufkleber anbringen, blaue Schlümpfe auf das Armaturenbrett kleben, Vasen mit künstlichen Blumen in allen Ecken platzieren, Häkelgardinen an die Seitenscheiben hängen. Dem Wagen machte das alles nichts aus, offenbar fühlte er sich geliebt - und das zu Recht.

Seine unerschütterliche Treue bewies er im eiskalten Winter 1978/79, in dem er wochenlang unbewegt in seiner Parklücke stand. Als es endlich wärmer wurde, röhrte er mit seinen 44 PS gegen alle Unkenrufe mehrerer schadenfroher Nachbarn an - und sofort auf, als ich den Zündschlüssel drehte.

Lediglich einer hätte mir den Spaß an meinem ersten Auto möglicherweise verderben können: der ach so gefürchtete TÜV! Nun bezweifelte ich stark, dass sich die Herren der Überprüfungsanstalt am roten Kotflügel und den Accessoires stören würden. Allerdings hatte der Wagen es sich zur Angewohnheit gemacht, in jeder Rechtskurve laut und röhrend zu hupen - warum, hatte bisher noch niemand herausfinden können. Kaum drehte ich das Lenkrad nach rechts, ertönte ein durchdringendes "Böööööp!!!" Das konnte auch den Leuten vom TÜV kaum verborgen bleiben, wenn ich tutend auf den Hof fuhr. So eine Reparatur war bestimmt kostspielig, und ich noch in der Ausbildung.

Nun gehörte mein Käfer noch zur Generation der Autos, die vorne links einen Kasten hatten, in dem sich eine Handvoll kleiner Sicherungen befand. Nach einigen Versuchen hatte ich die Sicherung für die Hupe gefunden. Wenn man sie jetzt kurz vor der Untersuchung einfach herausnahm? Und was, wenn mich dann jemand bat, mal eben zu hupen? "Kleinen Moment, da muss ich erst die Sicherung wieder reindrehen?" Das konnte ja nur schief gehen.

Zum Glück erschien die Lösung des Problems in Form meiner benachbarten Freundin aus Rumänien. Sie war (und ist) eine Naturschönheit, und von daher als Ablenkung höchst willkommen.

Am Tage X fuhren wir also beide mit meinem Auto auf den TÜV-Hof, nicht, ohne kurz zuvor am Seitenstreifen die Sicherung für die Hupe herausgenommen zu haben. Als die Reihe an uns kam, stiegen wir beide aus, sehr freundlich und äußerlich bestens gelaunt. Innerlich sah es bei mir nicht ganz so lässig aus! Nach einer bangen halben Stunde, in der die Herren mit mir und ganz besonders mit meiner Freundin schäkerten, drückte man mir den Autoschlüssel wieder in die Hand: "Alles ok, bis zum nächsten Mal!"

"Plumps", machte der Stein, der mir vom Herzen fiel. Während ich noch die Papiere unterzeichnete, kletterte meine Freundin schon in den Wagen und setzte flugs die Sicherung wieder ein, falls doch noch jemand auf den Gedanken kommen sollte, die Hupe zu testen. Als wir dann mit heruntergedrehtem Seitenfenster vom Hof rollten, dauerte es nicht lange, bis in der Rechtskurve das vertraute Hupgeräusch ertönte. Wir streckten die Arme aus den Fenstern und winkten den Mechanikern zu, und sie lachten fröhlich zurück, überzeugt, dass ich die Hupe zum Abschied absichtlich betätigte, mit einem tiefen, unüberhörbaren "Böööööp"!"

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort