Serie Was Macht Eigentlich? Ingeborg Gräber: Eine Kämpferin mit Stil und Klugheit

Mönchengladbach · Was Ingeborg Gräber anpackt, das macht sie mit vollem Einsatz und Durchsetzungskraft. Ob der Kampf gegen die Schließung ihres Gymnasiums am Geroweiher oder das Projekt für die Menschen in Ghana – die Oberstudiendirektorin im Ruhestand ist kaum zu stoppen.

 Stolze "Jubilare": Lehrer und Schüler feierten im Mai 2000 gemeinsam das 125-jährige Bestehen des Gymnasiums am Geroweiher. Dritte von rechts unten: Ingeborg Gräber.

Stolze "Jubilare": Lehrer und Schüler feierten im Mai 2000 gemeinsam das 125-jährige Bestehen des Gymnasiums am Geroweiher. Dritte von rechts unten: Ingeborg Gräber.

Foto: Werner Tressat

Was Ingeborg Gräber anpackt, das macht sie mit vollem Einsatz und Durchsetzungskraft. Ob der Kampf gegen die Schließung ihres Gymnasiums am Geroweiher oder das Projekt für die Menschen in Ghana — die Oberstudiendirektorin im Ruhestand ist kaum zu stoppen.

"Ich bin ein ziemlich eigenwilliger Mensch, lege großen Wert auf meine Unabhängigkeit und lasse mich nicht in eine Richtung schieben, die ich für falsch halte", sagt Ingeborg Gräber. Eine Frau, die schon als Kind in der Nachkriegszeit auf dem von der Familie in harter Arbeit wiederhergestellten Bauernhof in Schelsen gelernt hat, wie hart gearbeitet und gekämpft wird, wenn es nötig ist. Ingeborg Gräber hat sich aber auch stets für andere Menschen sehr engagiert eingesetzt: für ihre Familie, für Nachbarn, für ihre Schüler an zwei Mönchengladbacher Gymnasien.

Und nun als Pensionärin seit zehn Jahren für Menschen, die in Ghana in extremer Armut, mit geringen Bildungschancen und unzureichender Gesundheitsversorgung leben. Oder lebten, kann man inzwischen für einen Teil sagen. Denn im District Offinso hat sich längst nicht alles, aber vieles zum Positiven verändert, seit sich das Eine-Welt-Forum Mönchengladbach um die Menschen dort kümmert. Seit nun zehn Jahren und von Anfang an mit Ingeborg Gräber, die inzwischen 71 Jahre und gerade wieder nach Südwestafrika geflogen ist. Ingeborg Gräber ist eigenwillig und notfalls kämpferisch. Dass die freundlich und verbindlich auftretende Oberstudiendirektorin nicht einfach wegzuschieben ist, das hat die Stadt Mönchengladbach 2002 und 2003 gelernt. Da sollte das Gymnasium am Geroweiher für das Neuwerker Gymnasium geopfert, mal in eine Realschule, mal in ein Montessori-Zentrum umgewandelt oder sogar ganz geschlossen werden.

Ingeborg Gräber, die Schulleiterin, die kurz vor der Pensionierung stand, hat mit ihrem Stellvertreter und späteren Nachfolger Wolfgang Lothmann den erfolgreichen Widerstand mit Protesten und Demonstrationszügen der Eltern, Lehrer und Schüler angeführt. Und sie sorgte kurz vor ihrem Abschied noch für einen vielbeachteten Coup. Sie hatte die Idee, das Schulgebäude an der Balderichstraße unter Denkmalschutz stellen zu lassen: als erhaltenswertes Gebäude der Nachkriegszeit. Das Gutachten der Oberen Denkmalbehörde, das dies dann auch befürwortete, war im Frühjahr 2004 ein nachträgliches Abschiedsgeschenk für die ehemalige Schulleiterin — ihr Denkmal gewissermaßen, auch wenn sie dies so nicht nennen mag.

Da waren die handstreichartigen Pläne der Stadt allerdings schon vom Tisch. Das Gymnasium mit mittlerweile 136-jähriger Tradition gibt es immer noch. "Wir haben damals alle, Schüler, Eltern und Lehrer, gemeinsam mit unglaublicher Ernsthaftigkeit und mit Wut erfüllt gearbeitet und schnell gelernt, wie man mit Stil und Klugheit kämpft und erfolgreich sein kann", sagt Ingeborg Gräber. Innerhalb eines knappen Vierteljahres gab es mehr als 6000 Unterschriften für den Erhalt des Gymnasiums — und wenig später mehr als 100 Anmeldungen für das neue Schuljahr.

Der Kampf um "ihr" Gymnasium hat sie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch die Pläne der Stadt waren nicht die ersten Erfahrung, die sie auf die Palme brachte. "Ich hatte eine Stinkwut, als in den 80er Jahren die Landesregierung in Düsseldorf keine neuen Lehrer mehr einstellte", erzählt sie. "Die angehenden Kollegen, die ich neben meiner ersten Stelle am Neusprachlichen Gymnasium als Fachleiterin für Englisch beim Studienseminar auf ihre Aufgaben vorbereitet hatte, standen einfach auf der Straße, hatten keine Perspektive in ihrem erlernten Beruf."

Und dann gab es eine weitere "Schockerfahrung", wie sie es nennt, für die schnell auf der Karriereleiter aufgestiegene Oberstudienrätin: die Fusion des erst 1966 eingerichteten Neusprachlichen Gymnasiums an der Viersener Straße mit dem Math.-Nat. Gymnasium 1987/88. "Wir waren eine sehr fortschrittliche Schule, die als erstes Gymnasium der Stadt die Ganztagsform in Koedukation umgesetzt hat", sagt sie — und kann die Entscheidung noch heute nicht nachvollziehen.

Ihre Konsequenz: Sie bewarb sich auf die mit der Pensionierung von Christel Barkhausen 1989 freiwerdende Stelle als Leiterin des Gymnasiums am Geroweiher — und wurde zur eigenen Überraschung gewählt. "Dabei war ich in keiner Partei, weil ich mich nicht in eine Richtung drängen lassen möchte. Ich war immer freiheitlich und liberal denkend — aber kein FDP-Wähler. Doch bei Greenpeace, Amnesty International und in der Christlich-Jüdischen Gesellschaft, da war ich früh dabei."

14 Jahre war Ingeborg Gräber Chefin an der Balderichstraße. Die nüchterne Verwaltungsarbeit hat sie, soweit möglich, übertragen, dafür lieber mehr Unterricht gegeben, als es einer Schulleiterin vorgeschrieben ist.

(RP)
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