Kolumne Mensch Gladbach Jetzt noch schneller aus Schaden klug werden

Mönchengladbach · Viel schmerzlicher, als durch Schaden klug zu werden, ist es, einfach dumm zu bleiben. Lernen Sie also heute hier mit dem Oberbürgermeister, weiteren Politikern aus der größten Stadt am linken Niederrhein und den Rheydter Einzelhändlern.

Als der Steinzeitmensch in seiner ungeheizten Höhle saß und auf immer dieselben Kritzeleien an den Wänden starrte, war er nachvollziehbarerweise zumeist übellaunig. Darum erfand er flugs Fußbodenheizung und Fernseher, womit prähistorisch belegt ist: Aus Schaden wird man klug. Der Oberbürgermeister hat das amtsangemessen innerhalb weniger Tage gelernt, wenn auch nicht minder schmerzlich. Am Ende bekommt er nun also die Pension, die ihm zweifelsfrei laut Gesetz zusteht, verzichtet freiwillig auf den Part aus der Abteilung Grauzone - und muss ab jetzt nur noch den Eindruck zerstreuen, er beschäftige sich ein bisschen zu früh und ein bisschen zu intensiv mit der Zeit danach. Aber dazu hat er ja nun noch vier Jahre Zeit.

Reichlich Schaden haben derweil die Rheydter Händler wegen eines Mannes, der ein ganz eigenes Modell der Altersvorsorge entwickelt hat: Er nimmt so viel aus den Läden mit, wie er tragen kann - und bezahlt keinen Cent. Das hat dem Seriendieb 120 Strafanzeigen und Hausverbot in vielen Geschäften eingebracht, was ihn aber in keinster Weise beeindruckt. Er macht einfach weiter mit seinem bargeldlosen Einkauf. Im Großen und Ganzen unbehelligt von unserem Rechtsstaat, dem das alles zu bagatellös ist. Ach wäre der Mann doch Kölner Fußballfan oder Rocker mit Kutte oder wenigstens besorgter Bürger mit rechter Schlagseite - dann würde ihn gewiss eine Hundertschaft begleiten. Ist er aber nicht. Er leitet nicht mal Chrom in den Kanal oder hat das falsche Mett bei sich. Drum bleiben die Händler auf ihrem Schaden sitzen und räumen aus lauter Verzweiflung ihre Regale um, damit der Dieb wenigstens nur die günstigere Ware erwischt.

Dabei ist der Schaden größtmöglich. Die Bürger verlieren den Glauben daran, dass alles gerecht zugeht bei uns. Das ist ja kurioserweise sowieso das Grundgefühl in diesem unfassbar reichen und unfassbar freien Land. Darum gibt es so viele Bürger, die Angst haben, wenn Flüchtlinge ins Land kommen. Und darum rechnen so viele wutschnaubend den Pensionsbescheid des Oberbürgermeisters gegen ihren eigenen Rentenbescheid gegen. Sich die Ursache für diese Differenz einzugestehen, wäre schmerzlich: In Deutschland ist jeder seines eigenen Glückes Schmied - und das ist eben leider nicht für alle eine gute Nachricht.

Mit gröbstem Werkzeug geschmiedet ist ja auch die Idee, jetzt den Rheydter Markt wie schon die Gladbacher Altstadt mit Kameras überwachen zu lassen. Bei allem Augenmerk für Rocker, die schon mal ein schickes T-Shirt in Rheydt shoppen oder Halbstarke, die ihren Energy-Drink nicht vertragen haben und deswegen eine Fotoausstellung zusammentreten müssen: Ein Kriminalitätsschwerpunkt ist Rheydt nun wahrlich nicht. So wenig übrigens, wie es sozialer Brennpunkt ist, zu dem es die hiesigen Politiker vor ein paar Jahren deklariert haben, um an die vollen Fleischtöpfe der EU zu kommen. Politiker, die ihre Scholle schlechtreden, weil sie sich davon persönlichen Erfolg versprechen, sollten einem von Hause aus suspekt sein.

Und jetzt also: Wochenende. Kann ja nicht schaden. Zumindest, wenn man Fußbodenheizung und Fernseher hat.

(RP)
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