Mönchengladbach Joseph Goebbels' Geburtshaus wiederentdeckt

Mönchengladbach · Mehr als ein halbes Jahrhundert lang galt das Geburtshaus von Joseph Goebbels als zerstört. Dann tauchte ein Rheydter Lehrer im Stadtarchiv auf und zeigte ein Foto, das diese Annahme widerlegte. Künstler Gregor Schneider kaufte das Haus.

 Das alte Bild von Goebbels' Geburtshaus aus der Festschrift.

Das alte Bild von Goebbels' Geburtshaus aus der Festschrift.

Foto: Stadtarchiv/Ilgner

Gregor Schneider ist bekannt für seine provokative Kunst und seine beängstigenden, zum Teil gruseligen Rauminstallationen. Jetzt ist herausgekommen: Der 45-jährige, in Rheydt geborene Künstler hat das Geburtshaus von Hitlers Propagandaminister, Joseph Goebbels, an der Odenkirchener Straße 202 gekauft. Über ein halbes Jahrhundert lang wusste niemand, was am 29. Oktober 1897 hinter der heute hellgrünen Fassade geschehen war. Denn eigentlich galt Goebbels' Geburtshaus als zerstört.

Auch im Mönchengladbacher Stadtarchiv ging man davon aus, dass das Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerbombt wurde. "In Goebbels' standesamtlicher Geburtsurkunde steht, dass er am 29.10.1897 an der Odenkirchener Straße 186 geboren wurde", berichtet Stadtsprecher Dirk Rütten. Bis 2007 habe es nie einen Grund gegeben, daran zu zweifeln. Denn in mehreren Publikationen wie auch in einer großen Goebbels-Biographie von Ralph Georg Reuth aus dem Jahr 1990 wird noch die Odenkirchener Straße 186 als Geburtshaus des späteren NS-Propagandaministers angegeben.

 Ein aktuelles Bild des Gebäudes.

Ein aktuelles Bild des Gebäudes.

Foto: Stadtarchiv/Ilgner

Im Rheydter Adressbuch von 1898 werden Goebbels' Eltern noch unter dieser Wohnlage erwähnt. Im nachfolgenden Adressbuch von 1900 wohnte die Familie dann im eigenen Haus an der Dahlener Straße. "Das bedeutet, dass die Familie Goebbels zwischen 1898 und 1900 umgezogen ist, ein genauer Zeitpunkt ist nicht bekannt", sagt Rütten.

Die Annahme, Goebbels' Geburtshaus existiere nicht mehr, musste verworfen werden, als im Jahr 2007 ein Rheydter Lehrer im Mönchengladbacher Stadtarchiv erschien. Der hatte auf einer Abbildung einer Festzeitschrift aus den 1930er Jahren, die anlässlich eines Besuches des NS-Propagandaministers in seiner Heimatstadt Rheydt erschienen war, das Foto des Geburtshauses gesehen und ahnte gleich: Das Gebäude existiert doch noch.

Ein Abgleich im Stadtarchiv von einem aktuellen Foto des Geburtshauses mit dem alten Bild erhärtete die Vermutung. Weitere Recherchen gaben dann Gewissheit: "Im Stadtarchiv fand man heraus, dass im Jahr 1904 viele Hausnummern und Straßennamen in Rheydt geändert wurden, wahrscheinlich, weil die Stadt damals stark gewachsen war, und man eine neue Ordnung schaffen wollte", berichtet Rütten. So fand man heraus, dass das Haus an der Odenkirchener Straße 186 identisch ist mit dem Gebäude an der Odenkirchener Straße, das heute die Nummer 202 trägt.

Wie Schneider der Nachrichtenagentur dpa gestern berichtete, hat er das Gebäude in einem Immobilienportal entdeckt. Er habe das Gebäude entkernen lassen und wolle den Schutt aus Goebbels' Geburtshaus bei einer Ausstellung in Warschau zeigen. Ihm gebe es nicht um "Kommerzialisierung", er wolle mit dem Projekt vielmehr an die Millionen Opfer der Nazizeit erinnern.

Eigentlich wollte Gregor Schneider das komplette Haus abreißen, auch damit es nicht zum Treffpunkt von Rechtsradikalen wird. Doch das ist aus statischen Gründen wohl nicht möglich, weil dann das Nachbarhaus einstürzen würde.

Seitdem Gregor Schneider Räume seines Rheydter Elternhauses 2001 als "Totes Haus u r" in den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig eingebaut hat und dafür mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, gehört der 45-Jährige zur international gefeierten Künstlerszene. Die Tunnel-Außen-skulptur END von Schneider bescherte dem Museum Abtei einen Besucherrekord. 20 000 Menschen tasteten sich durch die dunkle, 70 Meter lange Tunnelröhre.

(RP)
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