Mönchengladbach Karneval? So beautiful!

Mönchengladbach · Wer zum ersten Mal Karneval feiert, hat viele Fragen. So wie die Flüchtlinge aus Syrien, die gestern den Veilchendienstagszug besuchten. Sie sind begeistert und finden den Zug "so schön".

Als die ersten Wagen an ihm vorbeiziehen, springt Fadi von seinem kleinen grünen Klappstuhl aus Holz auf und zückt sein Handy. "Ich muss das filmen. Für meinen Vater und meinen Bruder in Syrien", sagt er. Der 17-Jährige hat sich für seinen ersten Karnevalszug sogar ein bisschen verkleidet. Seine Patin Brigitte Tiggeler hat ihm eine rote Kappe von der KG Schöpp op mitgebracht. Fadis Mutter trägt eine weiße Kappe mit Ansteckern und eine rote Clownsnase. Sie hat eine Plastiktüte mitgebracht, um Kamelle zu fangen.

Fadi und seine Mutter sind seit ein paar Monaten in Gladbach, sie sind geflohen vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimatstadt Homs. Bei einem Bombenanschlag hat Fadi beide Beine verloren, er läuft mit Prothesen. Fadis Vater und sein Bruder sind noch in Syrien, die Familie hofft darauf, bald wieder zusammen zu sein. Doch dafür brauchen Fadi und seine Mutter erst einmal eine Aufenthaltsgenehmigung.

Viele Sorgen plagen die kleine Familie. Und doch wollen sie in ihrer neuen Heimat mitfeiern, den Karneval erleben. Damit sie nicht ganz unvorbereitet in den Trubel geraten, haben Dietmar und Brigitte Tiggeler, die sich ehrenamtlich um die beiden kümmern, vorgesorgt. "Mein Mann hat einen kleinen Vortrag vorbereitet, in denen wir ihnen die deutschen Feiertage und auch Karneval erklärt haben", sagt Brigitte Tiggeler. Dass die Frauen den Männern an Altweiber die Krawatten abschneiden, habe bei den Flüchtlingen für besondere Belustigung gesorgt.

Als die Spreewaldgurken verteilt werden, freut sich Fadis Mutter sehr. "Die esse ich so gerne, so etwas gibt es in Syrien auch", sagt sie. Mit Begeisterung sammelt sie alles ein, was ihr vor die Füße fällt. Fadi hat an seinen Krücken unten einen Saugnapf und kann so die Süßigkeiten aufpicken. Beide können bisher nur ein paar Worte Deutsch, aber Fadi spricht Englisch.

"Wo kommen die Süßigkeiten denn überhaupt her, wer bezahlt die denn?", will er wissen. Seine Augen werden immer größer, je mehr er über den Karneval erfährt. "Wie, in Köln ist der Zug noch viel größer? Größer als der hier? Das kann doch gar nicht sein!", sagt er.

Fadi hat Fragen über Fragen. Als der Wagen mit dem Tierpark-Motiv vorbeifährt, will er wissen, was das denn nun wieder zu bedeuten hat. Und er versteht schnell. "Ach so, im Karneval macht man sich also auch über Leute lustig", sagt er. Als später der Wagen mit dem Berliner Flughafen vorbeifährt, will er natürlich auch wissen, welche Geschichte denn dahintersteckt.

Natürlich kann nicht nur Fadi etwas lernen, sondern auch die Deutschen. "In Syrien gibt es auch solche Umzüge. Aber nur mit Musik, ohne Kostüme. In den Vierteln in Homs, in denen die Christen leben, gibt es zu Ostern und zu Weihnachten so etwas", erzählt Fadis Mutter.

Ihr Fazit zum Karneval: "So beautiful!" - zu deutsch: "So schön!"

(RP)
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