Redaktionsgespräch Mathis Wiesselmann Karneval ist mehr Polizei auf der Straße

Mönchengladbach · Der Polizeipräsident spricht über die Folgen der Ereignisse von Köln, über Sicherheit und Videoüberwachung in Gladbach, Ermittlungen gegen Rocker und steigende Einbruchszahlen.

 Auch im Gladbacher Karneval will die Polizei dieses Jahr mehr Präsenz zeigen.

Auch im Gladbacher Karneval will die Polizei dieses Jahr mehr Präsenz zeigen.

Foto: dpa, Martin Gerten

In diesen Tagen kommen wir nicht umhin, über die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln zu sprechen. Sie leben in der Nähe von Köln und haben lange mit Polizeipräsident Albers zusammengearbeitet. Fühlen Sie mit den Kollegen?

Wiesselmann Ich bin natürlich sehr berührt durch die Vorfälle und die ganze Entwicklung. Ich habe Wolfgang Albers als ausgesprochen kompetenten, intelligenten und menschlichen Chef erlebt. Ansonsten kann und werde ich die Vorfälle und die Arbeit der Kollegen in Köln selbstverständlich nicht kommentieren.

Welche Folgen haben die Ereignisse in Köln für die Arbeit der Polizei in Mönchengladbach?

Wiesselmann Mönchengladbach ist eine Stadt anderer Größe und hat auch andere Gefahrenpotenziale. Sexuelle Übergriffe aus Migrantengruppen heraus in dieser Größenordnung gab es als Phänomen bisher nicht, und deswegen sehen wir die Vorgänge natürlich mit großer Aufmerksamkeit und werden uns entsprechend vorbereiten - auch auf mögliche Angriffe gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Die gab es in Köln auch. Wir werden in der Sicherheitskonferenz darüber beraten und ein Konzept erarbeiten. Sicher ist, dass wir mit offenen und verdeckten Maßnahmen auf der Straße sein werden. Unser Einsatzkonzept wird dahingehen, Straftaten, gleichgültig von wem sie begangen werden, im Keim zu ersticken. Dazu werden wir mehr Personal zu Karneval einsetzen als üblich.

Was kann man präventiv tun?

Wiesselmann Es gibt junge Männer, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, die lernen müssen, dass Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt sind und dass alle sich frei bewegen. Gerade im Vorfeld des Karnevals und der damit verbundenen Ausgelassenheit muss klar gemacht werden, was geht und was nicht geht. Wobei wir nicht nur die erreichen sollten, die gerade erst gekommen sind. Häusliche Gewalt und damit Gewalt gegen Frauen und Kinder aus der Mitte der Mönchengladbacher Bevölkerung ist Realität. Wir hatten in Mönchengladbach im vergangenen Jahr diesbezüglich 283 Einsätze und insgesamt 573 Strafanzeigen.

Wie sieht es mit verstärkter Polizeipräsenz aus? Auch in Gladbach kennt man aus der Altstadt das Phänomen der Antänzer, die sich hier allerdings auf betrunkene Männer konzentrieren.

Wiesselmann Wir erproben gerade ein verändertes Schichtdienstkonzept, das mit einer weiteren Schicht arbeitet, so dass wir im neuralgischen Zeitfenster, nämlich an den Freitag- und Samstagnächten des Jahres deutlich mehr Beamte im Einsatz haben. Am zweiten Januar- Wochenende wurde das erstmals umgesetzt und wir haben sehr positive Erfahrungen gemacht. Es gab deutlich mehr Festnahmen und wir haben unter anderen auch Personen aus der Antänzerszene aufgegriffen. Insgesamt haben wir 22 Personen in Polizeigewahrsam genommen.

Wie hilfreich ist bei solchen Einsätzen die Videoüberwachung? Sollte sie ausgeweitet werden?

Wiesselmann Bei den verstärkten Einsätzen am Wochenende ist die Videoüberwachung sehr wichtig. So können Personengruppen erkannt und es kann gezielt eingegriffen werden. Das war sicher ein Erfolgsfaktor. Der Videoüberwachung sind aber enge rechtliche Grenzen gesteckt. Es muss einen Kriminalitätsschwerpunkt geben, und den haben wir in Gladbach nur am Alten Markt.

Von der Polizei wird immer mehr verlangt. Ist das mit dem vorhandenen Personal noch leistbar?

Wiesselmann In 99 Prozent aller Stunden im Jahr können wir alles leisten, was von uns erwartet wird. Allerdings arbeiten die Kollegen am Anschlag und es gibt auch einen Berg an Überstunden. Mehr Personal ist natürlich der Traum aller Verantwortlichen, nicht nur bei der Polizei. Es werden auch deutlich mehr Polizisten eingestellt, und dafür bin ich dankbar. 1900 Kommissarsanwärter wurden im vergangenen Jahr landesweit eingestellt, und das soll voraussichtlich auch in den nächsten Jahren so weiter gehen. Damit federn wir den demographischen Wandel ab und gehen vielleicht auch mit einem kleinen Plus raus.

Wie ist die Stimmungslage bei der Polizei? Fühlt sie sich als Prügelknabe?

Wiesselmann Nichts motiviert mehr als der Erfolg. Der Einsatz am letzten Wochenende hat die Kollegen motiviert, weil sie etwas erreicht haben. Die Stimmungslage ist differenziert, aber insgesamt habe ich bei meinen Besuchen in allen Bereichen sehr engagierte Kollegen getroffen. Die Kollegen wissen: 80 Prozent der Bevölkerung hat Vertrauen in die Arbeit der Polizei. Andere Berufsgruppen träumen von so viel Zuspruch.

Der Kölner Polizei wurde vorgeworfen, die Nationalität der Täter verschwiegen zu haben.

Wiesselmann Grundsätzlich verfolgen wir Straftaten, die Nationalität ist uns vollkommen egal. Deshalb müssen wir auch nicht über die Nationalität von Straftätern Rechenschaft ablegen. Wenn aber spezifische Gruppen bestimmte Straftaten begehen, rechtfertigt das das Reden über die Nationalität.

Wie entwickeln sich die Straftaten im Zusammenhang mit Asylbewerbern?

Wiesselmann Wir hatten im vergangenen Jahr monatlich 26 Einsätze im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Flüchtlingsheimen. Das ist bei insgesamt 6000 Einsätzen verschwindend gering. Die Kriminalitätsrate unter Flüchtlingen ist bisher etwas geringer als unter der schon länger ansässigen Bevölkerung. Wenn statt 2000 Flüchtlingen 2000 Münchner oder Kölner in die Stadt gezogen wären, wären die Kriminalitätszahlen vergleichbar.

Ein anderes Thema: Die Zahl der Einbrüche scheint anzusteigen.

Wiesselmann Ja, das stimmt. Die Zahl steigt, wir haben im letzten Jahr wohl wieder die Zahl von 2012 erreicht, nachdem wir 2013 und 2014 einige Erfolge zu verzeichnen hatten. Die meisten Einbrüche werden von hochprofessionellen reisenden Tätergruppen verübt. Das Projekt Brennpunktorientierte Kriminalprävention soll entgegen wirken. Wir sind nach Einbruchsserien in Uniform vor Ort, befragen Zeugen und motivieren immer wieder zur Aufmerksamkeit und dazu, im Verdachtsfall die 110 zu rufen. In Düsseldorf konnte jetzt eine Einbrecherbande auf Grund der Aufmerksamkeit eines Einzelnen gefasst werden, der eine Autonummer notiert hatte. Bürger sollten uns alle verdächtigen Feststellungen, nicht nur beim Wohnungseinbruch, mitteilen. Sie können das entscheidende Puzzleteil bei der Aufklärung von Straftaten sein.

Ist Mönchengladbach immer noch eine Salafistenhochburg?

Wiesselmann Wir beobachten die Szene mit viel Energie. Die Salafisten in Bonn oder Remscheid sind auffälliger, aber Mönchengladbach ist in der Szene bekannt. Aber unser Staatsschutz leistet hier hervorragende Arbeit, deswegen konnten ja auch die Syrienrückkehrer in Mönchengladbach festgenommen werden. Zuletzt der bekannte Salafistenprediger Sven Lau. Ein großer Erfolg.

Rocker werden in der Öffentlichkeit nicht in dem Maße als Gefahr wahrgenommen wie andere Gruppen.

Wiesselmann Das liegt daran, dass es sich um organisierte Kriminalität handelt, die Öffentlichkeit nimmt das gar nicht wahr. Aber die Rockerromantik ist seit Jahrzehnten Geschichte. Wir müssen als Polizei zeigen, dass wir keine Parallelstrukturen dulden. Wir sind mit einer eigens eingerichteten Kommission dabei, mit großer Intensität in diesem Bereich zu ermitteln.

Für wie groß halten Sie die Terrorgefahr in Mönchengladbach?

Wiesselmann Wir gehen seit den Anschlägen von Paris auf die Redaktionsräume von Charlie Hebdo von einer hohen abstrakten Gefahrenlage aus, aber es gibt für Mönchengladbach nichts Konkretes. Die Symbolwirkung von Anschlägen in Mönchengladbach ist sicher untergeordnet, aber wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen. Im Zweifelsfall entscheiden wir für die Sicherheit, genauso wie das in München in der Silvesternacht geschehen ist.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN ANGELA RIETDORF, GABI PETERS, RALF JÜNGERMANN UND ANDREAS GRUHN.

(arie)
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