Mönchengladbach Vom Kirchenchor zur jecken Instanz

Mönchengladbach · Die KG Hau Ruck Eicken wird in dieser Session 66 Jahre alt. Mit Andrea Berg und Mirja Boes traten in den 90ern zwei Sängerinnen auf, die damals noch niemand kannte. Die Gesellschaft gründete 2009 den Eickener Veedelszoch.

 1952 feierte man noch im feinen Zwirn. Später trug der Elferrat Kostüm. Im Gladbacher Hauptbahnhof organisierte man eine Zugabfahrt.

1952 feierte man noch im feinen Zwirn. Später trug der Elferrat Kostüm. Im Gladbacher Hauptbahnhof organisierte man eine Zugabfahrt.

Foto: Hau Ruck/ Raupold (archiv)

Karneval und Kirche sind eng miteinander verbunden, denn vom Wortsinn her bedeutet Karneval, auf Fleisch zu verzichten. Da wundert es nicht, dass Ende 1950 im Haus Schneiders in Untereicken der Kirchenchor St. Elisabeth zusammensaß und darüber sprach, karnevalistisch aktiv zu werden. Am 12. Januar 1951, also nur wenige Wochen später, feierte der Kirchenchor im Neuwerker Saal Maas eine Karnevalssitzung. Der Abend gelang so gut, dass man kurzerhand beschloss, eine Karnevalsgesellschaft zu gründen. Winand Neuenhofer war einer der Männer, die damals die Gründung initiierten. Er sagte einmal: "Wir machen alles mit hau ruck". Der Name der neuen Gesellschaft war geboren. Ein Jahr später meldete man sich beim Ordnungsamt offiziell als Verein an. Peter Jansen war der erste Vorsitzende der Gesellschaft.

In den Folgejahren war bei der KG Hau Ruck einiges los. 1954 trat die Gesellschaft dem Bund Deutscher Karneval bei und wurde in den damaligen Festausschuss Mönchengladbacher Karneval aufgenommen. Im selben Jahr nahm man erstmals am Veilchendienstagszug teil. Weil es damals in Eicken keinen größeren Saal gab, veranstaltete die Gesellschaft ihre Sitzung im Haus Schellen in Korschenbroich-Pesch. Im Gladbacher Karneval brachte diese Strategie den Mitgliedern schnell den Spitznamen "Export-Karnevalisten" ein. Erst seit 1983, als die Eickener Mehrzweckhalle fertiggestellt wurde, feiert die KG Hau Ruck in Eicken. 1959 gründete die Gesellschaft ein eigenes Fanfarencorps. Kurios wurde es 1966. Damals gewann man Kurt Netzler, den Kantinenpächter der Firma Monforts, als Sponsor für das Fischessen. Als er das Mahl zubereitete, ging die Küche in Flammen auf. Der Fisch war hinüber. Stattdessen gab es eingelegte Heringe.

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Foto: Raupold Isabella

Zwei Ereignisse, an die sich in Eicken noch jeder erinnert, geschahen Ende der 70er-Jahre. 1978 stellte die KG Hau Ruck mit Markus Hamraths den Stadtkinderprinzen und ein Jahr später mit Andrea Janssen die Stadtkinderprinzessin. Einen bedeutenden Einschnitt brachte das Jahr 1983, als man endlich Sitzungen im eigenen Stadtteil feiern konnte. Die Sitzungen wurden von der Eickener Bevölkerung prompt angenommen. Die 90er-Jahre brachten der Gesellschaft eine tiefe Krise. Zuerst schloss der Vereinswirt seine Gaststätte und die KG Hau Ruck verlor ihre Bleibe. Innerhalb der Gesellschaft gab es Streitigkeiten. So traten 1994 gleich vier Vorstandsmitglieder geschlossen zurück. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung brachte die Gesellschaft auf einen neuen Weg.

Ende der 90er gelangen der Gesellschaft zwei Coups, die heute für die KG Hau Ruck wohl unbezahlbar wären. "Kurz vor ihrem aller ersten Fernsehauftritt haben wir Andrea Berg als Sängerin verpflichtet. Damals kannte sie noch keiner", erinnert sich Präsident Heinz Bierbaum. Auch Mirja Boes trat unter ihrem Künstlernamen "Möhre" als Sängerin bei der KG Hau Ruck auf. "Zu diesem Zeitpunkt war sie ein Mädchen aus Viersen. Bekannt wurde sie erst später", erzählt Bierbaum. 1998 gründete die KG Hau Ruck den Prinzenstammtisch, der heute eine Institution ist. Stolz ist man auch darauf, 2002 eine eigene Kindergruppe gegründet zu haben. Geholfen hat dabei die "KG hotte hüü" aus Wickrath. Diese Gesellschaft gibt es heute nicht mehr.

Das Ende des vergangenen Jahrzehnts brachte wieder tiefe Einschnitte. 2007 gab die KG Hau Ruck ihre Damensitzung auf. 2009 entschied man sich, die große Kostümsitzung bei freiem Eintritt zu feiern. Das Konzept ging auf. Umsatz brachten die Getränke. Im selben Jahr rief der damalige Präsident Klaus-Peter Schmitz den Eickener Veedelszoch ins Leben. Die Altweiberfete gewann zunehmend an Popularität. Heute gehört sie zu den angesagtesten Veranstaltungen an diesem Tag. Die Eickener Festhalle ist stets rappelvoll. 2010 trat Klaus-Peter Schmitz zunächst als Präsident zurück und verabschiedete sich dann komplett aus der Gesellschaft. Die Tanzgruppe nahm er mit. Nach ihm traten 20 weitere Mitglieder aus. Erneut galt es, sich intern neu aufzustellen.

Durch gute Kontakte zur Deutschen Bahn gelang es, eine Veranstaltung auf Gleis 1 des Gladbacher Hauptbahnhofs zu organisieren. Dort durfte der Prinz "einen fahren lassen", wie die Karnevalisten gerne scherzten. Die Tollitäten gaben nämlich mit einer Kelle das Signal zu einer Zugabfahrt. Später übernahm die KG Kinner jloevet die Veranstaltung. Weil die Bahn die Abfahrt im Bahnhof untersagte, ließ man eine Modelleisenbahn in einer Kneipe fahren. Heute gibt es diese Tradition nicht mehr. Wohl aber eine Jubiläumssitzung zum 66-jährigen Bestehen. Die steigt am Samstag, 11. Februar, ab 20 Uhr in der Eickener Mehrzweckhalle. Der Eintritt ist frei. Eine Platzreservierung unter 0172 2415927 oder kghauruck@aol.com ist erforderlich.

(cli)
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