Mönchengladbach Kinder lernen, über Gefühle zu reden
Mönchengladbach · "Klasse 2000", ein Programm zur Sucht- und Gewaltprävention bringt Gesundheitsvorsorge an Grundschulen, um die Widerstandsfähigkeit und das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken. Finanziert wird das Projekt mit Patenschaften.
Ein grauer Januarvormittag, leichter Nieselregen. Sigrid Meyer (58) überquert den Schulhof der Gemeinschaftsgrundschule an der Schulstraße, schüttelt kurz ihren Regenschirm und navigiert behutsam aber entschlossen die Stufen zum Schuleingang hinauf durch den Strom der 280 Grundschüler, für die es grade zur Spielpause geläutet hat. Sie ist hier, um "Klasse 2000" vorzustellen. 1991 von Medizinern und Pädagogen entwickelt, ist es das größte Programm zur Suchtvorbeugung, Gesundheitsvorsorge und Gewaltprävention für Schulkinder. Bislang haben eine Million Kinder teilgenommen.
An diesem Morgen begleitet Ludwig Quacken sie. Er ist stellvertretend für seinen Rotary-Club hier, dessen Präsident er bis letztes Jahr war. Die Rotarier unterstützen das Projekt. "50.000 bis 60.000 Euro sammelt allein unser Club jedes Jahr. Das, was wir fördern, ist immer auf Nachhaltigkeit angelegt."
Für Schulleiterin Hiltrud Rosen (62) und Ulla Funkel (46), Thomas Thiele (52) und Inge Worms (61), die Klassenlehrer der ersten Klassen, beginnt heute die Zusammenarbeit mit "Klasse 2000". Sie freuen sich, dass der Rotary-Club die Patenschaft für vier Jahre übernimmt. Damit ist die Schule eine von zunächst zwei Grundschulen, für die der Club je 220 Euro pro Jahr und Klasse finanziert.
"Über vier Jahre vermitteln wir kontinuierlich Gesundheitswissen in aufeinander aufbauenden Unterrichtseinheiten", erläutert Meyer, "In der ersten Klasse beschäftigen wir uns mit der Atmung, in der zweiten mit dem Bereich Nahrung, in der dritten mit dem Herz-Kreislaufsystem und in der vierten Klasse mit dem Gehirn." Eingebettet in diese Struktur werden die wichtigen Themen der gesundheitlichen Vorsorge behandelt: Die Bandbreite reicht von körperlichen Aspekten wie "gesund essen und trinken" über seelische Aspekte wie "sich selbst mögen und Freunde haben" und Fragen des kommunikativen Miteinanders wie etwa "Probleme und Konflikte lösen", bis hin zur Entwicklung der Persönlichkeit, wie zum Beispiel "kritisch denken".
"Klasse 2000" soll zur Gewaltprävention beitragen. 10 bis 20 Prozent der Kinder im Schulalter weisen ein problematisches Sozialverhalten auf, davon betroffen sind fünf mal häufiger Jungen als Mädchen. Ein positives Selbstwertgefühl, gute Beziehungen zu Bezugspersonen und Freundschaftsbeziehungen wirken sich positiv auf das Sozialverhalten aus. Experten nennen das die "Resilienz", also die Widerstandskraft der Kinder stärken. "Diese Programminhalte der Unterrichtseinheiten sind wichtige Elemente, wenn es darum geht, im Kindesalter ein Handlungsrepertoire zur Konfliktlösung aufzubauen." Gefördert würde die Wahrnehmung der Gefühle, sowohl der eigenen, als auch derer anderer, die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen, wie etwa Empathie, Problemlösefähigkeiten im Falle von Konflikten, oder auch die Fähigkeit, sich im Konfliktfall zurückzuhalten und nicht mit körperlicher Gewalt zu reagieren. Geübt werden auch prosoziale Verhaltensweisen, etwa Komplimente auszusprechen, Komplimente entgegenzunehmen oder auch das Formulieren von Entschuldigungen.
"Klasse 2000" gibt den Lehrern Unterrichtsvorschläge inklusive aller nötigen Materialien an die Hand. Die "Klasse 2000-Gesundheitsförderer", speziell geschulte Fachleute aus Medizin und Pädagogik wie Sigrid Meyer, gestalten die Auftaktveranstaltungen in die einzelnen Unterrichtseinheiten und begleiten die Lehrer anschließend durch das Programm. Die Experten stellen an Elternabenden das Programm vor und verteilen Informationsmaterial, das die Organisation in zwölf Sprachen bereit stellt. So können auch Familien integriert werden, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. An der Grundschule Schulstraße stammen derzeit 200 der 280 Schüler aus Familien mit Migrationshintergrund.