Serie Denkanstoss Kirchturmhahn und Osterfest

Mönchengladbach · Er grüßt seit mehr als tausend Jahren von hoher Kirchturmspitze die Welt und die Menschen, der Wetterhahn. Schon ein kurzer Blick zu ihm hinauf zeigt, woher der Wind weht. In früheren Zeiten eine wichtige Information, hilft sie doch, das Wetter für den anstehenden Tag zu deuten. Aber auch in Zeiten der Not ist es ratsam, auf ihn zu schauen, bestimmt doch die Windrichtung, wohin die Feuersbrunst sich bewegt und welche Deiche beim Hochwasser besonders gefährdet sind. Der Kirchturmhahn ist von Anfang an immer mehr als schmückendes Beiwerk! Daher wundert es nicht, dass er neben funktionalen Aufgaben auch symbolische Bedeutungen besitzt. So wird er als Wächter verstanden, der die Menschen an die biblische Wachsamkeit erinnern soll (Mk 13,35). Denn jeder Einzelne steht in der Gefahr, in den Alltäglichkeiten des Lebens, seinen Höhen und Tiefen, das Wesentliche des Daseins zu versäumen. Doch vor allem verweist er auf den dramatischsten und folgenreichsten Hahnen-Vers der Hl. Schrift: "Ehe der Hahn kräht, wirst Du mich dreimal verleugnen." (Mt 26,75)

Der Hahnenschrei öffnet keinem Geringeren als Petrus die Augen für die Abgründe, die er in sich trägt. Denn in der Stunde der Bewährung erweisen sich seine Worte, seine Schwüre, seine Liebe als Makulatur, und indem er leugnet, ein Jünger Christi zu sein, besiegelt er auf seine Weise den Verrat von Judas Iskariot. Natürlich mag man Petrus zugutehalten, dass es eine Extremsituation ist, wo er wankelmütig wird, wo seine Kräfte schwinden und seine Angst wächst. Aufgewühlt und verwirrt, übernächtigt und bedroht, bis in die Grundfesten der Existenz erschüttert, erfährt Petrus die brutalen Geschehnisse um seinen Meister. Wo es um Kopf und Kragen geht, da kann man schon seinen Kopf verlieren. Aber darf auch das Herz verloren gehen? Ist nicht gerade der Ernstfall der Gradmesser der Wahrhaftigkeit, die eigentliche Bewährungsprobe, für wen wirklich das Herz schlägt? In Stunden des Glückes ist jeder gerne guter Freund.

Verrat und Verleugnung stehen am Beginn der Passion, an deren Ende aber nicht der Tod das Schlusswort spricht, sondern in der Auferstehung Jesu Christi das Leben! Die Kar- und Ostertage laden uns ein, sich diesem unbegreiflichen Geheimnis der Liebe Gottes anzunähern, damit wir neu erkennen, dass am Ende unseres Lebens nicht das Nichts auf uns wartet, sondern Ewigkeit. Und der Kirchturmhahn will uns daran erinnern, dass es keine vergangenen Ereignisse sind, deren wir feierlich gedenken. Denn wo immer wir uns dem Bösen öffnen und uns der guten Tat verschließen, da verraten und verleugnen wir auch heute diese unerschöpfliche Liebe Gottes zu uns. So mahnt der Blick zur Kirchturmspitze, dass auch wir uns im Ernstfall der Liebe immer wieder zu bewähren haben.

Als der Hahn krähte, begriff Petrus und weinte bitterlich. Erkenntnis bewegt zur Reue, die wiederum zum Bekenntnis führt. So wird Petrus zum großen Zeugen der Auferstehung, die ihm neue ungeahnte Lebenskraft schenkt, so dass er vorher Unvorstellbares zu leisten vermag, und ihm eine Freude am Leben eröffnet, die selbst der Tod nicht brechen kann. Durch die Begegnung mit der erlösenden Liebestat Gottes wird Petrus aus den alten Verstrickungen des Bösen gelöst und damit fähig, wirklich seinem Herzen zu folgen und die Freiheit der Liebe zu leben. Auch diese Botschaft will uns der Kirchturmhahn ins Gedächtnis rufen, dass Erlösung jedem Menschen geschenkt ist! Wir müssen uns nur aufmachen und uns von dieser Liebe Gottes berühren und erlösen lassen. Genau dies ist Ostern, genau dann erleben wir Ostern!

KLAUS HURTZ IST PFARRER VON ST. MARIEN, RHEYDT, UND VOM TROSTRAUM ST JOSEF, GRABESKIRCHE

(RP)
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