Mönchengladbach Kraftwerks-Unfall: Gericht erwartet einen Mammutprozess

Mönchengladbach · Zwischen RWE Power und dem Konsortium Hitachi/Alstom gibt es keine Einigung. Die Verfahren vor dem Landgericht werden voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

 Welche Rolle hat der Unfall beim Bau des BoA-Kraftwerks bei der Bauverzögerung gespielt? Dieser Frage muss das Landgericht Mönchengladbach jetzt nachgehen.

Welche Rolle hat der Unfall beim Bau des BoA-Kraftwerks bei der Bauverzögerung gespielt? Dieser Frage muss das Landgericht Mönchengladbach jetzt nachgehen.

Foto: Hans-Peter Reichartz

Am kommenden Sonntag wird Almut Oudijk, Vorsitzender Richterin der 11. Zivilkammer am Landgericht Mönchengladbach, 50 Jahre alt. Warum das für die drei milliardenschweren Zivilverfahren im Zusammenhang mit dem Bau des RWE-Braunkohlekraftwerks Neurath von Bedeutung ist? Weil Almut Oudijk gestern, bei den ersten gerichtlichen Güte- und Verhandlungsterminen, den Parteien zu bedenken gab, die Dauer der Verfahren könnte - so sie wie beantragt und ohne (Teil-)Einigungen durchgezogen werden - ihre, also Oudijks, Pensionsgrenze erreichen. Bei Richtern liegt diese in der Regel bei 65 Jahren.

Um das vorwegzunehmen: Eine Chance auf Einigung, jedenfalls in den entscheidenden Punkten, besteht nicht. Zu gegensätzlich sind die Positionen, zu schwerwiegend die gegenseitigen Vorwürfe. Zusammengefasst wird darüber gestritten, welche Rolle der tödliche Unfall beim Kraftwerksbau im Jahr 2007 für die 55-monatige Verzögerung bis zur Fertigstellung der Anlage spielt und, ob dieses Unglück vorhersehbar und vermeidbar war.

Rückblick: 2003 beauftragt die RWE Power AG (Essen) ein Konsortium von Werkunternehmern, bestehend aus der Hitachi Power Europe GmbH (Duisburg), der Hitachi Ltd. (Japan) und der Alstom Power Systems GmbH (Mannheim), mit der Errichtung von Dampferzeugern für die Blöcke F und G des BoA-Kraftwerks in Neurath. Vertraglich umfasst ist die Planung, Konstruktion, Fertigung, Montage und Inbetriebnahme der Anlagen. Eine Klausel sieht einen Haftungsausschluss für den Fall vor, dass es aufgrund von höherer Gewalt nicht oder verspätet zur Inbetriebnahme kommt.

Streitig ist, ob das, was dann 2007 passiert ist, höhere Gewalt oder als "betriebsinternes Ereignis" (RWE) nach menschlichem Ermessen vorherseh- und verhinderbar war. Fakt ist, dass sich am 25. Oktober in Block F ein etwa 450 Tonnen schweres Konstrukt aus Stahlträgern aus 100 Metern Höhe löst, zu Boden stürzt und unter anderem eine Kesselwand durchschlägt. Drei Arbeiter kommen bei dem Unglück ums Leben, sechs weitere werden zum Teil schwer verletzt.

Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach nahm damals Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung auf. Der Unfallbereich wurde beschlagnahmt, laut Gericht für etwa acht Monate. Ein Gutachter kam zu dem Ergebnis: Unfallursache waren vier nicht ausreichend kompakt am Träger montierte Knotenpunkte; das Gewicht des Gerüsts war so groß, dass der Träger nicht halten konnte. Einen strafrechtlich Verantwortlichen ermittelte die Staatsanwaltschaft nicht. Das Verfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Der Bau der Anlage verzögerte sich. Das ist unstreitig.

Mitte 2012 hat RWE Klage auf Ersatz der durch die verspätete Fertigstellung entstandenen Schäden - im Wesentlichen entgangene Erlöse und Mehrkosten - eingereicht. Insgesamt belaufen die sich auf rund 1,4 Milliarden Euro. Der Unfall, sagt das Unternehmen, habe dabei keine gravierenden Auswirkungen auf die 55-monatige Verzögerung gehabt. Vielmehr sei diese durch erhebliche Pflichtverletzungen des Konsortiums, unter anderem im Bereich der Planung, Fertigung und Montage, entstanden. Diese hätten sich bereits vor dem Unglück abgezeichnet. Das Konsortium bestreitet und klagt seinerseits auf Zahlung von etwa 290 Millionen Euro - Vergütungsansprüche aus den Arbeiten an den Anlagen. In einem dritten Verfahren begehrt RWE die Feststellung, dass dem Konsortium weder weitere Vergütungsansprüche noch ein Anspruch auf Bauzeitverlängerung zustehen. Eine schnelle Klärung ist ausgeschlossen. Allein strittige Einzelposten mit einem Volumen von sieben Millionen Euro könnten nur mit zahlreichen Zeugen und Sachverständigen geklärt werden. Die Kammer strebt einen Teilvergleich an. "Staatliche Gerichte sind nicht für einen solchen Fall gewappnet", betonte Almut Oudijk gegenüber den Parteien. "Ihre Verfahren sind nur drei Verfahren von 400." WIRTSCHAFT

(RP)
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