Mönchengladbach Kreativ mit Farben, Beats und Textil

Mönchengladbach · Sein Blick ist nervös, er streicht sich über den kurzen Bart. Für Fotos posen, das sei nicht sein Ding, sagt Can Demirezen. "Ich weiß, ich sehe nicht aus wie der typische Informatikstudent", sagt der 25-jährige Gladbacher. Er hat seinen persönlichen Stil - und entwirft auch eigene Mode. Seine Kreativität lebt er aber nicht nur auf Stoff, sondern auf dem Mischpult aus.

 Alle Kleidungsstücke, mit denen er arbeitet, testet Demirezen zu Beginn selbst – manchmal auch auf Festivals.

Alle Kleidungsstücke, mit denen er arbeitet, testet Demirezen zu Beginn selbst – manchmal auch auf Festivals.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)/Ilgner,Detlef (ilg)

Als Musiker, Künstler, Designer und angehender Wirtschaftsinformatiker hat Can Demirezen viel zu tun. Tagsüber bei einem Wirtschaftsprüfer in Düsseldorf geht er seinem Büro-Job nach, abends legt er in Techno-Clubs auf.

Musik habe ihn schon seit der Kindheit angezogen, sagt er. Genres schränkten seinen Geschmack nicht ein: Metal, Rap und Hip-Hop standen schon früh auf der Liste, und jetzt legt er seit 2010 Techno auf. Unter dem Künstlernamen Safado hat er sogar eine Tour in Ägypten gehabt, berichtet der junge Gladbacher. "In meiner Freizeit höre ich zurzeit aber fast nur Hip-Hop", sagt er. "Techno reißt eigentlich nur richtig mit, wenn man über eine große Anlage spielt und die Atmosphäre stimmt." Mehrere Stücke hat er bereits rausgebracht, auch auf Vinyl - unter anderem beim genre-bekannten Label "Traumschallplatten" in Köln.

Seine Zukunft hatte er als Kind und Teenager noch weniger aussichtsreich vor Augen. Mit vier Jahren setzten seine Eltern ihn aus. "Großgezogen haben mich meine Oma und Onkel, die Brüder meiner Mutter." Als er etwa 20 Jahre alt war, habe sie Kontakt gesucht. "Der Zug ist abgefahren", sagt Demirezen. Er habe früh begonnen, sich damit abzufinden, keine Eltern zu haben. "Ich trug als Kind deswegen aber viel Wut in mir." Auch heute sei sie noch da, aber er habe gelernt, damit anders umzugehen. "Ich habe mich früher viel geprügelt, bin fast von der Schule geflogen", erzählt er. "Nicht, weil ich dumm war - sondern wegen meines Verhaltens." Heute verarbeitet er seine Gefühle in Gemälden, auf Papier oder Stoff. Er habe sich für ein Leben abseits von Gewalt und Hass entschieden, sagt der 25-Jährige.

Aus einer "Malocherfamilie" komme er, sagt Demirezen selbst. Einer türkischen Familie. Er sagt aber ganz klar: "Ich bin Rheinländer", auch wenn beide Kulturen zu seinem Leben gehören. Die Großmutter war früher Näherin, später Kioskbetreiberin, der mittlerweile verstorbene Großvater - Gastarbeiter in einer Spinnerei. Einer der Brüder ist selbstständig als Schweißer. "Fehlt nur noch, dass jemand einen Gemüseladen aufmacht", sagt der gebürtige Odenkirchener und lacht.

 Die handbemalten Jacken und Pullover sind Einzelstücke.

Die handbemalten Jacken und Pullover sind Einzelstücke.

Foto: Ilgner

Er sei der erste in der Familie mit einem Abitur - und nun auf dem Weg zum Abschluss an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, betont er stolz. Auch ohne Rückhalt der Eltern habe er sein Leben fest im Griff. Auch wenn der Student sagt, es sei lange her - er wirkt immer noch empört. Wütend. Verständnislos. Seine Eltern habe er jedoch nie gefragt: "Warum?".

Gerne würde er seinen Weg mit der Musik und Mode machen. Aber "ich muss auch mein festes Geld verdienen", sagt Demirezen. Daher das Studium - das ihm aber auch Spaß mache. Er selbst sieht sich später in der Software-Beratung. Auch, weil er gerne spricht und mit Menschen Kontakt hat. Zurzeit arbeite er aber neben dem Studium täglich an seiner ersten Modelinie "Midnight". Von den ersten 30 Hoodies, die er von Hand bemalt hat, seien alle bereits verkauft. 45 Euro kosten die Pullis.

Doch der größte Hingucker sind veredelte Levi's-Jeans-Jacken. Von Hand malt er eigene Bilder auf das Textil - die fertigen Stücke liegen bei 150 Euro. Die Jacken halten lange, sagt er selbst. Alle Kleidungsstücke, mit denen er arbeitet, habe er zu Beginn selbst getestet. Manchmal auch auf Festivals: "Wenn die Klamotten das überstehen, schaffen die einiges." Alle seine handbemalten Kleider sind Einzelstücke.

Auf die Idee, seine Kunst zu Mode zu machen, brachte ihn ein Freund "Bei einer Ausstellung in Krefeld meinte er zu mir: Mach doch Kleidung mit deinen Bildern." Besonders die Hoodies stößen in Gladbach auf hohe Anfrage. "Zwei Jacken habe ich nach Amerika verkauft. Ein Musiker hatte mich angefragt, und ich habe ihm eine Jacke zugeschickt." Danach seien die ersten Anfragen aus Übersee gekommen.

Ein wenig führe er ein Doppelleben, gibt Demirezen zu. Doch genau das Spiel mit Vorurteilen und dem Überraschenden mache ihm am meisten Spaß.

Am morgigen Samstag findet an der Rathausstraße 15 in der Altstadt ein Pop-Up-Store von Can Demirezen statt. Von 20 bis 23 Uhr können Besucher Einzelstücke aus seiner Modelinie erwerben und den Künstler auch persönlich kennenlernen. Dazu gibt es kostenlose Getränke. Weitere Infos und Online-Shop unter www.candem.tk

(juz)
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