Mönchengladbach Konzertmeister verzaubert Zuhörer im Violinkonzert

Mönchengladbach · Mihkel Kütson gelang im 2. Sinfoniekonzert eine packende Uraufführung und eine betörende Schumann-Interpretation.

Das ist "krass", um neudeutsch in eine Lobeshymne einzusteigen: Da hat das Theater einen Ballettrepetitor, der auch als Solopianist spitze ist. Und nun stellt sich heraus: Der russische Musiker André Parfenov (43) ist auch ein herausragender Komponist!

Das bewies eine Uraufführung im Konzertsaal des Theaters. Das Violinkonzert von Parfenov, der bereits mit der eindrucksvollen Ballettmusik "Verlorene Kinder" aufmerken ließ, markierte (nach der sinfonischen Dichtung "Die Waldtaube" von Dvorák) den Gipfelpunkt des zweiten Sinfoniekonzerts der Niederrheinischen Sinfoniker. Dass es dazu kam, ist der besondere Verdienst des Orchesterchefs - Mihkel Kütson hatte Parfenov dazu bewogen, aus seiner Sonate "Nacht im Schloss" ein Violinkonzert zu entwickeln.

Das Ergebnis ist ein rhythmisch komplexes, aber nie überkandideltes Werk, das Inspirationen von Strawinsky (Fagott in Hochlage, motorisch-ostinate Rhythmen) ebenso wenig verleugnet wie Einflüsse des Jazz und Alban Bergs. Der hatte das Kunststück vollbracht, ein Violinkonzert in freitonaler Gestaltung zu schreiben, das dennoch "unter die Haut" geht. Ebenso erging es den etwa 500 Zuhörern im nicht voll besetzten Konzertsaal bei Parfenovs Werk. Ein gelungener Schachzug, das war die Besetzung der Solistenposition: Konzertmeister Philipp Wenger brachte die über weite Intervallsprünge gestreckten Melodien einfühlsam zum Blühen. Gern setzte er bei der Tonerzeugung ganzen Bogen ein, um den vorwiegend in Mittellage notierten Kantilenen das rechte Maß Empfindung einzupflanzen.

Dabei machte Wenger der üppige, durchaus kräftige Orchestersatz das Solistenleben nicht leicht. Parfenov hat nämlich kein Solostück mit seichter Orchester-Deko im Hintergrund geschrieben, wie es ein André Rieu zu halten pflegt, sondern er schmiegt den Solopart organisch ein in den Gesamtverlauf. Dabei dürfen auch andere - Michael Preiser am Flügel, aber auch ein fabelhaft harmonierendes Trio aus Oboe, Klarinette und Fagott am Beginn des Binnensatzes - solistische Ambitionen pflegen.

Geheimnisvoll wispernde Glissandi steuerte Gerti Endrödy an der Harfe bei. Auch sie gehörte nach dem Applaussturm neben Wenger, Kütson und Parfenov zu den beklatschten Musikern. Sinfoniker-Vorstand Martin Börner ehrte die aus Niederösterreich stammende Harfenistin zu ihrem Abschied nach 33 Jahren. Endrödy freut sich darauf, dass sie am 30. Oktober im "Maskenball" ein letztes Mal im Orchestergraben spielen wird. Da singt der Tenor 13-mal ,Addio', bevor er hinscheidet. "Das Addio gilt dann auch mir", erzählt Endrödy lachend.

Zum Lachen war dem erkrankten Robert Schumann damals ganz sicher wenig zumute, als er seine 2. Sinfonie schrieb. Von dem Kampf eines nur nach und nach Genesenden scheint auch die Partitur dieses C-Dur-Stücks zu künden. GMD Mihkel Kütson ließ die widerstreitenden Momente dieser zwischen Melancholie und ausgekostetem Glück schwankenden Sinfonie vom Orchester akkurat herausarbeiten. Vom requiemartig anhebenden Kopfsatz über das unwirsche Scherzo und die quälenden Seufzervorhalte im Adagio bis hin zum triumphalen Finale von beethoven'schem Kaliber. Toll!

(ri-)
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