Serie Was Macht Eigentlich? Peter Brockers - Kämpfer und Heilpraktiker

Mönchengladbach · Hart und gezielt "zuschlagen", aber rechtzeitig abstoppen und den Gegner nicht verletzen. Peter Brockers betreibt die Karate seit 55 Jahren, hat beim Studium in Japan den Titel Shihan, das heißt Großmeister, erlangt. Als Heilpraktiker vertraut er auf die Kraft der Natur.

Günter Netzer hätte ihn Anfang der 70 Jahre gerne für seine Altstadt-Diskothek Lovers Lane gehabt. "Aber da war ich schon nebenan im damaligen Number One unter Vertrag", erzählt Peter Brockers. Er legt großen Wert darauf, dass sein Job nicht der des "Rausschmeißers" war, sondern des Geschäftsführers, der aber auch als Barmixer hinter dem Tresen stehen konnte: "Das habe ich in Tokio gelernt", sagt der heute 70-Jährige.

Kraft und "Kampfausbildung" hätte Peter Brockers freilich auch als Rausschmeißer gehabt. Und das imponierende oder vielleicht auch furchterregende Aussehen ebenfalls. Doch der junge Mann, gelernter Stahlbauschlosser und Kaufmannsgehilfe, lenkte möglicherweise in ihm schlummernde Aggressionen und Kräfte lieber ins Sportliche: eine systematische Ausbildung in der japanischen Kampfkunstart Karate - was zu deutsch "leere Hand" heißt. Deren Sinn zwar hartes Training ist, aber nicht mit dem Ziel, den Gegner zu verletzen, sondern primär, sich wirksam zu verteidigen. Peter Brockers hat es hinbekommen. Dr. h. c. MA steht heute auf seiner Visitenkarte, darunter: Heilpraktiker mit dem Zusatz "Natur heilt durch ihre Kraft". Und auf seiner Karte als Präsident des Weltverbandes "International Karate Federation": Shihan Peter Brockers.

"Der Shihan ist - nicht nur im Budo - ein Lehrer von Lehrern oder ein Professor; wird aber häufig auch einfach als "Meister" übersetzt. Es ist eine Ehren-Bezeichnung für einen hohen Würdenträger, hoher Lehrer und Meister, Unterweiser und Erzieher. Diesen Ehrentitel führte auch Jigoro Kano, der Begründer des Judo", erklärt Wikipedia die Bedeutung. Peter Brockers hat 1971 und 1972 als 25-Jähriger Karate studiert: an der Takushoku-Universität in Tokio - "der besten Karateschule der Welt", sagt er. Bei Hirokazu Kanazawa, einem der bedeutendsten heute noch lebenden Karate-Meister (84 Jahre) und derzeit einzigem Träger des 10. Dan.

Peter Brockers hatte als 15-Jähriger zufällig ein Buch gefunden, das die Karate-Techniken beschrieb - und war fasziniert. Der Junge, der mit 16 beim Polizei-Sportverein boxte und mit 18 beim Post-Sportverein im Judo den 1. Kyu erwarb, erarbeitete sich daheim in Neuwerk die damals hierzulande noch fast exotische Sportart Karate, zunächst ohne Lehrer. Und fuhr dann 1966 mit 21 nach Köln, wo Kanazawa, aus Japan nach Europa geschickt, auftrat, um Karate bekanntzumachen. "Hirokazu ist bis heute mein Meister", sagt Shihan Peter Brockers. Die beiden wurden Freunde, der Japaner ist der Pate von Brockers' Sohn Markus (mittlerweile 47), der es als Jugendlicher bis zum Europameister brachte, heute aber wegen einer Hüftverletzung keinen so harten Sport mehr treiben kann.

Der Vater aber ist weiter aktiv. Nicht als Kämpfer, aber als immer noch amtierenden Vorsitzender und erster Trainer des Karate-Dojo Mönchengladbach, das er 1964 gegründet hat. Peter Brockers sagt: "Ich lebe für Karate, seit 55 Jahren." Er ist mit seinem Sport durch die Welt gezogen: immer wieder Japan, dann die USA und Europa. 1968 war er beim ersten Länderkampf der deutschen Nationalmannschaft dabei, holte später als Kämpfer ebenso wie als Bundestrainer oder Coach spanischer Auswahlteams Erfolge. Shihan Peter Brockers übernahm nationale wie internationale Ämter als Funktionär. Er hat es zum 9. Dan gebracht. Bis zum 5. musste er Prüfungen bestehen, danach gibt es dann "Beförderungen" ob besonderer Verdienste. Zwei Ehen sind bei seinem Engagement für den Sport auf der Strecke geblieben: "So etwas macht keine Frau auf Dauer mit."

Es war wohl auch nicht nur wegen all des Zeitaufwandes nicht einfach, seine Frau zu sein: "Es gab Zeiten, da war der Name Peter Brockers ein Schimpfwort. Ich hatte viel Ärger." Weil er sich für seine Ziele immer wieder mit anderen anlegte, nicht nur bei seiner erfolglosen Kandidatur als Sportwart im Stadtsportbund. Sondern auch im permanenten Wirrwarr und Gezerre der diversen Kampfsportverbände und Vereine, national wie lokal, bei denen man schon den Überblick verlieren kann: Alleine in Mönchengladbach sind es heute 14 Vereine. "Und mich gibt es immer noch", sagt Brockers.

2008 hat er in den USA die Lizenz als internationaler Schiedsrichter erworben, der bei Olympischen Spielen eingesetzt werden könnte - wenn Karate olympische Sportart wäre. "2020 haben wir gute Chancen, endlich dabei zu sein", sagt Brockers. Das wäre ausgerechnet in Tokio. Doch dann ist er 75. Zu alt für solch einen Einsatz. Aber womöglich immer noch nicht für das Engagement, das ihm besonders am Herzen liegt; die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, vor allem in seinem Karate-Dojo, dessen Mitglieder überwiegend zu dieser Altersgruppe gehören. Vor vielen Jahren übrigens auch ein gewisser Reinhold Ewald. Damals noch Schüler, später Weltraumfahrer. "Teddy, wie wir ihn nannten, war ein ziemlich Wilder, aber ein guter Kämpfer", erinnert sich der Shihan. "Peters Jugendarbeit ist ein Phänomen. Er weiß, dass die heute so wichtige Integration auch innerhalb der deutschen Bevölkerung ansetzen muss", sagt Norbert Post, CDU-Landtagsabgeordneter und freundschaftlicher Begleiter seit der Jugendzeit.

(RP)
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