Mönchengladbach Poetry-Slam: So viel Hass in sechs Minuten

Mönchengladbach · Um Liebe und um Hass ging es beim Poetry-Slam am Donnerstagabend im Projekt 42. Mit spontanen Tanzeinlagen und Wutausbrüchen zeigten die Poeten eindrucksvoll, was in ihnen vorgeht.

Bilder vom Poetry-Slam in Mönchengladbach
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Katja Hofmann hasst gefühlt die ganze Welt: Sie hasst Leute, die ihren Erkältungsschleim von ganz unten hochziehen, Leute, die zu laut stöhnen und Leute, die sagen, sie sähe aus wie ihr Bruder. "Ich hasse das", ruft die 1,59 Meter große Blondine aus Halle immer wieder ins Mikrofon. Sie liest ihre mit Füller geschriebenen Texte aus einem kleinen gelben Büchlein ab. Andere Poeten — an diesem Abend sind es sieben — tragen ihre Gedichte auswendig vor.

Die Regeln beim Dichterwettstreit in Gladbach sind schnell erklärt: Jeder Slammer hat sechs Minuten Zeit, die Texte müssen eigenständig verfasst sein und es dürfen keine Requisiten benutzt werden. Veranstalter und DJ des Abends Markim Pause und Jonas Jahn wählen fünf Gäste aus dem Publikum aus, die nach jedem Vortrag Punkte von eins bis zehn vergeben. Die höchste und niedrigste Zahl wird jedes Mal abgezogen, so errechnet sich die Wertung. Katja Hoffmann aus Halle sammelt an diesem Abend zwei Mal über 20 Punkte.

Neben Hasstiraden bleibt es düster: So fasst Tuna Tourette den Batman-Film "The Dark Knight" auf seine subjektive Weise zusammen ("Batman ist eine jammernde Drama-Queen") und trägt seine Strategie zum Böse werden vor. Er spricht von Banken und bösen Verkehrsbetrieben, und davon, dass böse nicht gleich illegal ist. Der Superlativ des Bösen: "Ein Exhibitionist auf einem Holocoaust-Denkmahl". Das Publikum lacht. Tuna erzählt aber auch gerne Geschichten aus dem Leben. Von seinem ersten Frühdienst beim Campus-Radio in Bochum zum Beispiel, wo er sich erst aus dem Bett quält und dann doch auf der Arbeit einnickt.

Für einen kurzen Moment weg sein, in eigenen Träumen versinken: Eine Spezialität von Johannes Waßmer, der das erste Mal auf der Bühne in Gladbach steht. Bei ihm gleitet das Dichten fast ins Rappen ab. Mit seiner Stimme, aber auch seiner Geschichte über die Frau an der roten Ampel erinnert er an den deutschen Rapper Curse. Es geht um Liebe ("Wir sind die Gläser, unsere Liebe der Wein"), ums Heiraten, in eine gemeinsame Wohnung ziehen und um Kinder. Und doch ist es nur eine Fantasie mit einer Fremden an der Straßenkreuzung und der Erkenntnis: "Manchmal lebt man sein Leben in nur einem Moment".

Das Sprechen studiert

Philosophisch wird es auch bei der Slammerin Lisa Schöyen. Mit roten Rastazöpfen und buntem Blumenrock stellt sich die Slammerin ans Mikrofon, sofort hat sie das Publikum auf ihrer Seite. Ihr geht es um Emanzipation ("Es fehlen Leute die klatschen, wenn ich mich wehre"), um einen harten Panzer aus "Scheiß drauf", um blöde Anmachen und Männer, die argumentieren: "Es ist halt, wie es ist". Die Poetin mit dem Norweger-Namen baut Refrains in ihre Texte ein ("Wir tun, was uns gesagt wird und sagen, was andere zu tun haben") und spricht mit ihrer sanften Stimme jedes Wort so deutlich, als ob sie das Sprechen studiert hätte.

Lisa, ein regelmäßiger Gast im Projekt 42, steht an diesem Abend mit der frechen Katja aus Halle im Finale. Hier darf das ganze Publikum abstimmen. Beide Frauen wollen die Menschen mit ihren Gedichten aufrütteln, sie zum Nachdenken bringen. Die eine langsam und sanft, die andere schnell und laut. Nachdem Katja in der zweiten Runde zeigte, dass sie keine Scheu hat, bei Liedern der Backstreetboys junge Männer im Publikum anzutanzen und zugab, dass sie manche Dinge auch liebt ("Sonntage, Kissenschlachten, Fruchtfleisch"), erklärt sie in ihrem Final-Text einem Mann beim Speed-Dating ihre Abneigung zu Tieren.

Sie reimt über Ponyliebhaberstücke und Freundschaftsbücher und über die Schildkröte Siggi, die ihren Kopf einzieht, wenn sie gekitzelt wird. "Ich glaubte kurz ein neues Lieblingstier gefunden zu haben, bis Siggi abspritze". Ihr erster Kontakt mit Sperma. Katja ist laut und derbe. Aber die Pointe kommt erst noch: Sie habe diesen Text auch mal auf einer SPD-Veranstaltung vorgetragen. In der ersten Reihe saß, genau, Sigmar ("Siggi") Gabriel. "Ich wollte mich später bei ihm wegen der Sperma-Sache entschuldigen, aber ich glaube, er fand es geil", lacht Katja.

Und auch das Publikum findet sie geil. Verdient gewinnt Hofmann, die extra durch die ganze Republik zum Slam nach Gladbach gefahren ist, an diesem Abend den Dichter-Pokal. Bleibt nur zu hoffen, dass er zu den wenigen Dingen gehört, die sie mag.

(met)
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