Mönchengladbach Sopranistin kämpfte für den Platz auf der Bühne

Mönchengladbach · Seit 25 Jahren singt Anna Hollenberg im Opernchor des Theaters. Ihr Weg auf die Bühne war allerdings lang und schwierig.

 Italienische Musik ist Anna Hollenbergs Lebenselixier. Sie singt im Opernchor. "Da teilt man die Verantwortung", sagt sie.

Italienische Musik ist Anna Hollenbergs Lebenselixier. Sie singt im Opernchor. "Da teilt man die Verantwortung", sagt sie.

Foto: Thomas Lammertz

Wenn es nach ihrer Familie gegangen wäre, säße Anna Hollenberg heute am Klavier. Doch der gebürtigen Polin war schon als Kind bewusst, dass sie nur als Sängerin auf die Bühne wolle. Der Wunsch wurde Wirklichkeit: Dieses Jahr feiert die Sopranistin Dienstjubiläum. Seit 25 Jahren sing sie im Opernchor des Theaters. Der Weg dorthin war lang und selten einfach.

Eigentlich war Hollenbergs Berufsweg vorbestimmt: Ihre Großmutter war Pianistin und Musikprofessorin an der Hochschule in Krakau. Ihre Mutter machte als Konzertpianistin Karriere. Und auch sie sollte die Familientradition fortführen. Das willensstarke Mädchen hatte jedoch andere Pläne: "Ich habe schon als Kind gerne gesungen und wollte unbedingt im Theater als Sängerin auf der Bühne stehen", erzählt Hollenberg.

Also ging die damals 14-Jährige heimlich zu einer Gesangsprofessorin, um ihr Talent und ihre Chancen beurteilen zu lassen. Die Einschätzung des Profis wird Hollenberg niemals vergessen: "Sie sagte: ,Mein Kind, du hast eine wunderbare Sopranstimme, aber deine Schüchternheit wird dir zur lebenslangen Aufgabe.'" Wie recht die Professorin hatte, sollte der jungen Frau erst später bewusst werden. Der Wunsch, Sopranistin zu werden, war nun aber umso größer. "Ich habe zu Hause verkündet, dass ich ab sofort kein Klavier mehr spielen und nur noch Gesangsunterricht nehmen würde", berichtet Hollenberg. Vor allem die Großmutter war traurig darüber, "ich aber wusste, das ist der richtige Weg für mich."

Hollenberg übte unablässig, nahm Gesangsstunden und bemühte sich zeitgleich um ein Stipendium für einen Meisterkurs bei Kammersängerin Erika Köth aus Liechtenstein. Nach ihrem Abitur ergatterte Hollenberg den begehrten Platz. Das Problem: "Es war damals fast unmöglich, das Land zu verlassen. Ich habe Berge versetzt, um ausreisen zu dürfen."

Nach dem Meisterkurs begann das Studium am Konservatorium in Wien. "Ich hatte zwei große Lebensträume: Der erste war, mein Hobby zum Beruf zu machen, und der zweite, in Wien zu studieren. Die Stadt war für mich kulturell und musikalisch eine Legende." Hollenberg schloss noch ein Privatstudium bei Kammersängerin Hildegard Zadek an und studierte zeitgleich Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Wien. Finanziert hat die Sängerin ihre Ausbildung durchs Kellnern im Bawag-Café und Kaffeehaus Demel. "Ich bin stolz darauf, mir jeden Pfennig selbst erarbeitet und diesen Weg alleine bewältigt zu haben."

Doch Hollenberg wollte sich noch weiter bilden. Sie ging nach Italien und besuchte dort die Vitorio Alfieri- und Leonardo da Vinci-Schulen in Florenz. Irgendwann zog es sie in das Haus des Komponisten Giacomo Puccini. "Ich sah in dem Haus ein Foto der Primadonna Gina Cigna, die als beste Tosca- und Turandot-Sängerin galt." Das Bild ließ Hollenberg nicht mehr los. Also bat sie die Sopranistin um eine Audienz, bei der sie nach Gesangsstunden fragte. Die Dame gewährte: Hollenberg erhielt zehn Stunden - für viel Geld. Doch die Summe zahlte die junge Frau gerne. "Das war das wichtigste Ereignis in meinem Leben. Es hat mich immer sehr gerührt, dies geschafft zu haben." Ihr erstes Engagement war am Theater in Baden bei Wien, und sie sang zahlreiche Konzerte als Solistin.

Bis sie eines Tages die Prophezeiung der Gesangsprofessorin einholte: Vor einem Konzert packte Hollenberg plötzlich extremes Lampenfieber. Sie traf eine Entscheidung: Statt als Solistin weiterzumachen, trat sie einem Opernchor bei, dem Opernchor des Theaters Mönchengladbach/Krefeld. "Und diese Entscheidung habe ich nie bereut." Heute singt sie Stücke ihrer Lieblingskomponisten, unter anderem Puccini, Verdi und Donizetti. "Die Seele erhält durch italienische Musik einfach so viel Nahrung", sagte sie. Das Lampenfieber begleitet sie auch heute noch, aber nun in einer "angenehmen" Form, sagt sie. "Im Opernchor teilt man die Verantwortung. Ich empfinde es als Privileg, als Künstler sein inneres Kind auf der Bühne spielen lassen zu können - und zwar bis ins hohe Alter. "

(RP)
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