Serie Denkanstoss Was uns Äpfel deutlich machen

Mönchengladbach · Am Sonntag ist Erntedankfest. "Bei der Besinnung auf das, was Dank verdient, verändern sich die Perspektiven auf das Leben", sagt der Rheydter Pfarrer Stephan Dedring im Denkanstoß.

Die Äpfel sind rot am Baum in unserem Garten. Zeit für das Erntedankfest, das am Sonntag ansteht. Das Erntedankfest war früher stärker im Bewusstsein der Menschen als heute, und auf dem Land ist es noch präsenter als in der Stadt, wo wir uns längst daran gewöhnt haben, zu jeder Zeit alles kaufen zu können, ohne auf Wachstumszeiten achten zu müssen. Aber sich anlässlich eines Festtages auf den Dank zu besinnen, tut immer noch allen gut. Es gibt die größere Schöpfungskraft Gottes, die unsere Möglichkeiten übersteigt und der wir unser Leben verdanken und das, was wir zum Leben brauchen. Jeder Apfel kann uns daran erinnern.

Bei der Besinnung auf das, was Dank verdient, verändern sich die Perspektiven auf das Leben. Dann darf der Blick auf das Gute fallen, für das wir danken dürfen, und muss nicht beim Negativen steckenbleiben, an dem wir manchmal zu Recht Kritik üben oder auch nur herumnörgeln. Vieles scheinbar Selbstverständliche verwandelt sich in ein Geschenk, das wir entdecken: der warme Sonnenstrahl an einem herbstlichen Tag und Augen, die es sehen können, das Angebot und ein freundliches Gespräch auf dem Markt. Warum beklagt sich ein Leserbrief über zu wenige Blumen beim Rheydter Blumensonntag und übersieht den großen Einsatz Ehrenamtlicher für ein schönes Fest, auch wenn es keine Blumenwagen wie in den 1950er Jahren mehr gibt? Warum wählen manche aus Protest eine Partei, deren rechtsradikale Tendenzen sie gar nicht teilen? Wie steht es um die Dankbarkeit für den Einsatz unserer Bundestagsabgeordneten, die beide wieder in den Bundestag einziehen konnten und sich auch in Zukunft wieder unter anderem für die Interessen Mönchengladbachs einsetzen werden (was mühsamer und aufwendiger ist, als man als Pauschalbeobachter von außen wahrnehmen kann).

Ich gratuliere jedenfalls beiden Politikern und wünsche ihnen Gottes Segen für das nicht leichte Geschäft politischer Kompromisse und Entscheidungen. Natürlich bleiben Herausforderungen, zum Beispiel bei der Integration der Neuzugewanderten, bei den Sprachkenntnissen südosteuropäischer Arbeitssuchender, bei der Inklusion, der Digitalisierung bei der Arbeit und im Einzelhandel, bei der Langzeitarbeitslosigkeit und der drohenden Altersarmut für zu viele, bei der Frage nach der Zukunft Europas. Aber wer den Dank nicht vergisst, ist besser gerüstet für die Zukunft und wird sich auch da oder dort mit Ideen einbringen.

Erntedank ist ein altes kirchliches Fest, Erntedank wird aber auch in anderen Kulturen und Religionen gefeiert - und es ist ein Fest mit gesellschaftlicher Bedeutung. Von den Äpfeln in meinem Garten lasse ich mich gerne daran erinnern.

STEPHAN DEDRING IST PFARRER DER RHEYDTER HAUPTKIRCHE

(RP)
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