Mönchengladbach Zauberhafte Klangfarben

Mönchengladbach · Beim 4. Sinfoniekonzert der Niederrheinischen Sinfoniker erweist sich Alexander Steinitz als Herr über monumentale Klänge und musikalischen Feinschliff. Am Klavier begeistert der koreanische Pianist William Youn.

Nun mag man sich möglicherweise fragen, wer bei der Programmierung des 4. Sinfoniekonzerts der Saison auf die Idee gekommen ist, Chopins fragiles 2. Klavierkonzert zwischen diese monumentalen Orchester-Kracher zu platzieren. Allein: Wie sich ein kleines Aquarell-Idyll zwischen großformatigen Kriegslandschaften in Öl an der Museumswand behauptet, bei entsprechender Qualität natürlich, so tönen die delikaten chopin'schen Melodie- und Klanggewebe im Nachhall auf das Erlebte im Konzertsaal des Theaters gleichberechtigt zwischen dem großen Tamtam, das sowohl der Pole Witold Lutosawski wie der Italiener Ottorino Respighi mit den um etliche Zusatzfarben bereicherten Niederrheinischen Sinfonikern veranstalten.

Und sicher hat der Koreaner William Youn seinen Anteil an diesem wohligen Erinnern, der dem Steinway gerade im rhapsodischen Larghetto gar zauberhafte Klangfarben entlockte. Der fast schüchtern wirkende Solist überzeugte restlos mit einer geradezu lyrischen Chopin-Auffassung, wie er einerseits das virtuose Gestrüpp mit feiner Lasur entwirrte, andererseits offenen Ohrs für das begleitende Orchester geradezu kammermusikalisch agierte. In Alexander Steinitz, der als 1. Kapellmeister seinen Konzertauftritt sichtlich genoss, hatte er einen ungemein aufmerksamen Partner am Taktstock. Und der städtische Klangkörper spielte mit wohligem Streicherklang und schönem Fagott-Solo bestens mit. Als Zugabe und umjubelt: Schumann in Liszt-Format.

Auch wenn nach einer guten halben Stunde Lutosawski der Applaus des Publikums etwas müde klang, die Interpretation des "Konzert für Orchester" von 1954 gehört zu den Spitzenleistungen, die die Niederrheinischen Sinfoniker in dieser Saison erbrachten. Alte Form und Nachkriegs-Harmonik verknüpft der angesehenste unter Polens Avantgardisten mit Volkslied-Melodien und erschafft ein ungemein virtuoses Spektakel an Klangfarben und Emotionen. Tumult wechselt mit Pastorale, überirdischer Choral mündet in wilde Raserei. Blech, Holz und Schlagwerk leisten Großes, zwei Harfen, Klavier diverse Tastenspiele sind im Dauereinsatz. Und über allem schlägt Steinitz mit ruhiger, wienerischer Gelassenheit.

Respighis "Pinien von Rom" kommen nicht ganz so neutönig daher, auch wenn sie von Clustern und nervenden Dissonanzen im hohen Blech schon mehr als nur eine Ahnung haben. Die Stimmungsbilder römischer Landschaften mit landestypischem Nadelbaumbewuchs kosten den Breitwandsound des Orchesters weidlich aus, neben Orgel und Celesta ist sogar ein Plattenspieler im Einsatz, der pittoreskes Vogelgezwitscher (von der in der Partitur vermerkten originalen Aufnahme der Deutschen Grammophon) einspielt.

Ein Spektakel sondergleichen, große Oper mit einem finalen Tusch. Und gemeinsamem Diener der Orchestermusiker zum Abschied.

(ark)
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