Mensch Gladbach Kulturelle Sonntagsöffnung - nur in Grenzen

Meinung | Mönchengladbach · Da zerbrechen sich Politiker vermeintlich die Köpfe darüber, wie Bildung und Integration bei Jugendlichen gelingen könnte. Dabei zeigt ein beispielhaftes Projekt in Rheydt, dass eine klitzekleine Gesetzesänderung viel mehr bewirken könnte als manche kostenträchtigen Prestige-Programme.

In Wahlkampfjahren wie dem aktuellen rieseln sie wieder von allen Seiten auf uns ein - Politiker-Botschaften zu Bildung und Integration. Es gibt kaum eine Partei, die sich nicht dafür einsetzt. Mal ist Bildung wichtigste Staatsaufgabe, mal muss sie gebührenfrei sein, mal ist sie der Schlüssel zur Integration. Der Schlüssel zu Integration und Bildung ist übrigens die Sprache. Und natürlich darf kein Kind zurückgelassen werden. All das ist richtig - und Sie werden es in den nächsten Wochen noch sehr, sehr oft hören. Ob nach der Wahl wirklich etwas Wirksames passiert, ist eine andere Frage. Klar, es gibt viele wunderbare Programme und Konzepte, die Integration fördern, das Bildungssystem durchlässiger und gerechter machen wollen. Dafür fließt auch einiges an Geld.

Dabei könnte mit viel weniger ein toller Effekt erzielt werden. Das zeigt ein Beispiel aus Rheydt, das landes-, wenn nicht bundesweit seinesgleichen sucht. Dort öffnet die städtische Bibliothek nämlich auch samstags und vor allem sonntags. Mit verblüffenden Ergebnissen: Jugendliche, also jene Gruppe, die ansonsten nicht als besonders bücheraffin gilt, strömen in Scharen dorthin. Und es kommt noch viel besser: Viele davon haben auch Migrationshintergrund. Nach den Freizeitbädern geben junge Menschen bei Umfragen die Bücherei als zweitliebste Anlaufstelle an. In Rheydt gelingt also das, wovon Integrations- oder Jugendbeauftragte träumen und worüber wahlkämpfende Politiker so gerne palavern.

Verblüffend einfach - und doch so schwer: Denn das Bundesarbeitsgesetz sieht das nicht vor, also zumindest nicht für städtische Bibliotheken, für wissenschaftliche ist die Sonntagsöffnung nämlich erlaubt. Ebenso für Museen, Theater und andere Kulturinstitute. Verstehen muss man das nicht. Die Stadtbibliothek Mönchengladbach hat sich jedenfalls für ihre Rheydter Dependance ein ausgefuchstes Modell ausgedacht, um das dennoch zu ermöglichen. Man kann nur hoffen, dass das Beispiel Schule macht, Politiker ihre Wahlversprechen mal ernst nehmen und das Gesetz entsprechend ändern. Vielleicht wissen die Gewerkschaften aber auch das wieder mal zu verhindern.

So wie derzeit auf ihre Klagen hin ein verkaufsoffener Sonntag nach dem anderen abgeräumt wird. In Mönchengladbach wird gar nicht mehr über den für 30. April avisierten gesprochen, dafür über einen am Tour-Sonntag. Verstehen muss man auch das alles nicht. Denn es ist nicht nur so, dass es in nahezu allen anderen europäischen Ländern kein Problem ist, wenn Geschäfte am Sonntag öffnen. Roermond, Maastricht oder Venlo sind nah.

Es gibt aber auch unter den Beschäftigten im Einzelhandel nicht wenige, die gerne hin und wieder sonntags arbeiten würden, um dafür an einem Wochentag freizuhaben. Gerade alleinerziehende Mütter oder pflegende Angehörige, für die sich Gewerkschafter in Sonntagsreden (ist lobbyistisches Reden am Sonntag eigentlich mit dem Gesetz vereinbar?) gerne einsetzen, hätten dann vielleicht ein Betreuungsproblem weniger. Am Wochenende können Freunde oder Verwandte eben eher helfen als wochentags.

Doch wir bleiben optimistisch und glauben einfach mal den Wahlkämpfern: Die Bildung fördern, den regionalen Handel stärken!

(RP)
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