Mönchengladbach Lehrer sollen Praktika machen

Mönchengladbach · Nicht mehr nur Schüler, auch Pädagogen sollen künftig Betriebe und damit die duale Berufsausbildung besser kennenlernen. Das Problem ist, dass immer weniger Schulabgänger eine Ausbildung machen - weil sie studieren wollen oder gar keinen Abschluss haben.

 Nicht nur Schüler, auch Lehrer sollen bald in Betrieben Praktika machen.

Nicht nur Schüler, auch Lehrer sollen bald in Betrieben Praktika machen.

Foto: dpa

Die Handwerksbetriebe in der Stadt haben immer größere Probleme, geeignete Kandidaten für ihre Ausbildungsplätze zu finden. Und deshalb bastelt die Kreishandwerkerschaft gemeinsam mit dem Schulamt der Stadt derzeit daran, die duale Berufsausbildung besser zu bewerben: Lehrer sollen Betriebspraktika machen. Nicht alle, aber zumindest diejenigen, die in ihren Schulen als Studiums- und Berufskoordinatoren arbeiten.

Darauf haben sich die Kreishandwerkerschaft und das Schulamt verständigt. "Wir wollen Lehrer von allen Schulformen in der Sekundarstufe I die Möglichkeit geben, die duale Berufsasusbildung aus einer völlig anderen Perspektive zu sehen", sagt Schulamtsdirektor Claus Friedhoff. Und dazu müssten Lehrer in Betriebe gehen. Auf diese Weise könnte die Vorstellung der Pädagogen davon geschärft werden, welche Anforderungen in der dualen Ausbildung gestellt werden - und welche Chancen sich ergeben.

"Die Perspektive in der Berufskoordination ist stark akademisch ausgerichtet", sagt Friedhoff. Und Kreishandwerksmeister Frank Mund ergänzt: "Die Situation für die Betriebe wird immer prekärer. 66 Prozent der Schulabgänger wollen studieren. In zehn Jahren sind es laut Bildungsministerium 82 Prozent." Dem wollen die Betriebe entgegenwirken, indem sie Pädagogen die Vorzüge einer dualen Berufsausbildung in der Praxis vorführen. Das soll ab dem kommenden Schuljahr in einem fünftägigen Praktikum möglich sein. Etwa 15 bis 20 Lehrer sollen in der ersten Auflage mitmachen können. Sie sollen in Betrieben und im Berufsbildungszentrum der Kreishandwerkerschaft über mehrere Tage dabei sein, wenn Azubis angeleitet werden.

Aber auch noch mehr Schüler sollen in die Berufswelt schnuppern können. Deshalb wird ab dem Schuljahr 2016/17 die Berufsfelderkundung für alle Kinder ab der achten Klasse Pflicht. Sie sollen drei Tage lang Berufe erkunden können, so sieht es das Landesprogramm "Kein Abschluss ohne Anschluss" vor. In diesem Schuljahr haben etwa 1200 Schüler diese Möglichkeit, im kommenden Schuljahr werden es gut doppelt so viele sein. Unterm Strich erhoffen sich die Handwerker und auch Bildungspolitiker davon, dass die duale Berufsausbildung auch wieder eine höhere Anerkennung genießt. "Es wird zum Beispiel bei Eltern oft statuserhöhend wahrgenommen, wenn das Kind weiter zur Schule geht und studiert", sagt der zweite Bürgermeister und SPD-Bildungspolitiker Ulrich Elsen. "Dieser schiefe Blick setzt sich in der Schule oft fort."

Handwerks- und Industriebetriebe haben aber nicht nur Probleme damit, dass viele Schulabgänger auf die Uni wechseln. Sondern dass in Gladbach auch immer mehr Jugendliche gar keinen Schulabschluss haben. Die Quote der Schüler ohne Abschluss wird in diesem Jahr wahrscheinlich bei 8,4 Prozent liegen (plus 0,3 Prozent), das sind 240 Schüler. Landesweit liegt der Anteil bei fünf Prozent. Und das führt fast immer in die Arbeitslosigkeit.

"Die Große Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Schulabbrecher in der Legislaturperiode deutlich zu verringern", sagt Elsen. "Ich dränge darauf, dass wir mit Schulen, Verwaltung, Jobcenter, Handwerk und Industrie in einer Art Bildungskonferenz dringend überlegen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um das Bildungsangebot effizienter zu machen." Die Wirtschaft müsse überdies sehr viel Aufwand betreiben, um auch schwächere Schüler ausbildungsfähig zu machen, so Mund: "Wir brauchen Leistungsträger."

(RP)
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