Mönchengladbach Leos Mutter: Verteidiger wollen Schallgutachten

Mönchengladbach · Im Prozess gegen die 27-Jährige versucht das Gericht, sich ein Bild von der Tatnacht zu machen.

 Vor dem Haus in Eicken, in dem der kleine Leo starb, legten Menschen Kerzen und Stofftiere nieder.

Vor dem Haus in Eicken, in dem der kleine Leo starb, legten Menschen Kerzen und Stofftiere nieder.

Foto: Isabella Raupold

Die Schilderungen sind unerträglich. Als der Polizist, der vor anderthalb Jahren die Vernehmung von Pascal W. leitete, die Nacht rekapituliert, in der der gerade einmal 19 Tage alte Leo ums Leben kam, weint die Mutter ununterbrochen. Und als ihr eigener Verteidiger aus den Vernehmungsprotokollen zitiert, bricht es aus ihr heraus. "Ich wäre lieber zehn Jahre im Gefängnis, als mir das alles noch einmal anhören zu müssen", ruft sie unter Tränen. "Ich habe mein Kind mehr als alles andere geliebt und liebe es noch."

Am zweiten Verhandlungstag gegen die Mutter des Babys Leo, das im vergangenen Jahr brutal vom eigenen Vater getötet wurde, sagte gestern unter anderen der Ermittler aus, der die Aussage des Vaters aufnahm. Er schilderte die Situation aus seiner Erinnerung, die aber mit den schriftlich vorliegenden Protokollen abgeglichen wurde. Es wurde deutlich, dass die Anwesenheit und Versorgung des kleinen Leo, der ein Wunschkind war, den Vater bald vor große Probleme stellte. Er will sich um das Kind kümmern und versorgt Leo auch nachts, kann das Baby aber kaum beruhigen. Die Mutter wird von ihrem Mann als fürsorglich geschildert, bei ihr hört das Kind schnell auf zu schreien. Der Vater will das auch leisten können, wird aber immer aggressiver und eifersüchtiger auf den kleinen Jungen, der die Liebe der Mutter auf sich zieht.

In der Tatnacht, so der Ermittler in seiner Aussage, kümmert er sich allein um das Baby, hat auch die Türen zwischen Wohnzimmer und Schlafzimmer geschlossen, um zu vermeiden, dass seine Frau dazu kommt. Der Junge schreit laut Aussage stundenlang, der Vater misshandelt ihn immer heftiger, setzt sich auf ihn, schüttelt ihn, missbraucht ihn und schlägt ihn dreimal mit dem Kopf auf die Tischkante. Zwischendurch, so gibt er zu Protokoll, habe der Vater einmal im Schlafzimmer nachgeschaut, ob seine Frau schläft. Sie liegt ruhig im Bett, und das bestärkt ihn in seinem Entschluss, das Kind in dieser Nacht zu töten. Er glaubt, sie wolle auch, dass er das Baby beseitigt. Als er seine Tat vollendet hat, zieht er den kleinen Jungen wieder an und legt ihn ins Bett. Die Mutter findet den toten Säugling am nächsten Morgen.

Im aktuellen Prozess geht es um die Frage, ob die Mutter die Misshandlungen mitbekommen hat oder nicht. Hat sie sich schlafend gestellt oder schlief sie wirklich? Im ersten Prozess war die heute 27-Jährige wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte Revision eingelegt und der Bundesgerichtshof das Verfahren ans Landgericht zurück verwiesen. Deswegen sitzt die Mutter jetzt ein zweites Mal auf der Anklagebank. Der Vater, der zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, hatte die Tat gestanden, will aber in der erneuten Verhandlung nicht aussagen. Der Verteidiger der Mutter zieht die Zeitangaben des Täters in Zweifel - die Tat soll sich über zwei bis drei Stunden hingezogen haben. Und er fragt nach einem Schallgutachten: Ist es möglich, durchzuschlafen, während das Baby nebenan schreit?

(RP)
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