RP-Aktion Liebesgeschichten Liebe auf den zweiten Blick

Mönchengladbach · Es begann 1967 im Sommer of Love. Damals wusste das natürlich nur noch niemand. Ich, ein absoluter Beatles-Fan, ging mit meinem Freund Peter im April zur Oster-Kirmes in Düsseldorf am Staufenplatz zu unserem Stammplatz auf die Raupe.

 Nach ein paar Runden auf der Raupe, hatten sie Schmetterlinge im Bauch. Dieses Foto ist 1968 in einem Fotoautomat am Düsseldorfer Hauptbahnhof entstanden.

Nach ein paar Runden auf der Raupe, hatten sie Schmetterlinge im Bauch. Dieses Foto ist 1968 in einem Fotoautomat am Düsseldorfer Hauptbahnhof entstanden.

Foto: Jürgen Schulte

Wir investierten fünf D-Mark Taschengeld und bekamen zwölf Chips dafür. So konnten wir den ganzen Tag lang mit den Chips fahren. Wir wollten natürlich auch Mädchen kennenlernen. Außerdem gab es auf der Raupe die beste und aktuellste Musik von den Beatles, Stones, Dave Dee, Kinks oder Small Faces zu hören. Auf der Raupe waren wir die Größten. Ab und zu sprang ich zu einem Girl in den Wagen, kurz bevor das Verdeck sich schloss, und holte mir so manche Ohrfeige ab. Man ließ sich aber ja nichts anmerken.

An diesem Tag kam Peters Freundin Heidi mit ihrer Schulfreundin Margret zur Kirmes. Peter stellte uns vor und wir unterhielten uns ein wenig. Doch Margret war 13 Jahre alt, damit war für mich das Thema erledigt. Ich war ja schon 17 Jahre. Ich hörte bei der Unterhaltung nicht richtig zu und schaute nach anderen Girls auf der Raupe.

Ein Jahr später. Gleiche Kirmes. Ich war wieder mit Peter unterwegs. An der Raupe sahen wir zwei Mädels, beide mit langen schwarzen Haaren, schwarzen Mänteln, weißen Kniestrümpfen und schwarze Lackschuhen. Sie sanden mit dem Rücken zu uns gedreht. Ich stupste Peter an und sagte: "Nicht schlecht, oder?" In dem Moment drehten sich beide Mädchen um, und es traf mich wie ein Blitz: Eine von ihnen war Margret. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, meine Überlegenheit war auf einmal weg. Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie im Jahr davor links liegen gelassen hatte. Ich stand da und konnte mich kaum bewegen. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf: Was mache ich jetzt? Grüße ich? Drehe ich mich um und gehe? Rede ich mit ihr? Bevor ich irgendeinen klaren Gedanken fassen konnte, kam Margret auf mich zu, lächelte mich an und sagte: "Hallo Jürgen, wie geht´s?" Ich stammelte und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich dachte, alles was ich jetzt sage oder mache, ist falsch. Sie machte den Vorschlag, ein wenig spazieren zu gehen. Peter und ihre Freundin hatten sich schon verabschiedet.

Wir gingen also ein Stück, bis sie auf einmal fragte: "Weißt du noch, wann ich Geburtstag habe?" In dem Moment dachte ich, das war es jetzt. Woher sollte ich das wissen? Ich hatte vergangenes Jahr doch überhaupt nicht zugehört bei der Unterhaltung auf der Raupe. Mir fiel nur ein: "Hilf mir mal mit dem Monat." Die Antwort war Oktober. Ich wusste immer noch nicht Bescheid. Das einzige Datum, das mir in den Sinn kam, war John Lennons Geburtstag. Also sagte ich: "Der 9. Oktober". "Das weißt du noch?", fragte sie mich und war überglücklich. Ich dachte, das gib es doch nicht. Ich glaube, ich war überraschter als sie. Später hab ich ihr natürlich alles gestanden.

Sie war zwar erst 14 und ich 18 Jahre alt, es hat also nichts am Altersunterschied geändert. Aber die Welt sah auf einmal ganz anders aus. Wir haben 1971 geheiratet, haben eine Tochter, einen Enkel, und sind beide in Rente. Seit 1980 wohnen wir in Mönchengladbach. Dieses Jahr im April ist es 50 Jahre her, seit unserem ersten Treffen.

Jürgen Schulte

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort