Serie Was Macht Eigentlich? Mit Kobold, Thermomix und Familiensinn

Mönchengladbach · Walter Muyres weiß, was (nicht nur) Frauen wünschen. Der Rheydter hat als Banklehrling in Gladbach begonnen und es bis auf den Chefsessel beim weltweit tätigen Konzern Vorwerk geschafft. Und er hat, neben seiner Frau, noch eine große Liebe: den Fußball.

Zuhause, in seinem Haus in Hockstein, putzt er nicht, auch nicht als Pensionär mit seinen 59 Jahren. Aber er wüsste notfalls, wie es geht. Denn Walter Muyres hat den "Achterschlag" gelernt, als er als Chef der (nicht nur)-Gebäudereinigungsfirma HECTAS mit 14.000 Putzfrauen (und auch -männern) begann und eine Woche lang morgens um fünf die West-LB in Düsseldorf putzte. "Achterschlag" ist eine Methode, große Flächen schnell und effektiv mit dem Mopp zu reinigen.

Walter Muyres hat auch mal einen Staubsauger zusammengebaut: den berühmten "Kobold", als er 2008 persönlich haftender Gesellschafter beim Wuppertaler Konzern Vorwerk wurde, der auch die Multifunktions-Küchenmaschine Thermomix baut, unter vielem anderen. Dazu gehört auch das Kosmetik-Unternehmen Jafra (Zentrale in Kalifornien), das alleine in Mexiko 420.00 Mitarbeiter beschäftigt. Es ist eines von zwei Dutzend Unternehmen des international tätigen Konzerns Vorwerk mit fast vier Milliarden Euro Neugeschäft, für die Walter Muyres bis Ende 2014 an der Spitze tätig war und den Umbau vom einstigen Tür-zu-Tür-Verkauf vorwiegend an Hausfrauen zu einem topmodernen Unternehmen mitgestaltet hat.

Bis er für sich entschied, nun sei es an der Zeit, das Leben mehr zu genießen und nicht weiter in einem Halbjahr 31 Tage im Flugzeug quer durch die Welt zu reisen, wie es die Lufthansa ihm mal errechnet hat - 31 Tage reine Flugzeit, ohne An- und Abfahrt plus Wartezeiten im Airport. Dass er, der von sich sagt "Arbeit war für mich nie Arbeit, sondern stets Vergnügen", diesen Absprung schaffen würde, das hat ihm kaum jemand zugetraut, auch nicht seine Familie. Aber er hält durch, nun schon eindreiviertel Jahre. Wobei ihm seine zweite Liebe, neben der zu seiner Frau Marlene, hilft: der Fußball beim Landesligisten VfL Jüchen-Garzweiler.

Walter Muyres, der Mann, der sich mit so vielem auskennt, was Frauen (aber nicht nur die) interessiert, hat sich diesen Weg nicht vorgestellt, als er nach sechs Jahren auf dem Gymnasium Odenkirchen eine Lehre bei der Kreditbank Gladbach an der Bismarckstraße begann. Als Sohn eines Rheydter Steuerberaters kannte er sich schon etwas aus mit Zahlen und Bilanzen. Er machte seine Sache gut, fuhr nach dem Abschluss der Lehre neben seiner Arbeit zwei Jahre lang dreimal die Woche zur Düsseldorfer Universität, um den Bankfachwirt zu machen.

Er ging 1985 zur US-amerikanischen Citibank, damals die größte der Welt - und wurde nach viereinhalb Jahren dort von einem "Headhunter" angerufen, der ihn zu einer ganz kleinen Bank lockte: der Wuppertaler afk bank, gegründet 1969 von Vorwerk ursprünglich zur Absatzfinanzierung. "Bei der Citibank können Sie nie die Nummer 1 werden. Wir sind eine kleine Bank, die groß werden will", lockten die Wuppertaler. "Bei uns können Sie die Nummer 1 werden."

16 Jahre war Walter Muyres Geschäftsführer der afk bank. Als er anfing, hatte diese 30 Mitarbeiter, als er ging, waren es fast 300. Es war sein Einstieg in ein traditionsreiches Familien-Unternehmen, das den Familiengedanken bis heute hochhält, weltweit 622.000 Menschen in mehr als 60 Ländern beschäftigt in den Branchen Handel, Elektro, Teppichböden, Kosmetik und Dienstleistungen mit knapp vier Milliarden Euro Umsatz. "Ein Unternehmen, das auch gegenüber den Mitarbeitern noch den Familiengedanken pflegt", sagt Walter Muyres. "Anders als bei menschenverachtenden US-Firmen, bei denen allein der Profit zählt."

Nach 16 Jahren bei der afk bank brachte er HECTAS (Serviceleistungen oder Facility-Management, wie das auf Neudeutsch heißt, in sieben europäischen Ländern) in die schwarzen Zahlen. Und stieg 2008 als persönlich haftender Gesellschafter ins Top-Management Vorwerks auf, zuständig für das gesamte operative Geschäft. "Ich hing nur am Ergebnis. Wenn ich es schlecht gemacht hätte, hätte mein ganzes Vermögen draufgehen können", erzählt Muyres. "Doch Vorwerk ist so stark, dass das Risiko vertretbar war." Und da war ja auch sein Vertrauen ins eigene Können.

Es war ein Job, der wenig Freizeit kannte, dafür Reisen quer durch die Welt zu den 72 Vorwerk-Standorten. "Allein 2014 hatte ich bis Oktober 212 Hotel-Übernachtungen", berichtet er. "Da kam die Einsicht, dass meine Frau und ich kaum noch Freundschaften pflegten, viele Freunde sich nicht mehr meldeten, weil ich ja nie Zeit für sie hatte. Und nach den 28 Jahren in Jüchen, wohin man mich 1980 verheiratet und wo ich mich auch immer wohlgefühlt hatte, wollte ich dann doch zurück n'am Rheedt - ein so schönes Dorf Jüchen auch ist." Eine Einsicht, der sehr schnell die Tat folgte, so wie der Geschäftsmann es gelernt hat. Am 31. Dezember war sein letzter Tag bei Vorwerk. Das Leben als Privatier begann. Ausschließlich ist es aber noch nicht: Muyres ist in vier Aufsichtsräten mit etwa zwei Dutzend Sitzungen im Jahr - "auf die ich aber immer gut vorbereitet bin." Da ist nun also genügend Zeit für die wiederbelebten alten Freundschaften und auch für einige Monate pro Jahr in der Ferienwohnung auf Mallorca - wenn es geht, abgestimmt auf die Termine seines VfL Viktoria Jüchen-Garzweiler.

(RP)
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