Mönchengladbach Musical mit Teer- und Piepsstimmen

Mönchengladbach · Frank Matthus inszeniert das Blues-Musical "The Black Rider" als schrille Punk-Parodie der "Freischütz"-Oper.

 Wilhelm und Käthchen alias Paul Steinbach und Henrike Hahn lieben einander. Doch Käthchens Vater, der Förster Bertram, will einen Jäger und keinen Amtsschreiber als Schwiegersohn. Damit nimmt das Unglück seinen Lauf.

Wilhelm und Käthchen alias Paul Steinbach und Henrike Hahn lieben einander. Doch Käthchens Vater, der Förster Bertram, will einen Jäger und keinen Amtsschreiber als Schwiegersohn. Damit nimmt das Unglück seinen Lauf.

Foto: Matthias Stutte

Diese "Freischütz"-Parodie hat auch schon wieder fast 25 Jahre auf dem Buckel. Und vor 15 Jahren stand das Musical "The Black Rider", das drei spleenige Amerikaner (William S. Burroughs, Tom Waits, Robert Wilson) fürs Thalia-Theater Hamburg aus Gespensterbüchern und Webers romantischer Oper gebildet hatten, auch in Krefeld/Mönchengladbach auf dem Spielplan. Kontinuität zur damaligen Inszenierung von Marcus Lobbes wahrt die aktuelle Spielfassung von Frank Matthus (Regie) und Jochen Kilian (Musik) durch die Musik. Schon damals saß Kilian als Leiter am Piano und Kim Jovy blies Klarinetten und Tenorsaxofon. Das Kilian-Team war für den Erfolg der Neuinszenierung denn auch ausschlaggebend. Die "Kill Young Devil Band", die Schauspieler Adrian Linke richtigerweise zur "Kilian Devil Band" umbenannte, war die perfekte musikalische Klammer des Abends, wobei die sechs Musiker unsichtbar im Graben des Stadttheaters spielten.

Statt Joachim Henschke, der damals die zentrale Verkörperung des Teufels ("Stelzfuß") geboten hatte, spielte nun Adrian Linke diese schillernde Figur des Beelzebub. Im hell glitzernden Nadelstreifen, aber dezent bauchfrei und mit Irokesen-Punktolle lenkte Linke als zynischer Zeremonienmeister die Mitspieler. Er obsiegt im Spiel der naiv-guten und dämonischen Mächte, seine Zauberkugel aus dem Gewehr des Amtsschreibers Wilhelm (Paul Steinbach) trifft ungewollt das Punkmädel Käthchen (Henrike Hahn), das Wilhelm eigentlich freien will. Kein Happy-End wie im "Freischütz" gibt's halt bei Burroughs, dem unbelehrbaren Schieß-Junkie der Beat-Literatur, der 1951 mit seiner Ehefrau die Wilhelm-Tell-Apfelgeschichte mit scharfer Munition nachspielte - und dabei seine Joan tötete. Der Teufel packt sich die Beute auf und tritt grinsend ab.

Die Teer-Stimme und die biestige Diktion von Tom Waits in dessen rund 20 Songs wagten die Macher nicht anzutasten. Und so mühten sich einige Darsteller, Waits' Rachenputzer-Gegurgel nach Vermögen zu imitieren. Das wirkte zuweilen manieriert, so bei dem virtuos agierenden Cornelius Gebert als Jägerbursche und Wilderer, aber auch bei dem hervorragenden Adrian Linke. Sein Reibeisen-Blues hatte zu wenig Tiefensubstanz und klang nur noch scharf. Henrike Hahn piepste sich durch ihre Partie, wegen einer Erkältung sprang bei den Gesangsnummern für sie Anja Stange vom Theater im bayerischen Hof ein. Doch war die parodierende Comics-Stimmlage von der Regie gewollt. Vielfältig nuancierte stimmliche und mimische Leistungen boten Daniel Minetti und Esther Keil als Förster-Elternpaar.

Die hoch kreative Punk-Maskerade, die krassen Frisuren und grotesken Kostüme, die Johanna Maria Burkhart den Akteuren verordnet hat, waren eine Augenweide. Und wenn die Darsteller, dazu sieben ausdrucksstark tanzende Gäste als Geister, herzogliches Gefolge und Waldtiere, sich zu der Powermusik bewegten, lief Matthus' Unterhaltungsmaschinerie optimal rund.

Christopher Wintgens hatte das bizarre Spektakel in der Manier eines Zirkusdirektors eröffnet. Doch noch davor stand im Off die rein akustische Schilderung eines Autounfalls. Der Crash wiederholte sich am Ende, und nun verstanden wir, was dies besagte: Die von Stelzfuß verhexte Zauberkugel traf bei Wilhelms Probeschuss statt der Taube die eigene Braut. Was soll's? Crash happens. - Ausdauernde Ovationen und mehrere Zugaben.

(RP)
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